Zukünftige Farbkombination. – Feindler zur Regierungsbildung.

„Der Kompromiss“ heißt das Gedicht noch für den Monat November. „Unabhängig vom Ausgang der anstehenden Gespräche, Verhandlungen und Parteitage, wird in den nächsten Wochen“ dieses Wort „mit Sicherheit häufiger fallen“, kommentiert Feindler den Titel in seinem Newsletter.

 

Der Kompromiss

 

Es zogen einst zwei Wohnpartei’n
gemeinsam in ein Doppelhaus,
denn beide hatten nicht allein
die Räume dieses alten Baus

vor vielen Jahren mal geerbt.
Die Außenwand – im Ursprung weiß –
war längst vom Feinstaub grau verfärbt.
Mit Blick auf Flecken und Verschleiß

beschlossen die Parteien, die

verschmutzte Mauer frisch zu streichen.
Doch bei der Farbwahl wollten sie
zuvor noch Einigung erreichen:

Das ging, nun ja, nicht allzu flink –
beim Wählen war das Komplizierte,
dass eine Seite klar für pink,
die and’re für orange plädierte.

Aufgrund begrenzter Möglichkeiten
ist so der Kompromiss gereift:
Wenn zwei sich um die Farbe streiten,
dann wird’s am Ende halt gestreift!

Gesagt, getan – es war entschieden,
doch mit dem frisch gestrich’nen Haus
ist heute niemand ganz zufrieden –
denn pink-orange sieht scheiße aus.

 

Fotograf: Andreas Tobias
Fotograf: Andreas Tobias

 

Für alle, denen ein paar Zeilen im Monat (zu Recht) nicht reichen, gibt es Nachschlag. Und zwar im aktuellen Programm des Kabarettisten – „Artgerechte Spaltung“:

 

31.12.2017 – Söhrewald – Solo
06.01.2018 – Göttingen – Solo
20.01.2018 – Cottbus – Auszüge
27.01.2018 – Magdeburg – Auszüge
28.01.2018 – Wahnfried – Solo

Leise rieselt der Schnee – Eduard Ebel im Porträt

Weihnachtskarte: Kinder, Schnee, Regenschirm

 

Von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Traditionelle Weihnachtslieder haben jetzt Hochsaison. Ganz weit oben in der Beliebtheitsskala der Deutschen steht das Lied Leise rieselt der Schnee, in dem der Theologe Eduard Ebel vor 122 Jahren eine Weihnachtsidylle beschrieb, nach der sich alle Romantiker noch heute sehnen. Ihm ist dieses Porträt gewidmet.

DER ORIENT IST EIN ZAUBERLAND

Eduard Ebel wurde am 7. August 1839 in Stargard in Westpreußen (heute Polen) geboren. Nach dem Theologiestudium in Königsberg trat er seine erste Stelle als evangelischer Pfarramtskandidat in Hamburg an, danach wurde er Seelsorger und Predigerin Königsberg. Von 1866 bis 1869 war er als Pastor in der deutsch-französischen evangelischen Gemeinschaft in Beirut im Osmanischen Reich tätig. „Der Orient ist ein Zauberland; wer einmal seinen Boden betreten, wird die Sehnsucht nach seinen ewigen Höhen nicht mehr in diesem Erdenleben los.“ Für das Wochenblatt der Johanniter  schrieb er im Dezember 1869: „Es ist Weihnacht geworden im heiligen Lande. Nicht, wie daheim, mit Schnee und Regen, nein, wie zur Zeit, als die Hirten mit ihren Herden des Nachts auf den Feldern lagerten, – sonnenhell und warm.“

LEISE RIESELT DER SCHNEE

Einige Jahre später – Ebel war nach Westpreußen zurückgekehrt und arbeitete als Pfarrer in Graudenz – sah die Welt wieder ganz anders aus. Weiße Flocken fielen vom Himmel, der See war vereist:  ein Szenario, das Ebel wohl zu Leise rieselt der Schnee inspirierte. Als kleiner Weihnachtsgruß für Kinder waren die Zeilen gedacht, die er 1895 in dem Band „Gesammelte Gedichte“ veröffentlichte. Auch die Melodie stammt vermutlich von ihm. Allerdings gibt es keinen Beleg dafür. Nicht nur in Kindergarten, Schule und Familie wird das Lied gesungen, auch die Unterhaltungsindustrie kam und kommt nicht daran vorbei. Die Liste der Sänger und Sängerinnen, die Leise rieselt der Schnee im Repertoire haben, ist lang. Hier einige Interpreten: Peter Alexander, Heintje, Die Wiener Sängerknaben, Hermann Prey, die Fischer Chöre, Mireille Matthieu, Nana Mouskouri, Roger Whittaker, die Kelly Family sowie – man höre und staune – Udo Lindenberg und Unheilig. Auch eine englische Übersetzung gibt es: Softly falls the snow. Das Lied wurde und wird gern als Vorlage für spöttische Parodien wie diese verwendet: Leise rieselt die Vier/auf das Zeugnispapier./ Hört doch, wie lieblich es schallt/, wenn die Ohrfeige knallt.

Eduard Ebel zog kurz vor der Jahrhundertwende mit seiner Familie nach Halle an der Saale und wurde dort Superintendent. Am 30. Januar 1905 verstarb er im Alter von 66 Jahren. Als großer Vorteil für seine Erben erwies sich der Umstand, dass Ebel der 1903 gegründeten Genossenschaft der Tonsetzer (GdF) beigetreten war, der ersten Verwertungsgesellschaft und Vorläuferin der GEMA. Denn die Noten für Leise rieselt der Schnee entwickelten sich zu einem Verkaufsschlager. Seine Tochter kassierte noch 1955 an die 10.000 DM an Tantiemen. Dann erlosch die Regelschutzpflicht, die damals bis 50 Jahre nach dem Tod des Verfassers galt.

SCHNEEGESTÖBER IN DER KUGEL

Eduard Ebel
Die 1. patentierte Schneekugel

Während Eduard Ebel heute vollkommen in Vergessenheit geraten ist – nicht einmal eine Abbildung existiert von ihm – ist Leise rieselt der Schnee zum geflügelten Wort geworden. In der Firma Perzy in Wien-Hernals, der 1. Wiener Schneekugelmanufaktur, bestimmt die Parole sogar ganzjährig den Unternehmensalltag. Erwin Perzy, Mechaniker für chirurgische Instrumente und Spielzeugbauer erfand um 1900 bei der Suche nach einer besonders hellen Lichtquelle als Nebenprodukt die Schneekugel, die als „echte Glaskugel mit Schnee-Effekt“ zum Patent angemeldet wurde. Darin war ein Metallmodell der Basilika von Maria Zell, um das beim Schütteln Schneeflocken aus Gries wirbelten. Heute werden in 3. Generation an die 300 verschiedenen Motive hergestellt und in alle Welt exportiert. Sogar auf dem Schreibtisch von US-Präsident Bill Clinton soll eine Schneekugel aus dem Hause Perzy gestanden sein. Ob Bill bei ihrem Anblick I’m dreaming of a white Christmas? gesungen hat? Oder doch Softly falls the snow?

 

 

Engelszungenbrecher – Lieder und Schabernack mit Lennart Schilgen

Von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Nun ist es raus, das erste Album von Lennart Schilgen, das live im Zebrano-Theater in Berlin aufgenommen wurde. Engelszungenbrecher heißt es, genau wie Lennarts aktuelles Solo-Programm. Schon im Titel zeigt sich sein Hang zur Doppelbödigkeit. „Ich habe heute so viel vor…“, platzt der Berliner Liedermacher und Musik-Kabarettist gleich zu Beginn heraus, um dann mit einem „…mir hergeschoben“ die vollmundige Behauptung gleich wieder zu relativieren.

„Lieder und Schabernack“ machen, das mag er und das kann er. Lennart Schilgen inszeniert sich dabei als liebenswerter Nichts-auf-die-Reihe-Krieger, auf dessen To-Do-List ganz oben „Aufstehen“ steht, der aber an der Snooze-Taste oder an der verlorenen Telefonnummer scheitert. Das tut er mit soviel Musikalität, sprühendem Wortwitz und Selbstironie, dass dieses Scheitern für den Zuhörer zum reinsten Vergnügen wird. Es geht dem Liedermacher in erster Linie nicht um den schnellen Gag. Seine Texte zeichnen sich durch genaue Beobachtungsgabe, perfekte, unverbrauchte Reime und einen Hang zum Absurden aus. Das ist komisch und anrührend gleichzeitig, wenn das Komische ins Tragische kippt und umgekehrt. Und dabei sitzt Lennart immer der Schalk im Nacken wie Pippi Langstrumpf Herr Nilsson, der kleine Affe.
Lennart Schilgen erzählt nicht nur von widerspenstigen inneren und äußeren Schweinehunden und deren Zähmung, sondern auch von Frauen: von der globetrottenden Marta zum Beispiel, der er schon nachheult, bevor sie noch weg ist, oder von Miriam und ihren rotäugigen, blassen Handyfotos und vor allem von Lea, der Kurzzeitflamme, der er am Telefon gesteht, er hätte ein Lied für sie geschrieben und – Was für ein charmanter Wink mit dem Zaunpfahl an die Radiomacher! – sie solle es von ihm erfahren und nicht aus dem Radio. Lea wurde von David Wonschewski auf seinem Lieder- und Chansonblog Ein Achtel Lorbeerblatt zum Videotipp des Monats Dezember gekürt. Lennart begleitet sich selbst bei seinen Songs, er spielt Klavier und Gitarre, routiniert und vielseitig, mal zart, mal Rock’n’Roll, so wie es eben der Inhalt des Songs verlangt. „Was dabei herauskommt, ist subtiler Wahnsinn zum Wohlfühlen“, schreibt der Pressetexter. Der Mann hat Recht!

Schilgen, Absolvent der Celler Schule 2011, ist mit seinen 28 Jahren in der Szene kein Unbekannter mehr. Er hat sowohl im Alleingang als auch mit seiner Kabarett-Band Tonträger schon etliche Chanson- und Kleinkunstpreise gewonnen, darunter den 1. Preis (plus Publikumspreis) beim Potsdamer Chansonfestival 2012 – vor Georg Clementi und Konstantin Schmidt. Mit den Tonträgern gewann er 2017 die St. Ingberter Pfanne, als Solokünstler ersang er sich im selben Jahr beim Deutschen Songcontest Der Troubadour trotz gerissener Gitarrensaite den 3. Platz. 2016 gewann er den Bielefelder Kabarettpreis und ein Jahr zuvor den Deutschen Chansonpreis 2015 in der Nachwuchskategorie. „Man geht mit Freude mit auf seine doppelten Böden, man jubelt innerlich über die vielen Einfälle und Reime. Wunderbar leichte, überraschend unaufwändige und höchste einfallsreiche Songs“, hieß es in der Laudatio. „Lyrisch astreines Wortwerk … eines Reinhard Mey würdig“, schrieb der Tagesspiegel.

Erhältlich ist Engelszungenbrecher unter mail@lennartschilgen.de oder als Download bei Amazon,iTunes, Spotify, Deezer, Google Play, 7Digital und Slacker.

„Einmal frei. Und einmal glücklich sein.“ Johannes Kirchbergs aktuelles Album wird geehrt.

Johannes Kirchberg, Celler Schule Jahrgang 1998, erhält mit seinem aktuellen Album den Vierteljahrespreis der deutschen Schallplattenkritik. – Herzlichen Glückwunsch!

Erst am 10. November 2017 erschienen, schafft es das aktuelle Album gleich ganz nach vorn: Auf der Bestenliste 4/2017  steht in der Kategorie Liedermacher: „Johannes Kirchberg und das CANEA Quartett Hamburg (…).“

Johannes Kirchberg kommentiert den Erfolg auf seiner Homepage: „Diese Anerkennung macht mich sehr glücklich, ist sie doch eine Wertschätzung für die Arbeit und das Herzblut, das in dieser Produktion steckt.

Das Herzblut war wohl zu hören. Denn die Jury erläutert ihre Entscheidung wie folgt:

„Der Pianist, Komponist und Sänger Johannes Kirchberg aus Hamburg widmet sich mit seiner jüngsten Veröffentlichung auf einfühlsame und sensible Weise dem expressionistischen Dichter Johannes R. Becher, der später Kulturminister der DDR wurde. Das Programm, entworfen zum sechzigsten Todestag Bechers, macht auch um die Nationalhymne keinen Bogen, aber es zeigt vor allem Bechers Ambivalenz zwischen Affirmation und Phantasie, Politik und Privatem, im Ringen um Heimat, Frieden, Liebe. Jens-Uwe Günther hat Kirchbergs Lieder für Streichquartett-Begleitung anspruchsvoll arrangiert – ein künstlerisch ambitionierter Weg, sich einem vergessenen Poeten anzunähern. (Für die Jury: Kai Engelke)“

Der Preis der deutschen Schallplattenkritik e.V. ist ein unabhängiger Zusammenschluss von Musikkritikern und Journalisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Und er ist nicht der einzige, den die Scheibe abgesahnt hat: „Schritt der Jahrhundertmitte“, eines der Lieder vom preisgekrönten Tonträger, schaffte es im Oktober auf Platz 4 der Liederbestenliste.

Und so lobt auch die Presse das Werk in höchsten Tönen:

„Johannes Kirchberg hat aus den Gedichten Lieder gemacht … selbst vertont und einen sehr aufwändigen klassischen Ansatz gewählt. Das Streichquartett Canea begleitet ihn dabei eindrucksvoll. Sein Gesang verleiht den Texten eine gewisse Frische und Unbeschwertheit.“ (Folker)

„Im letzten Lied der CD, Bechers „Heimatlied“, stellt er sich gleichwohl dem Thema; unpathetisch gesungen irgendwo zwischen Süverkrüp und Wecker, inspiriert melodiös, mit einer die Sprache beflügelnden Quartettbegleitung.“ (Junge Welt)

Das Album ist im Hamburger Rudolf Steiner Haus live eingespielt worden. Wer sich einen Eindruck verschaffen möchte, kann das hier.

Das gleichnamige Programm hatte am 02.10.2017 auf dem Hamburger Theaterschiff, einer der Wirkungsstätten des Musikkabarettisten, Premiere. Der musikalische Abend speist sich aus Texten und Gedichten dieses fast vergessenen Autors – einem politischen Dichter bzw. einem dichtenden Politiker. Im Ankündigungstext heißt es: „Ein Abend, der Interesse weckt an dieser zwiespältigen Person. An dem Münchner Dichter, der später der erste Kulturminister der DDR wurde.“

Umso bemerkenswerter, dass so ein kantiges Thema einen solchen Erfolgskurs nimmt. – Chapeau!