Arthur Rebner im Porträt

Von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

„Wer wird denn weinen, wenn man auseinandergeht, wenn an der nächsten Ecke schon ein andrer steht…“ Es war ein genialer Schnellschuss von Arthur Rebner, mit dem er Hugo Hirsch, dem Komponisten des musikalischen Schwanks Die Scheidungsreise, aus der Patsche half. Er lieferte Hirsch den Text für die zündende Hauptnummer, die ihm drei Tage vor der Premiere im Deutschen Künstler-Theater in Berlin noch fehlte, aus dem Steigreif. Das war 1920. Marlene Dietrich machte das skandalträchtige Lied berühmt. Der Name des Texters Arthur Rebner, der auch als Librettist, Chansonnier, Conférencier und Komponist Lorbeeren einheimste, ist in Vergessenheit geraten. Versuch einer Wiedergutmachung zum 130. Geburtstag.

FRÜHLING IN WIEN

Geboren wurde Arthur Rebner am 30. Juli 1890, in Lemberg, heute eine Stadt in der Ukraine, damals Hauptstadt Galiziens, Kronland der K&K Monarchie Österreich-Ungarn. Er übersiedelte er in den Jugendjahren mit seiner Familie nach Wien. Dort studierte er von 1909 bis 1915 Musik und lernte den um 10 Jahre älteren Komponisten Robert Stolz kennen, damals musikalischer Leiter am Theater an der Wien. Gemeinsam schrieben sie 1917 O Wien, ich kenne dich nicht wieder, 1918 Frühling in Wien, ein walzerseliges Sehnsuchtslied zum Ende des 1. Weltkriegs. 1919 folgte Hallo, du süße Klingelfee aus der Operette Tanz ins Glück und 1920 Salome, schönste Blume des Morgenlands, der wohl größte kommerzielle Erfolg des Duos.

SALOME

Über das Lied sagte Robert Stolz fast 95jährig kurz vor seinem Tod: „Die alte Hur’ ist nicht umzubringen.“ Die nicht gerade schmeichelnde Bezeichnung galt der tantiementrächtigen Salome. Noch heute erweist sich das Lied als ein Dauerbrenner. Extrabreit machte eine Cover-Version daraus, und auch Max Raabe hat es in seinem Programm. Umso erstaunlicher, dass der erfolgreiche Textdichter in den Stolz-Biographien kaum bis gar keine Erwähnung findet. Rebner arbeitete auch mit anderen bekannten Komponisten seiner Zeit zusammen wie Willy Engel-Berger, Fred Raymond, Artur Werau und Robert Katscher und fand einen wunderbaren Interpreten in Hermann Leopoldi (Zieh dich wieder an, Josefin). Seine Texte repräsentierten den Zeitgeist der Wilden Zwanziger Jahre: frech, anzüglich, gespickt mit jüdischem Humor.
Es blieb nicht aus, dass Rebner seine Fühler nach Berlin ausstreckte, dort wo in den Zwanzigern nicht nur in den Kabaretts der Bär steppte. 1924 schlug er dort auch seinen festen Wohnsitz auf. Er wurde Mitglied des Deutschen Bühnen-Klubs Berlin und war gefeierter Conférencier und Revueautor. Das Medium Film reizte den Vielschreiber ebenso und er verfasste Drehbücher und Lieder für Filme wie Schuberts Frühlingstraum, Acht Mädel im Boot und Großfürstin Alexandra und gemeinsam mit Fritz Zoreff für Ein Stern fällt vom Himmel mit Joseph Schmidt.

 

FELIX, DER KATER

Auch in einem ganz anderen Metier hinterließ Rebner seine Spuren. 1917 brachte Pat Sullivan den ersten kurzen Zeichentrickfilm mit Felix the cat in die amerikanischen Kinos, 12 Jahre, bevor Walt Disney seine Micky Maus über die Leinwand laufen ließ. Die seltsamen Arbenteuer von Felix der Kater erschienen auch in Buchform als eine Art Cartoon. Arthur Rebner übertrug die Verse in Wilhelm-Busch-Manier ins Deutsche. Das Vorwort zu dem Buch, das 1927 in einem Berliner Verlag erschien, verfasste der Wiener Schriftsteller und Kaffeehausliterat Alfred Polgar.
Nach der Machtübernahme des Nationalsozialisten war Rebner gezwungen, Deutschland zu verlassen. Er kehrte vorerst nach Wien zurück und arbeitete dort als Operettenlibrettist für Robert Stolz, Leo Fall und Hans May. Nach dem Anschluss Österreichs im März 1938 emigrierte Rebner über die Schweiz nach Frankreich. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs emigrierte er nach Mexiko und später in die USA. 1947 ließ er sich in Hollywood nieder und wurde Direktor des Ebell-Willshire-Theatre, mittlerweile eines der ältesten Theater von Los Angeles. Arthur Rebner starb am 8. Dezember 1949 im Alter von 59 Jahren in Los Angeles und wurde auf dem jüdischen Mount Carmel Cemetery begraben. Der schwarze Grabstein trägt den Zusatz „Beloved father“.

Kleines Update: Eine persönliche Spur von Arthur Rebner. Der Wienbibliothek im Rathaus gelang es, ein Gästebuch aus dem Kabarett Blaue Spinne in der Spiegelgasse (dort wo Jahre später Gerhard Bronners berühmte Marietta-Bar Einzug hielt) zu erwerben. Hier verewigte er sich am 21. Oktober 1937 mit folgenden Worten:

Wer beruflich dichten muß, wie ich,
Findet „dichten müssen“ fürchterlich,
Wie ja auch der Schuster in der Nacht
Ungern zum Vergnügen Schuhe macht.
Doch die „blaue Spinne“ ist es wert,
Dass ich meinen Pegasus so spät noch zäume;
Und ich weiss als Gast, was sich gehört:
Nette Räume brauchen – nette Reime …

Ernst Neubach im Porträt

Von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Ein Lied geht um die Welt… 1933 gelang dem Textdichter Ernst Neubach ein genialer Wurf. Er schuf gemeinsam mit dem Komponisten Hans May einen Jahrhundert-Hit, der den Tenor Joseph Schmidt unsterblich machte. Die Premiere des gleichnamigen UFA-Tonfilms fand am 9. Mai 1933, einen Tag vor der Bücherverbrennung, in Berlin statt. In der Übersetzung My Song Goes Round The World eroberten Lied und Film ein Jahr später den englischen Sprachraum. Heuer jährt sich der Geburtstag von Ernst Neubach, der in späteren Jahren auch eine beachtliche Karriere als Regisseur und Filmproduzent machte, zum 120. Mal. Grund genug, wieder einmal ganz tief ins Archiv zu tauchen.

ICH HAB’ MEIN HERZ IN HEIDELBERG VERLOREN

Ernst Neubach wurde am 3. Januar 1900 als Sohn des jüdischen k. u k. Eisenbahnbeamten Albert Neubach und dessen Frau Marie in Wien geboren. Er besuchte die Volks- und Bürgerschule sowie die Handelsakademie. Nach einem vierwöchigen Einsatz im 1. Weltkrieg im Frühjahr 1918 wurde er für untauglich erklärt und schlug sich als Plakatierer durch, ehe er seine ersten Kabarett- und Schlagertexte verfasste. Für das Singspiel Ich hab‘ mein Herz in Heidelberg verloren, das Fred Raymond (bürgerlich: Friedrich Raimund Vesely) 1927 komponierte, schrieb Neubach zusammen mit Fritz Löhner-Beda das Libretto und die Liedtexte. Das titelgebende Lied wurde ein Ohrwurm, von dem auch fast 100 Jahre danach noch die Heidelbergische Touristikwerbung profitiert. Der gleichnamige Film mit Adrian Hoven in der Hauptrolle folgte erst 1952.

HEUT’ IST DER SCHÖNSTE TAG IN MEINEM LEBEN

Neubach pendelte in den 1920er Jahren zwischen Berlin, Wien, München und Amsterdam und trat auch als Conferencier auf, u. a. im Wiener Simpl. Über seine Schlagertexte fand er Kontakt zum Tonfilm und schrieb seine ersten Drehbücher. 1932 lernte er den Tenor Joseph Schmidt kennen, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verbinden sollte. Nach Ein Lied geht um die Welt folgte 1936 der zweite Mega-Erfolg, Heut’ ist der schönste Tag in meinem Leben. In dem gleichnamigen Film unter der Regie von Richard Oswald spielte und sang Schmidt eine Doppelrolle, darunter auch das Lied Es wird im Leben dir mehr genommen als gegeben. Hans May und Ernst Neubach waren ein kongeniales Duo. Von ihnen stammen auch die Evergreens Ein Stern fällt vom Himmel undIn einer kleinen Konditorei.

DU BIST DAS SÜSSESTE MÄDEL DER WELT

Ein weiterer Schlager ist Nostalgikern bis heute im Ohr geblieben: Du bist das süßeste Mädel der Welt aus dem Film Liebeswalzer (Musik: Werner Richard Heymann).Ob Neubach sich beim Schreiben des Textes von seiner Frau Helene, einer ehemaligen Schönheitskönigin, hat inspirieren lassen? 1938 waren die beiden gezwungen, die Flucht vor den Nazis anzutreten. Auf abenteuerliche Weise kamen sie über die Schweiz nach Frankreich, wo sich Neubach für die Fremdenlegion verpflichtete. Das Kriegsende erlebte er in der Schweiz, seine Frau in Paris. Seine Erlebnisse sind in dem Buch Flugsand. Dokumentarischer Roman eines Heimatlosen festgehalten. Noch dramatischer verlief die Flucht seines älteren Bruders Robert, der Schauspieler und Theaterregisseur war. Er wurde ins KZ Auschwitz deportiert, wo er 1943 starb. Schwester Alice konnte mit ihrem Mann nach New York emigrieren.
Ab 1945 lebte Neubach wieder in Frankreich. Dort arbeitete er als Filmregisseur, Drehbuchautor und Produzent unter dem Namen Ernest Neuville und drehte u. a. mit Fernandel das Psychodrama Le signal rouge. Seine Ehe war mittlerweile zerbrochen. Nach der Scheidung heiratete er die Schweizerin Margarete Jenni und wurde Vater von Tochter Christine.

IM HIMMEL GIBT’S KEIN BIER

Anfang der 1950er Jahren gelang es Neubach, in Deutschland in der dortigen Filmszene Fuß fassen. 1958 gründete er in München die Neubach-Film GmbH und produzierte meist nicht sehr anspruchsvolle, aber kommerziell erfolgreiche Heimat- und Schlagerfilme. Das Publikum liebte die unbeschwerte Unterhaltung der Nachkriegsjahre, wie Die Wirtin von der Lahn, Ich hab’ mein Herz in Heidelberg verloren und Die Fischerin vom Bodensee boten. Aus letzterem Film stammt das Lied Im Himmel gibt’s kein Bier (Musik: Ralph Maria Siegel), zu dem auch heute noch in Bierzelten gern geschunkelt wird.
Mit dem Film Ein Lied geht um die Welt (Die Joseph Schmidt- Story) setzte er dem jüdischen Tenor, der 1942 an einem nicht erkannten Herzleiden in einem Schweizer Internierungslager im Alter von 38 Jahren starb, ein cineastisches Denkmal. Die Kritik lobte zwar die schauspielerische Glanzleistung von Hans Reiser in der Rolle von Schmidt, der finanzielle Erfolg hielt sich in Grenzen.
Apropos Ein Lied geht um die Welt: Dem Textdichterkollegen Kurt Feltz ging wohl der Refrain nicht aus dem Kopf und er wandelte bei der deutschen Übersetzung von Charlie Chaplins Lime Light Theme die ersten zwei Zeilen Ein Lied geht um die Welt, ein Lied, das euch gefällt ungeniert in Eine Melodie geht um die Welt, eine Melodie, die mir gefällt um. Neubach zog vor Gericht und gewann den Plagiatsprozess gegen Feltz.
Sperrbezirk
war 1966 die letzte Filmproduktion. Darin verewigte sich Ernst Neubach in einer kleinen Rolle. Zwei Jahre später, am 21. Mai 1968, starb er im Alter von 68 Jahren in München. Seine Grabstätte ist unbekannt.

Fred Weyrich Im Porträt

Von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Einmal um die ganze Welt und die Taschen voller Geld… sang 1972 der kürzlich verstorbene tschechische Sänger Karel Gott. Die Tschechoslowakei war damals noch hinter dem Eisernen Vorhang, Deutschland ein geteiltes Land und eine ungehinderte Ausreise für viele Menschen ein umöglicher Traum. Die Idee zu dieser Sehnsuchtshymne hatte der Textdichter Fred Weyrich. Er krempelte das Lied, das im tschechischen Original tatsächlich Hey, Hey, Baby heißt (Text: Jiri Stajdl, Musik: Karel Svoboda) komplett um und schenkte so Karel Gott einen seiner größten Hits in Deutschland.

EIN KLEINES HERZ UND EINE GROSSE LIEBE

Fred (eigentlich: Alfred) Weyrich wurde am 28. August 1921 in Tauberbischofsheim geboren. Wäre es nach seinem Vater gegangen, wäre er Zahnarzt geworden. Doch Fred zog es ans Theater. Er studierte, unterstützt von seiner Mutter, in Berlin Schauspiel, das er mit dem Examen abschloss. Die künstlerische Karriere musste kriegsbedingt warten. Weyrich wurde zum Wehrdienst einberufen und nach der Grundausbildung in der Truppenbetreuung eingesetzt. In Norwegen arbeitete er als Programmleiter und Moderator bei Radio Tromsö und leitete eine kleine Kapelle. Nach dem Krieg war er als Schauspieler und Kabarettist tätig, wurde Haussänger von Radio Hamburg und begleitete Lale Andersen mit seiner Band auf Tournee. 1950 nahm das Multitalent die ersten Platten auf, darunter Die Nacht ist voller Zärtlichkeit und Ein kleines Herz und eine große Liebe. 160 Platten sind es geworden, einige davon im Duett mit Rolf Simson unter dem Namen Fred und Rolf.

SEHNSUCHT – DAS LIED DER TAIGA

Ab den 1960er Jahren schrieb Weyrich Melodien und Texte für andere Künstler und startete seine Karriere als Musikproduzent. Er hatte eine ausgeprägte Spürnase für Talente. So wurden Nana Gualdi, Klaus Wunderlich mit seiner Hammond-Orgel, Edina Pop und Gunter Gabriel von ihm entdeckt. Der größte Fisch, den er an Land zog, war aber Alexandra. „Eine Entdeckung, die man nur einmal im Leben machen kann“, so O-Ton Fred Weyrich. Alexandra, bürgerlich
Doris Nefedov, die damals bei einem Verleger arbeitete, soll ihrem Chef nach einem Streit einen Papierkorb aufgesetzt haben. Der warf sie zwar hinaus, schwärmte aber dem Musikproduzenten vor: „Die hat auf unserem Betriebsfest so schön gesungen. Interessiert sie dich?“ Weyrich bestellte die temperamentvolle junge Dame zum Vorsingen und war von ihrer tiefen Stimme überaus begeistert. Schon nach einer halben Stunde bot er ihr einen Fünf-Jahres-Vertrag an. Bereits die erste gemeinsame LP katapultierte Alexandra – auch der Künstlername war Weyrichs Idee – in lichte Höhen. Wehmütige, auf Russisch getrimmte Lieder – diese Nische war auf dem Schlagermarkt der 1960er Jahre noch frei. Sehnsucht hielt sich ein halbes Jahr in den deutschen Hitlisten. Dabei hat Alexandra dieses Lied angeblich gehasst. „Es war für sie ein einfältiges Kinderlied, das sie nur ein einziges Mal und unter Tränen einsang“, vermerkte der Autor Marc Böttcher in seiner Biographie. Die Karriere, die so vielversprechend begonnen hatte, endete tragisch. Alexandra starb am 31. Juli 1969 bei einem Autounfall. Das Andenken an sie und ihr musikalisches Vermächtnis wird auch noch fünfzig Jahre nach ihrem Tod von dem Verein Alexandra-Freunde e.V. wachgehalten.

KASATSCHOK, KASATSCHOK, RAS, DWA, TRI…

Offensichtlich hatte Weyrich ein Schwäche für die russische Seele: Er produzierte zahlreiche Platten mit Ivan Rebroff, und als Boris Rubaschkin den Modetanz Kasatschok erfand, verfasste Weyrich einen Text zur Melodie. Für Dorthe schrieb der unermüdliche Textdichter Sind Sie der Graf von Luxemburg?, für France Gall Zwei Apfelsinen im Haar, die deutsche Übersetzung von La Banda, und für Karel Gott das eingangs zitierte Lied Einmal um die ganze Welt.

Fred Weyrich mit seiner Entdeckung Alexandra und seinem Texter-Kollegen Hans Blum (links)

Weitere prominente Namen auf der unvollständigen Künstlerliste: Heidi Brühl, Vico Torriani, Gerhard Wendland, Costa Cordalis, René Kollo, Nana Mouskouri, Hanne Haller, Hildegard Knef, Dunja Rajter, Wencke Myhre und Harald Juhnke. Für ihn machte Weyrich, der auch unter dem Pseudonym Fred Conta textete, aus Frank Sinatras Welt-Hit New York, New York eine Hymne an Berlin.
Auch in Radio und Fernsehen war der Alleskönner präsent. So produzierte er mit Peter Frankenfeld Peters Bastelstunde. Sein Talent hat er an seinen Sohn Pit Weyrich vererbt, der als erfolgreicher Kameramann, Regisseur und Moderator für das ZDF arbeitete. Weyrich sen. zog sich in den 1990er Jahren aus dem Show-Business zurück und tüftelte in Dießen am Ammersee an seinen Lebenserinnerungen. Am 30. Dezember 1999 starb er völlig unerwartet an einem Herzversagen. Die Memoiren blieben unvollendet.

Ralph Maria Siegel im Porträt

von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Auch in diesem Sommer konnte sich Capri vor Touristen nicht erwehren. Bis zu 45.000 Tagesgäste! Wer jetzt aber glaubt,das läge daran, dass dort Heidi Klum und Tom Kaulitz neulich in den Hafen der Ehe geschippert sind,der irrt. Der Mittelmeer-Tourismus wurde bereits Ende des 19. Jahrhunderts in Capri quasi „erfunden“. In 1950er Jahren entdeckte dann der internationale Jetset die Insel, ehe der deutsche Massentourismus auf sie überschwappte. Nicht ganz unschuldig daran ist der Textdichter und Komponist Ralph Maria Siegel, der mit dem Lied Capri-Fischer das Italo-Fieber entfachte und einen unsterblichen Evergreen schuf. Darauf ein Glas Chianti!

DER MANN IM FRACK

Ralph Maria (eigentlich: Rudolf) Siegel kam am 8. Juni 1911 in München als Sohn des Juristen und Komponisten Rudolf Siegel, einem Schüler von Engelbert Humperdinck, und dessen Frau Maria zur Welt. Schon früh zeigte sich sein musikalisches Talent. Nach dem Realgymnasium in Krefeld besuchte er das dortige Konservatorium und ging mit 16 Jahren zum Geigen- und Klavierstudium nach Rom und Florenz, wo seine italienische Großmutter lebte. Seinen Vornamen hatte er kurzerhand in Ralph Maria abgeändert. Das Kürzel RMS sollte später zu seinem Markenzeichen werden. Mit 18 Jahren wurde er in London Sekretär eines Kunsthändlers, der auch als Mäzen fungierte, als Siegel gemeinsam mit seinem Jugendfreund und späteren Textdichter-Kollegen Kurt Feltz die erste Operette, Der Mann im Frack, schuf, eine Jazz-Operette, die allerdings nicht dem Zeitgeist entsprach und gnadenlos verrissen wurde. Das tat aber Siegels Ambitionen keinen Abbruch. Er gründete eine eigene Tanzkapelle und schrieb Musik für weitere Operetten (Alles für Eva, 1933) und Spielfilme (Hilde und die vier PS, 1936). Das Handwerk hatte er bei dem österreichischen Komponisten Ernst Toch erlernt, nach Selbsteinschätzung der „vergessenste Komponist des 20. Jahrhunderts“.

JA, JA, DER CHIANTI-WEIN…

Als Siegel den Komponisten Gerhard Winkler traf, wechselte er die Seite und wurde Schlagertexter. Die Studienjahre in Italien machten sich nun bezahlt. Er bezauberte seine Landsleute mit Liedern wie O mia bella Napoli (1937) Ja, ja, der Chianti-Wein (1940) und Capri-Fischer (1943). Die Erstfassung sang Magda Hain, es folgte eine weitere Plattenaufnahme mit
Rudi Schuricke. Als im Oktober 1943 die Italiener den Deutschen den Krieg erklärten, war aber Schluss mit Vino und romantisch-verklärten Sonnenuntergängen. Aus dem Chianti wurde ein Tiroler Wein und über die Capri-Fischer ein Rundfunk-Boykott verhängt. Das Duo Winkler/Siegel musste deshalb bis nach Kriegsende auf den Erfolg warten.
In der Zwischenzeit debütierte Siegel, der auch ausgebildeter Tenor war, am Theater am Gärtnerplatz in München und verliebte sich in die Leipziger Operettendiva Ingeborg Döderlein, die er Sternchen nannte. Geheiratet wurde 1942, drei Jahre später kam Sohn Ralph zur Welt. Das Sprichwort Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm bewahrheitete sich bei den Siegels. Auch wenn der Junior lange im Schatten seines übermächtigen Vaters stand, wurde er einer der erfolgreichsten deutschen Schlagerkomponisten der Gegenwart. Mit dem Lied Ein bisschen Frieden, getextet von Bernd Meinunger und gesungen von Nicole, verhalf er 1982 Deutschland zu Grand-Prix-Ehren.

WENN BEI CAPRI DIE ROTE SONNE IM MEER VERSINKT

Nach dem Ende des 2. Weltkriegs verbreitete sich das Sehnsuchtslied der Capri-Fischer unaufhaltsam. Winkler und Siegel hatten den Nerv der Zeit getroffen. Die Aufnahmen mit Rudi Schuricke und Vico Torriani erreichten in den 1950er-Jahren Rekordumsätze in Millionenhöhe und verhalfen Capri zu einer Gratis-Fremdenverkehrswerbung erster Güte. Plötzlich waren die Deutschen reif für die Insel. Mode und Industrie sprangen ebenfalls auf den Zug auf. Die deutsche Modedesignerin Sonja de Lennart erfand die Capri-Hose, die Audrey Hepburn berühmt machte, die Autofirma Ford benannte ein Modell nach der Insel und ein Getränkehersteller packte die Capri-Sonne in Trinktüten. Viele Künstler – von Peter Kraus bis Max Raabe – nahmen den Schlager in ihr Repertoire auf. Mehr als eine Million Klicks auf Raabes Youtube-Video von bestätigen die ungebrochene Popularität des Liedes.

ICH HAB’ NOCH EINEN KOFFER IN BERLIN

Ein genialer Wurf gelang Siegel 1951 mit einem weiteren Lied Ich hab’ noch einen Koffer in Berlin. Hier war er allerdings als Komponist tätig. Den Text schrieb Aldo von Pinelli. Bully Buhlan sang die erste Schallplatten-Version, Marlene Dietrich und Hildegard Knef machten das Lied berühmt. Ich hab’ noch einen Koffer in Berlin heißt auch die Biographie, die der Wiener Autor Andi Zahradnik zum 100. Geburtstag von Ralph Maria Siegel und Ingeborg Döderlin 2011 verfasste. Das Leben aus dem Koffer kannte RMS nur zu gut. Er hatte 1948 einen höchst erfolgreichen Musikverlag gegründet, später das Platten-Label
Jupiter Records, war dauernd auf Achse und entdeckte viele Künstler, darunter den jungen Udo Jürgens als Komponisten. „Mein Vater schaffte es, dass Shirley Bassey ein Lied von Udo zu hören bekam, Reach For The Stars. Es wurde dessen erster Welterfolg“, schrieb Ralph Siegel in seinen Lebenserinnerungen. „Was Vater betraf: Er liebte Udo, aber dessen Karriereweg ging als Sänger weiter, und dann kamen andere Macher, Manager und Verleger ins Spiel“.
Mehr als 2500 Lieder schrieb Siegel, der auch die Pseudonyme Theo Hansen und Gustav Auerbach verwendete, im Laufe seines Lebens, darunter Auf meiner Ranch bin ich König für Peter Hinnen und Der Puppenspieler von Mexiko für Roberto Blanco, der deutschen Fassung von The young new Mexican puppeteer. Vor allem 1950er und 1960er-Jahren war es in Mode, internationale Erfolgsschlager ins Deutsche zu übertragen. Das kam dem sprachbegabten Siegel gerade recht. Für Connie Francis machte er aus Ev’rybody’s somebody’s fool Die Liebe ist ein seltsames Spiel, für Dalida übersetzte er J’attendrais (Komm zurück), für Charles Trenet La mer (Das Meer) für Edith Piaf La vie en rose (Schau mich bitte nicht so an) und für Renée Franke Les feuilles mortes (Der Schleier fiel von meinen Augen), um nur einige der bekanntesten Titel zu nennen. Siegel hielt sich fast nie an das Original. „Ich war immer bemüht, meinen Texten einen Sinn zu geben, sauber zu reimen, leicht verständlich zu sein und der Stimmung der Musik zu folgen“, beschrieb er seine Arbeitsweise. Mit dem Aufkommen der Beat-Musik Anfang der 1960er Jahre, mit der er nicht viel anfangen konnte, war die große Zeit des Schlagertexters vorbei. 1967 wollte RMS es noch einmal wissen und machte gemeinsam mit den Textdichter-Granden Robert Gilbert und Max Colpet aus der Verwechslungskomödie Charleys Tante ein Musical. Hauptdarsteller war Hans Clarin, die spätere Synchronstimme des Pumuckl. Der Erfolg war sensationell. Seine Heimatstadt München lag ihm zu Füßen. Im Deutschen Theater in München besuchten 70.000 Zuschauer die Vorstellungen.

„EINE KERZE, DIE AN BEIDEN ENDEN BRANNTE“

Als Verleger und Plattenproduzent war Siegel ein Workaholic, lange bevor dieses Wort erfunden wurde. Stress, viele Reisen und eine ausschweifende Lebensweise setzten dem schwergewichtigen Mann und dessen Gesundheit zu. Da halfen auch die eigenen Ratschläge in dem Buch Wer wiegt(wagt), gewinnt! – Eine kleine Fastenkur nichts. Die Leber rebellierte. Häufige Klinikaufenthalte waren die Folge. „Mein Vater hörte nicht auf seinen Körper. Er war wie eine Kerze, die an beiden Enden brannte“, notierte der Junior in seiner Biographie. „Er reiste stets mit zwei Taschen: die eine war voll mit Arbeitsunterlagen, die andere mit Medikamenten.“ Am 22. Juli 1972 kam der Zusammenbruch. Siegel wurde in ein Münchner Krankenhaus eingeliefert, wo er am 2. August 1972 an einem Organversagen starb. Mit knapp 61 Jahren. Ob er geahnt hatte, wie schlimm es um ihn stand? Drei Wochen vorher hatte er das Testament zugunsten seines Sohnes Ralph, der damals 27 Jahre alt war, geändert. Wie sehr der große RMS geliebt und geschätzt wurde, zeigte sich bei seinem Begräbnis. 5000 Menschen gaben ihm das Geleit, als er auf dem Münchner Nordfriedhof zu Grabe getragen wurde.

Charly Niessen im Porträt

von Claudia Karner

„Hab’n Sie schon mal den Mann im Mond geseh’n…?“
Am 21. Juli 1969, 3:56 MEZ war es so weit: Der US-amerikanische Astronaut Neil Armstrong betrat als erster Mensch den Mond. Acht Jahre zuvor hatte sein Landsmann Gus Backus den Mann im Mond bereits höchst erfolgreich besungen. Den Einfall zu diesem Ohrwurm, der sogar Freddy Quinnns La Paloma von der Spitze der deutschen Hitparade verdrängte, hatte Charly Niessen. Kurz nach der Mondlandung aktualisierte er das Lied. „Jetzt haben wir den Mann im Mond geseh’n…“ hieß es in der ersten Zeile. Ein Kuriosum im Schaffen des Textdichters und Komponisten, der mehr als 1500 Lieder verfasste.

DEINE LIEBLINGSPLATTE

Charly Niessen wurde als Carl Niessen am 22. September 1923 in Wien geboren. Er wuchs in Dresden auf und studierte in Wien, Weimar und Jena Germanistik, Theater- und Musik- und Theaterwissenschaften und verdiente sich nach dem Krieg – von 1945 bis 1949 – als Pianist in der „Kleinkunst am Naschmarkt“ seine ersten künstlerischen Sporen. Danach ging er zum Amerikanischen Rundfunk ECA nach Paris und anschließend nach Berlin, wo er ab 1952 im KabarettDie Stachelschweine in die Tasten haute. „Für eine Abendgage von fünf Mark, ein Abendessen, ein Bier und einen Schnaps“, wie er in einem Interview anlässlich seines 25-jährigen Jubiläums als Textdichter in der Zeitschrift Musikmarkt erzählte. „Schließlich holte mich der Komponist Heino Gaze aus der Garderobe mit dem Satz: Davon kann man doch nich’ leben – womit er recht hatte – und brachte mich zu Peter Schaeffers. Der Musikverleger gab mir ein Zimmer in seinem Büro mit Klavier und Telefon und sagte: Nun mach mal!“ Und Niessen machte. Heraus kam für Bully Bulan das Lied Deine Lieblingsplatte und für Caterina Valente Die Damenwelt von Chile. Das war 1953. Rasch avancierte der Branchenneuling zu einem der erfolgreichsten Komponisten und Textdichter der Fünfziger und frühen Sechziger Jahre in Deutschland. Niessen tanzte gern auf mehreren Hochzeiten gleichzeitig. Mal schrieb er nur den Text, mal nur die Musik, mal beides. Über 1500 Lieder, darunter 36 Filmmusiken, sechs Musicals und eine Menge Fernseh-Shows sind so entstanden. Achtzig Orchester und mehr als 200 Interpreten von A wie Peter Alexander bis Z wie Helmut Zacharias nahmen seine Lieder auf. Und auch in den USA konnte er reüssieren. Dabei hatte ihn sein Musikverleger Peter Schaeffers 1957 eigentlich nur als Dolmetscher mitgenommen. Aber dann schrieb Niessen gemeinsam mit Heino Gaze für Nat „King“ Cole den Song Ask me und für Dean Martin die Musik zu Angel Baby und landete damit in den amerikanischen Charts.

EINS UND EINS, DAS MACHT ZWEI

Den jungen dänischen Brüdern Jan & Kjeld ebnete Charlie Niessen mit Banjo Boy die Karriere in Deutschland. Dieses Lied wurde sein größter kommerzieller Erfolg. Billy Mo, der schwarze Sänger aus Trinidad, kam mit Ich kauf mir lieber einen Tirolerhut zu schlagartiger Berühmtheit. Hierzu verfasste Niessen allerdings nur die Melodie, der Text stammt von Franz Rüger. 1963 landete Heidi Brühl beim Grand Prix de la Chanson mit dem Lied Marcel auf Patz 9.
Niessens Bandbreite war groß. Er hatte nicht nur ein Gespür für eingängige, harmlos-witzige Ohrwürmer, sondern auch für anspruchsvolle Texte. So verhalf er der Schauspielerin Hildegard Knef zu ihrer außergewöhnlichen Gesangskarriere. Auf einem Faschingsball in München machte 1962 der Chefredakteur der Frauenzeitschrift Madame der Schauspielerin das Angebot für eine Plattenproduktion, wie Petra Roek in der Knef-Biografie Fragt nicht, warum! vermerkte. Die Knef willigte ein, ein Komponist und Texter war bald gefunden: Charly Niessen. Er ließ mit einem völlig neuen Musikstil aufhorchen. „Mit einer Art Chanson – ich bezeichne es ja nicht als Chanson – kamen wir mitten in die Rock’n’Roll-Zeit rein“, so Niessen. Er war nie ein Kavalier hieß die A-Seite der 1. Single. Zu den größten Hits zählen Eins und eins, das macht zwei und In dieser Stadt. Zwei Meter Bein, letzteres in Zusammenarbeit mit Hildegard Knef, war eine Liebeserklärung an ihren frisch angetrauten Mann David Cameron. Insgesamt tragen 55 Titel Niessens Handschrift

 

SO LEB’ DEIN LEBEN

Charly Niessen war auch ein Sprachtalent. Er übertrug weltbekannte Hits wie La Mamma von Charles Aznavour ins Deutsche. Aus L’été indien von Joe Dassin wurde Septemberwind und aus I did it my way von Frank Sinatra So leb’ dein Leben, ein Song, der wie die Faust auf Harald Juhnkes Auge passte. Ein ganz großer Wurf gelang Niessen auch mit dem Lied Der Clown für Heinz Rühmann. Ebenfalls sehr berührend: Die Bäume meiner Kinderzeit, ein früher Udo Jürgens-Titel. 1976 gab es mit Komm doch mal ’rüber einen Karriereschubs für Ingrid Peters. Dann setzte Charly Niessen einen Schlusspunkt.
„Ich wollte nicht als Schlager-Opa enden“, sagte er in einem Interview. Deshalb verlegte sich der vielseitig Begabte in den Achtziger Jahren auf das Schreiben von Theaterstücken und Büchern. Mach’doch mal was falsch, Mama oder: Wie verhindert man eine Ehe heißt der Roman, der seiner Mutter gewidmet ist. Sie war eine gebürtige Flämin, die ihr „Karlchen“ stets unter ihrer Fuchtel haben und nicht an eine andere Frau verlieren wollte. Daran dass seine Ehe mit der Schauspielerin Claudia Wedekind in die Brüche ging, war allerdings nicht Mama schuld, sondern Wedekinds Kollege Hans-Jörg Felmy. In dem Buch Alle meine Perlen setzte Niessen den Haushälterinnen ein literarisches Denkmal. In Große Zeiten beschreibt „Karlchen“ seine Jugendjahre von 1932 bis 1945 in der Tradition eines autobiographischen Schelmenromans. Und in dem Buch Die seltsame Karriere des Pablo Senkfuß erzählt er Geschichten aus dem Show-Biz. Seine tiefstapelnde Selbsteinschätzung: „Ich bin nicht besonders fleißig, es kommt nur so viel zusammen.“
Charly Niessen, der gebürtige Wiener, fand eine neue Heimat in Bayern, wo er bis zuletzt mit seiner Lebensgefährtin in Prien am Chiemsee lebte. Er arbeitete gerade an einem neuen Buch und einem Theaterstück für die Kleine Komödie in München, als er am 21. Februar 1990 im 67. Lebensjahr einem Herzinfarkt erlag. Seine letzte Ruhestätte ist auf dem Friedhof in Prien.

Erich Knauf im Porträt

Von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Heimat, deine Sterne
zählte während des 2. Weltkrieges neben Lili Marleen zu den beliebtesten Schlagern auf den deutschen Soldatensendern. Dabei war das Lied gar nicht als tränendrüsendrückende Front-Schnulze konzipiert. Der Texter Erich Knauf hatte es ursprünglich mit dem Komponisten Werner Bochmann für den Film Quax, der Bruchpilot, geschrieben, mit dem Heinz Rühmann der Durchbruch als Schauspieler gelang. Das war 1941. Politische Witze in den falschen Ohren kosteten Knauf drei Jahre später das Leben. Er wurde denunziert und in weiterer Folge hingerichtet. Am 2. Mai jährte sich sein Todestag zum 75. Mal.

CA IRA!

Erich Knauf wurde am 21. Februar 1895 als Sohn des Schneidermeisters und Sozialdemokraten Heinrich Knauf und dessen Frau Thekla in Meerane (Sachsen) geboren und wuchs mit drei Geschwistern in bescheidenen Verhältnissen auf. Auf Grund seiner Begabung bekam Erich eine Freistelle in der Realschule und erlernte mit 14 Jahren nach dem Umzug nach Gera den Beruf des Schriftsetzers. Als abenteuerlustiger 18jähriger entdeckte Knauf ein Jahr lang auf der Walz Italien und Griechenland. Nach seiner Rückkehr musste er den Rucksack gegen den Tornister tauschen und als Soldat im 1. Weltkrieg kämpfen, wo er 1917 einen Kopfschuss erlitt. Nach seiner Heimkehr studierte Knauf an der Heimvolkshochschule Gera und beteiligte sich 1920 am sogenannten Kapp-Putsch. Seine Erlebnisse verarbeitete der „sozialistische Haudegen“, wie ihn Erich Kästner nannte, 10 Jahre später in dem Reportage-Roman „Ca ira!“.

DIE DREI ERICHS

Schriftsteller oder Journalist zu werden war schon immer Knaufs Traumberuf gewesen. 1921 bekam er eine Stelle als Redakteur für Lokales und Kultur bei der Volkszeitung in Plauen. Dort kreuzten zwei weitere Erichs seinen Weg: der Zeichner Erich Ohser, dem er die ersten Veröffentlichungen ermöglichte und der später mit seinen Bildgeschichten Vater und Sohn unter dem Pseudonym e. o. plauen populär wurde (Noch heute gelten sie als Kult und finden in manchen Schulen im Deutschunterricht Verwendung) und der Schriftsteller Erich Kästner, der sich von Ohser seinen ersten Gedichtband Herz auf Taille illustrieren ließ. Viele Jahre später, im Jahr 2016, wurde den drei Erichs in dem preisgekrönten Streifen Kästner und der kleine Dienstag unter der Regie von Wolfgang Murnberger ein filmisches Denkmal gesetzt. Knauf wurde dabei von dem Schauspieler Nikolaus Barton dargestellt.
Zurück zum echten Knauf: Dieser ging 1928 nach Berlin und wurde Cheflektor der Büchergilde Gutenberg. Er publizierte u. a. Romane des US-amerikanischen Schriftstellers Upton Sinclair und legte einen Schwerpunkt auf Bücher sowjetischer Literatur und Geschichte. Nach der Machtergreifung durch Hitler und Übernahme der Büchergilde durch die SA nahm Knauf seinen Hut und arbeitete als freier Schriftsteller, Feuilletonredakteur und beim 8-Uhr-Abendblatt.

MIT MUSIK GEHT ALLES BESSER

Wegen einer „staatsfeindlichen“ Opernkritik von Carmen wurde Erich Knauf 1934 verhaftet, zehn Wochen ins KZ gesteckt und aus dem Reichsverband der Deutschen Presse ausgeschlossen. Es gab aber auch ein erfreuliches Ereignis in diesen betrüblichen Zeiten: Knauf heiratete (in zweiter Ehe) Erna Donath, seine ehemalige Sekretärin in der Büchergilde. Er wechselte in die Werbung und betreute als Pressesprecher der Filmproduktionsgesellschaft Terra Film alle Filme von Heinz Rühmann. Der machte ihn mit dem Komponisten Werner Bochmann, ebenfalls einem gebürtigen Meeraner, bekannt. Zwischen den beiden entstand die gedeihliche Zusammenarbeit, die ihren größten Erfolg in dem Lied Heimat, deine Sterne fand. Im Original wurde es von Wilhelm Strienz gesungen, später auch von Rudi Schuricke, Fred Bertelmann, Bruce Low und Freddy Quinn. Der zweite große Wurf, der dem Duo Bochmann/Knauf gelang, war Mit Musik geht alles besser aus dem Film Sophienlund.

EINE UNBEZAHLTE RECHNUNG

Das Schicksal führte zwei der drei Erichs, nämlich Ohser und Knauf, 1944 im ausgebombten Berlin wieder zusammen. Dass Knauf im Luftschutzkeller dem schwerhörigen Ohser politisch-unkorrekte Witze ins Ohr brüllte, wurde den beiden zum Verhängnis. Sie wurden von einem Nachbarn, Hauptmann Bruno Schultz, denunziert. Die Freunde wurden verhaftet, vor Gericht gestellt und zum Tode verurteilt. Vergeblich bemühten sich prominente Fürsprecher, allen voran Heinz Rühmann, um eine Begnadigung. Während sich Ohser in der Nacht vor der Hauptverhandlung in der Zelle mit seinen Hosenträgern erhängte, wurde Knauf nach einem Schauprozess am 2. Mai 1944 in Brandenburg enthauptet. Die Tatsache, dass die Rechnung für die Kosten exakt in der Höhe von 585,74 Reichsmark Knaufs Witwe in Rechnung gestellt wurde, veranlasste Erich Kästner zu dem Artikel „Eine unbezahlte
Rechnung“, der am 14. Jänner 1946 in der Neuen Zeitung veröffentlicht wurde. Er wurde nicht müde, an das Schicksal seiner beiden Freunde zu erinnern: „Sie wollten, mit einem Minimum an Konzessionen, das braune Reich überdauern. Sie hofften, es werde gutgehen. Es konnte nicht gut gehen, und es ging nicht gut. Sie verleugneten ihre eigentlichen Talente, damit sie nicht missbraucht würden. Ihre eigene Meinung konnten sie auf Dauer nicht verbergen.“

DAUERAUSSTELLUNG IN MEERANE

Fast unerschöpflich ist auch die Ausdauer, mit der Meeraner Schriftsteller Wolfgang Eckert sich mit dem Leben von Erich Knauf beschäftigt und gegen dessen Vergessen ankämpft. Sein Buch Heimat, deine Sterne… erschien 2009 als Neuauflage beim Vergangenheitsverlag. Den Nachlass, den ihm seine Witwe vermachte, stellte Eckert dem Kunsthaus Meerane zur Verfügung. Seit 2011 wird dort mit einer Dauerausstellung den zwei großen Söhnen der Stadt, Werner Bochmann und Erich Knauf Tribut gezollt. Ihr berühmtestes Lied findet heute noch begeisterte Zuhörer, wie mehr als eine Million Klicks auf Youtube beweisen.

Hans Hee im Porträt

Von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Die ersten Zeilen des Refrains haften mir seit Schulskikurszeiten im Gedächtnis: „Wasser ist zum Waschen da, fallera und fallera. Auch zum Zähneputzen kann man es benutzen…“ Umso mehr freute es mich, als ich den Texter des vermeintlichen Volksliedes 2006 in Celle kennenlernte. Am 30. Januar hätte Hans Hee, der mit „Sierra Madre del Sur“ eines der erfolgreichsten Lieder der deutschen Unterhaltungsmusik aller Zeiten schrieb und die Celler Schule ins Leben rief, seinen 95. Geburtstag begangen.

WASSER IST ZUM WASCHEN DA

Geboren wurde Hans Hee in Sao Paulo. Sein Vater Hans Hee versuchte in Südamerika mit seiner Frau das große Glück als Restaurantbesitzer, kehrte aber schon 1925 wieder nach Deutschland zurück. So wuchs das strohblonde Hänschen, das in Braslien alle Blicke auf sich gezogen hatte, mit vier Geschwistern in sehr bescheidenen Verhältnissen in der Schwäbischen Alb auf. Als begabter Schüler bekam er zwar ein Stipendium für das Gymnasium, musste aber dorthin barfuß gehen, weil das Geld für die Schuhe nicht reichte.
Als 17-jähriger machte Hee das Notabitur und wurde an die Front geschickt, wo ein Halsdurchschuss ihn fast das Leben gekostet hätte. Nach Ende des Krieges zog er nach Bremen, heiratete und wurde Vater von drei Kindern. Den Lebensunterhalt verdiente er als Polizist, in seiner Freizeit schrieb er Gedichte und Lieder, u.a. für die „3 Peheiros“, die das Publikum mit „Wasser ist zum Waschen da“ und „Susi, sag doch bitte saure Sahne“ zum Lachen brachten. 1959 hängte der Polizeimeister seine Dienstkappe endgültig an den Nagel und verlegte sich ganz aufs Schreiben. Er verfasste Rundfunkfeatures, Sketche, kabarettistische Texte und Drehbücher fürs Fernsehen. Dass Hee der Schalk im Nacken saß, bestätigt auch seine Tochter Heidrun, die offizielle Rechtsnachfolgerin: „Mein Vater sang schon, wenn er morgens aus dem Bad kam. Ich habe keinen optimistischeren und fröhlicheren Menschen als ihn erlebt.“

SIERRA MADRE DEL SUR

Dass er aber nicht nur witzig, sondern auch emotional schreiben konnte, zeigte sich in der Zusammenarbeit mit dem Bremer Sänger und Komponisten Wolfgang Roloff, besser bekannt unter dem Namen Ronny, der mit sonorer Stimme die Damenwelt („O my Darling Caroline“, „Kleine Annabell“ und „Dunja, du“) sowie die Natur („Hohe Tannen“) besang.
Dem Lied „Sierra Madre den Sur“ aus dem Jahr 1970 war anfänglich nur mäßiges Interesse beschieden. Erst dreißig (!) Jahre später sollte es in der Interpretation der Zillertaler Schürzenjäger bei der „Krone der Volksmusik“ zum absoluten Mega-Hit werden. Mit über 200 Cover-Versionen – von Heino bis Semino Rossi – brach „Sierra Madre“ alle Rekorde und ist bis heute eines der erfolgreichsten Lieder der deutschen U-Musik aller Zeiten.

ICH BAU DIR EIN SCHLOSS

Und noch ein weiterer Glücksfall: Mit „Ich bau dir ein Schloss“ und „Oma so lieb“ machten Hee, Roloff sowie der Komponist und Manager Addy Klejngeld (Nomen est omen!) einen holländischen Dreikäsehoch namens Heintje in den späten 1960ern zum Kinderstar.
Trotz des Füllhorns an Tantiemen, das sich über Hans Hee ergoss, blieb er ein sparsamer Schwabe, der zwar schnelle Autos liebte, aber auch Wert auf Understatement legte. Heidrun Hee erinnert sich: „Als sich mein Vater einen eher unscheinbaren, aber PS-starken und kostspieligen Wagen zulegte, meinte meine Mutter augenzwinkernd: Kannst du dir nicht einmal ein Auto kaufen, dem man auch ansieht, wie teuer es ist?“
Hans Hee, der mit zahlreichen Auszeichnungen (vom Goldenen Löwen von Radio Luxemburg bis zum GEMA-Ehrenring) bedacht wurde, war von 1993 bis 2006 Präsident des Deutschen Textdichterverbandes (DTV) und von 1997 bis 2006 stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats der GEMA. 1995 bat er im Namen der GEMA-Stiftung die Textdichter-Kollegin Edith Jeske, sich um den Nachwuchs zu kümmern. Das war die Stunde Null der Celler Schule.
Bis kurz vor seinem Tod am 10. Dezember 2009 war er ein gern gesehener Besucher in Celle, der mit Witz und Charme beeindruckte. Musen-Muddi Edith Jeske: „Hans Hee war all die Jahre ein treuer Wegbegleiter, ein verlässlicher und ein väterlicher Freund, den wir sehr vermissen.“

Nils Nobach im Porträt

Von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Der Wilde Westen war in den 1960er Jahren dank TV-Serien wie Bonanza ein Sehnsuchtsort für das deutsche Fernsehpublikum beiderlei Geschlechts. Dass in dieser Zeit auf dem heimischen Heiratsmarkt der Wunsch nach Cowboys stieg, lag aber auch an einem Schlager, mit dem 1963 eine 17-jährige Dänin namens Gitte (Nachname: Haenning) ihre Karriere in Deutschland startete: Ich will ’nen Cowboy als Mann. Geschrieben hat den Text zu diesem Millionen-Hit der Schlagerproduzent, Komponist und
Texter Nils Nobach unter dem Pseudonym Peter Ström (Musik: Rudi von der Dovenmühle alias Rudi Lindt). Am 31. Juli 2018 jährt sich sein Geburtstag zum 100. Mal. Ein guter Grund, die Scheinwerfer auf ihn und sein Lebenswerk zu richten.

WAS IST SWING?

Nils Nobach wurde am 31. Juli 1918 als Sohn von Paul Nobach und Martha Niekrenz in Neustrelitz in Mecklenburg geboren und wuchs dort zuerst bei den Großeltern mütterlicherseits auf, die eine Gärtnerei besaßen, später in Schweden, wo sein Vater eine Arbeit gefunden hatte. Als dieser 1928 eine Stelle beim Hamburger Zoll bekam, erfolgte die Rückkehr der Familie nach Deutschland. Schon bald entdeckte Nils die Liebe zur Musik und lernte Schlagzeug und Klavier zu spielen. Er absolvierte eine kaufmänni-sche Lehre, ging dann aber zum Theater. Ab 1939 war er als Schauspieler am Hamburger Schauspielhaus engagiert, danach in Cottbus. Seine riesige Plattensammlung ermöglichte dem Musikliebhaber, nach dem Krieg vier Jahre lang als Radiomoderator beim NWDR Hamburg zu arbeiten, wo er eine eigene Sendung unter dem Titel Was ist Swing? betreute. Da wurde ihm klar: Er wollte selbst Musik produzieren. Dabei hatte Nobach das Glück, das Musikgeschäft bei den großen Produzenten ihrer Zeit, Gerhard Mendelson und Herbert Grenzebach von der Pike auf zu erlernen und für namhafte Plattenfirmen wie Austrophon, Teldec, Electrola und Ariola zu arbeiten.

WENN MADEMOISELLE DICH KÜSST

Nobach war ein wahrer Talente-Scout. Er entdeckte 1950 die belgische Sängerin Angèle Durand in einem Kabarett in Hamburg und produzierte mit ihr das Lied Wenn Mademoiselle dich küsst, eine Übersetzung von Sous le ciel de Paris von Edith Piaf. Zum Plattenvertrag gab es etwas später als Draufgabe einen Ehering. Zu diesem Zeitpunkt hatte Nobach schon zwei Ehen hinter sich.

Den richtigen Riecher hatte er auch für Wolfgang Sauer (Glaube mir), Bibi Johns (Bella Bambinella) und Paul Kuhn, der im Grunde seines Herzens ein Jazzer war (Der Mann am Klavier). Für die Nilsen Brothers (einer des Trios, Pepe Ederer, ist der Bruder der Textdichterin Irma Holder) stand er nicht nur mit seinem Namen Pate. Mit ihnen produzierte er die deutsche Fassung von Tom Dooley. Weitere prominente Namen auf seiner Produzentenliste: Fred Bertelmann, Rex Gildo, Adamo, Thomas Fritsch, Lou van Burg, Marlene Dietrich, Dalida und Zarah Leander und – man lese und staune – Sophia Loren.

ICH WILL ’NEN COWBOY ALS MANN

In den 1950er Jahren waren Schlagermusikfilme der große Renner. Nils Nobach beließ es deshalb nicht nur beim Produzieren, er begann zu texten und zu komponieren, wobei er vielfach mit dem Wiener Komponisten Charly Niessen zusammenarbeitete. Filme mit blumigen Titeln wie Almenrausch und Edelweiß oder Die Zwillinge vom Zillertal sind heute in Vergessenheit geraten, manche Lieder wurden jedoch zu Ohrwürmern. Aus dem Film Das blaue Meer und du stammt das Duett von Chris Howland und Fred Bertelmann Der Dumme im Leben ist immer der Mann. In dem Film Wenn die Conny mit dem Peter schrieb er für die damaligen Jugendidole Conny Froboess und Peter Kraus die Teenager-Melodie. In dem Film Schlagerparade 1960 waren die Nilsen Brothers und Angèle Durand Die Cowboys von der Silver Ranch.

Insgesamt verfasste Nils Nobach 571 Musikstücke, darunter auch viele Schlager – meist unter dem Pseudonym Peter Ström oder Lambert Fleming. Bereits sein erstes Lied Ach, sag doch nicht immer wieder Dicker zu mir, gesungen von Hans Arno Simon, wurde ein Gassenhauer. Unvergessen ist auch der Schlager Fräulein bei dem der Engländer Chris Howland an der richtigen Aussprache des Zwielautes charmant scheiterte. Für Conny Froboess und Peter Kraus übersetzte Nobach den Hit von Paul Anka, Diana, ins Deutsche, für Cliff Richard machte er aus dem Eurovisions-Song Congratulations kurzerhand Man gratuliert mir. Seinen wohl größten Coup landete der erfolgreiche Texter aber mit Ich will ’nen Cowboy als Mann. Das Lied wurde in mehrere Sprachen übersetzt und fehlt auch heute auf keiner Gute-Laune-Compilation der Sechziger Jahre. Wencke Myhre, die mit Sprich nicht drüber ebenfalls einen Hit erzielte, sang die norwegische Version.

HIMMLISCHE ZEITEN

1968 traf Nils Nobach in einem Kölner Kabarett Maike Bergen, eine junge Sängerin und Tänzerin aus Surinam (bis 1975 eine niederländische Kolonie im Norden Südamerikas) und war sofort von ihrem exotischen Charme ver-zaubert. Mit ihr schien er endlich das private Glück gefunden zu haben. Er heiratete sie 1971 und erlebte mit den Töchtern Nuria (geboren 1975) und Nadine (geboren 1977) späte Vaterfreuden. Die letzte Plattenveröffent-lichung, Regen fiel auf Santorin, mit dem Schlagersternchen Alina, die ebenfalls 1977 erschien, wurde hingegen ein Flop. Im selben Jahr zog sich Nobach aus dem Musikbusiness zurück und übersiedelte mit seiner Familie auf die Kanareninsel La Palma. Das Glück war allerdings nur von kurzer Dauer. Nils Nobach starb am 28. Mai 1985 im Alter von 66 Jahren an Lungenkrebs. Er fand auf La Palma seine letzte Ruhestätte.

Die Erinnerung an den Ehemann und Vater ist noch immer lebendig. „Er war ein sehr sorgsamer Papa, der immer für uns da war, wenn wir uns brauchten“, sagt Nadja. Und Nuria erinnert sich: „Er las uns Gute-Nacht-Geschichten vor, und wenn wir Disney-Filme anschauten, lachte er, bis ihm die Tränen kamen. Und Geschichten aus seiner eigenen Kindheit hat er uns auch oft erzählt. Er liebte Blumen, besonders Rosen und Geranien.“ Auch Maike Nobach-Bergen, die heute, so wie ihre Töchter und vier Enkelkinder in der Nähe von Amsterdam lebt, hält mit viel Herzblut das Andenken ihres Ehemannes hoch. Sie verfasste eine sehr persönliche Biografie unter dem Titel Die himmlischen Zeiten des Nils Nobach: Erinnerungen an einen großen Musikproduzenten und pflegt eine Erinnerungsseite auf Facebook.

 

 

 

 

 

Georg Buschor im Porträt

Von Claudia Karner (Celler 2006)

Nun ist der Juni auch schon fast wieder vorbei. Für alle, deren neues Herzensglück, das so vielversprechend im Mai begann und nicht mal bis Monatsende geschweige denn für die Ewigkeit reichte, bringt seit 54 Jahren ein Schlager zumindest temporären Trost: Liebeskummer lohnt sich nicht! 1964 gewann die schwedische Sängerin Siw Malmquist mit diesem Lied den 1. Preis der Deutschen Schlagerfestspiele in Baden-Baden. Die Musik stammte von Christian Bruhn, der Text von Georg Buschor. Ihm ist dieses Porträt gewidmet.

AKROPOLIS ADIEU

Georg Buschor wurde am 14. März 1923 in Athen geboren. Sein Vater war der namhafte Altertumsforscher Ernst Buschor, der in Athen das Deutsche Archäologische Institut leitete. 1929 hieß es für die Buschors „Akropolis, adieu!“ Die Familie übersiedelte nach München, wo Georg die Schule besuchte. Nach Kriegseinsatz und französischer Gefangenschaft begann er, Philosophie und Theaterwissenschaften zu studieren und tingelte als Liedermacher durch Schwabing. Er trat auch im P1 auf, das sich in der Prinzregentenstraße 1 befand und 1949 als Offiziersclub für die amerikanischen Besatzungstruppen gegründet worden war. Der Einfachheit halber wurde es von den Amerikanern P-one genannt, von den Einheimischen Stüberl. Erst viele Jahre später wurde die Münchner Nobel-Disco P1 daraus. Buschor schrieb auch für andere Künstler wie Lale Andersen, Lolita und Gisela Jonas, die sich als Wirtin von „Bei Gisela“, eines der bekanntesten Münchner Kleinkunstlokale (heute: Vereinsheim), einen Namen machte. Als monatlich 200 DM an Tantiemen auf Buschors Konto waren, hängte er die Gitarre an den Nagel und verlegte sich ausschließlich das Texten.

ZWEI KLEINE ITALIENER

Anfang der sechziger Jahre begann seine höchst fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Komponisten Christan Bruhn. Bruhn erinnert sich in seinen Memoiren Marmor, Stein und Liebeskummer an die erste Begegnung mit Buschor: „Im Tonstudio der Bavaria-Film in München lerne ich den Mann kennen, dem ich im Leben am meisten verdanke. Und ich verdanke vielen etwas. Er ist gute elf Jahre älter und dementsprechend weiser als ich. Buschor ist schon damals ein Lebenskünstler. Gute Grundnahrungsmittel wie Wein und Calvados sind immer vorhanden.“ Buschor, der Bohemien, der exzentrische Kleidung liebte, wohnte damals im elterlichen Dachstübchen, das wegen der geringen Ausmaße von seinen Freunden als „Schrank“ bezeichnete wurde. Bruhn verinnerlichte schnell Buschors Lektion Nummer 1: „Der Schlagerdichter ist souverän, er setzt sich über kleine Alltagslogik hinweg und schafft bleibende poetische Bilder.“ Die zwei waren ein ideales Gespann: Buschor lieferte eine griffige Refrainzeile und legte sich sinnierend auf die Couch, und Bruhn entwickelte eine passende Melodie, die Buschor zu den nächsten Versen inspirierte.

Was Bruhn besonders an Buschor schätzte: „Frische, originelle Ideen, sauberes Texthandwerk und vor allem: Poesie!“ Und so entstanden Midi-Midinette und Zwei kleine Italiener, das erste deutschsprachige Lied, das sich mit der Gastarbeiterthematik beschäftigt. Cornelia Froboess, der einstige Kinderstar von Pack die Badehose ein, gewann damit die Deutschen Schlagerfestspiele 1962. Dabei wäre Zwei kleine Italiener eigentlich für Rocco Granata, den Sänger und Komponisten von Marina gedacht gewesen. Pech für ihn: Die Single wurde 1,3 Millionen Mal verkauft.

LIEBESKUMMER LOHNT SICH NICHT

Buschor avancierte gemeinsam mit Bruhn zum Hitlieferanten. Kaum eine Sängerin, die an ihm vorbeikam. Für Jacqueline Boyer schrieb er Mitsou, für Siw Malmqvist Liebeskummer lohnt sich nicht, für Manuela Schuld war nur der Bossanova und Schwimmmen lernt man im See, für Dörthe Kollo Wärst du doch in Düsseldorf geblieben, für Peggy March Memories of Heidelberg und für Katja Ebstein Der Stern von Mykonos. Einen Glücksgriff machte das kreative Duo auch mit der Französin Mireille Mathieu, die in Deutschland zum Star wurde. Die Liste der Hits, die Bruhn und Buschor für den Spatz von Avignon schrieben, ist lang: An einem Sonntag in Avignon, Hinter den Kulissen von Paris, Akropolis Adieu und La Paloma Ade sind nur einige davon. Buschor hatte offensichtlich ein Gespür für die Damenwelt, Wenn er für Männer textete, kam zumindest ein weiblicher Name im Titel vor wie bei Heute male ich dein Bild, Cindy Lou (Drafi Deutscher) und Das Mädchen Carina (Roy Black). Die Tantiemen flossen reichlich. In seinen besten Zeiten sollen es pro Jahr an die 200.000 DM gewesen sein.

Nach eigener Aussage hatte Buschor kein großes Talent für Humor. Bemerkenswert sind deshalb zwei seiner Werke: Liszts Liebestraum als Twist und der Wilhem-Tell-Twist. Dazu machte Bruhn nicht nur die Musik, sondern er sang auch selbst unter dem Pseudonym Charlie Cotton. Buschor arbeitete auch mit anderen Komponisten zusammen. Mit Rolf Arland schrieb er für Chris Roberts Die Maschen der Mädchen, mit Henry Mayer für Rita Pavone Arrivederci, Hans. Man könnte dem Schlagertexter auch hellseherische Fähigkeiten unterstellen. 1968, als Computer, Internet und Online-Partnerbörsen noch in ungeahnter Ferne waren, dichtete er für France Gall, der Grand-Prix-Siegerin von 1965: Der Computer Nr. 3 sucht mich für mich den richtigen Boy, und die Liebe ist garantiert für beide dabei…

In den späten Siebziger Jahren tauchte der Name des Erfolgstexters nur noch selten in den Charts auf. Buschor zog sich aus dem Showbusiness zurück und lebte mit seiner Frau Christel im Tessin, wo er Wein und Oliven anbaute und am 11. Februar 2005 im 82. Lebensjahr in Lugano starb. Meine Welt ist die Musik – dieses Lied, gesungen von Mireille Mathieu, war auch das Credo des Dream-Teams des deutschen Schlagers. Christian Bruhn: „Für mich ist das schönste gemeinsame Werk, das Georg und ich geschaffen haben.“

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Günther Schwenn im Porträt

Von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Der Fasching war kurz, der diesjährige Rosenmontagkater ist längst verflogen. Wer aber glaubt, Komasaufen wäre ein Phänomen unserer Tage, der irrt. In den 1960er Jahren sang man: Schnaps, das war sein letztes Wort, dann trugen ihn die Englein fort… Günther Schwenn hatte zur Musik von Heino Gaze den Text für dieses Karnevalslied geschrieben, das Willy Millowitsch berühmt machen sollte, und sich dadurch heftige Kritik von zwei protestantischen Kirchenmännern aus Frankfurt eingehandelt. Dass Schwenn allerdings weit mehr auf dem Kasten hatte als simple Schunkellieder, zeigt dieses Porträt.

SCHÖN IST JEDER TAG…MARIE LUISE

Günther Schwenn wurde am 18. März 1903 als Adolf Hermann Carl Günther Franzke als Sohn des Kaffeegroßhändlers Eduard Franzke und dessen Frau Louise in Berlin geboren. Günther wurde sein Rufname. Später nahm er den Mädchennamen seiner Mutter als Pseudonym an. Nach dem Abitur am Humboldt-Gymnasium, das er schon 17 Jahren ablegte, studierte er Literatur-und Kunstgeschichte in Freiburg. Nach der Rückkehr nach Berlin begann seine Karriere als Kabarettist, wo Franzke/Schwenn im Küka, dem Künstlerkaffee, arbeitete – nach eigener Aussage als Direktor, Klavierspieler, Texter und Rausschmeißer in Personalunion. Seine Mitstreiter waren Erich Kästner, Werner Finck und Max Kolpe, der für eine Gage von 5 Mark seine ersten Gedichte aufsagte. Als das Küka geschlossen wurde, trat er in dem politischen Kabarett Die Wespen auf und veröffentlichte Chansontexte und Gedichte in dem Buch Gesänge gegen bar.

Nach der Machtergreifung Hitlers verschwand der Kabarettist Günther Franzke von der Bildfläche. Als Günther Schwenn kehrte er wieder, verschrieb sich von nun an der leichten Muse, wurde Schlagertexter und landete mit dem Lied Schön ist jeder Tag, den du mir schenkst, Marie Luise in dem Film Die Sonne geht auf, seinen ersten Erfolg. Dieses Lied, das Will Meisel komponierte, fand auch später Eingang in die Operette Königin der Nacht.

FÜR EINE NACHT VOLLER SELIGKEIT

Ope-rette sich, wer kann! so lautete Schwenns Devise, als er Haus- und Hoftexter des Metropoltheaters in Berlin wurde. Heinz Hentschke war dort nicht nur Direktor, sondern auch Librettist, „der letzte König und der erste Manager der Operette“, so ZEIT online. Zehn Jahre lang verfassten die beiden mit Komponisten wie Fred Raymond, Ludwig Schmidseder, Friedrich Schröder und Theo Mackeben alljährlich ein musikalisches Bühnenwerk, getreu dem Motto: Je schwerer die Zeiten, desto leichter die Unterhaltung. Die erfolgreichste Operette wurde Maske in blau (Komponist: Fred Raymond). Noch heute steht sie auf den Spielplan deutschsprachiger Musiktheater, noch heute hat man das Lied Die Julischka, die Julischka aus Buda-Buda-Budapest im Ohr.

Auch der Musikfilm kam an dem vielseitigen Texter nicht vorbei. Dank Schwenn sang sich  Marika Rökk mit viel ungarischem Temperament und ebensolchem Akzent in dem Film Kora Terry in die Herzen der deutschen Kinobesucher. Ihr Lied Für eine Nacht voller Seligkeit ist bis heute unvergessen. Die Melodie stammte von Peter Kreuder. Die meisten Filme sind in Vergessenheit geraten. Nur Witwer mit 5 Töchtern mit Heinz Erhardt in der Hauptrolle taucht Lochness-artig im Samstagsnachmittagsprogramm des Österreichi-schen Fernsehens auf.

Schwenns kreativer Output war schier unerschöpflich: Er verfasste die Liedtexte für 60 Bühnenwerke, 100 Musikfilme und über 1000 Einzeltitel, darunter: Wenn die Sonne über den Dächern versinkt (Pola Negri, Greta Keller und Hildegard Knef), Ach, Egon, ich hab ja nur aus Liebe zu dir… (Evelyn Künneke), Wenn die Glocken hell erklingen, eine Übersetzung von Les trois cloches (Fred Bertelmann, Gerhard Wendland, Lys Assia und Margot Eskens), Es kommt auf die Sekunde an (Johannes Heesters) und Durst ist schlimmer als Heimweh (Friedel Hensch). Bei seinem Auftritt im Wintergarten in Berlin wurde der Clown Charlie Rivel mit dem Lied Akrobat schö-ö-ön! überrascht, das Schwenn gemeinsam mit Fred Raymond schuf.

HEIMWEH NACH DEM KURFÜRSTENDAMM

Nach Ende des Krieges konnte Günther Schwenn seine Arbeit als Textdichter, Librettist und Autor nahtlos fortsetzen. Er engagierte sich ehrenamtlich in den Berufsverbänden, gehörte zu den Mitbegründern der GEMA-Stiftung und folgte Kurt Schwabach als Präsident des Deutschen Textdichteverbandes. In Anerkennung seiner Verdienste um die deutsche Unterhaltungsmusik wurde ihm 1979 als erstem Textdichter der Paul-Lincke-Ring verliehen, er wurde 1982 Ehrenmitglied der GEMA und erhielt 1983 die Goldene Feder des DTV.

Günther Schwenn starb am 4. Januar 1991 in Montreux am Generelle. Er wurde auf dem Friedhof Berlin-Wilmersdorf beigesetzt. Schwenn lebte seit 1959 in der Schweiz, blieb aber im Grund seines Herzens ein Berliner. Ist ja auch nicht verwunderlich bei einem, der seiner Heimatstadt eine unnachahmliche Liebeserklärung geschenkt hat: Ich hab’ so Heimweh nach dem Kurfürstendamm, ich hab’ so Sehnsucht nach meinem Berlin… Die 3 Travellers nahmen 1950 das Lied auf Platte auf, das durch die Interpretation von Marlene Dietrich und Hildegard Knef berühmt gemacht wurde. Für Bobby Kamp, den Komponisten der Berliner Hymne, blieb es allerdings ein One-Hit-Wonder.

Der während des Krieges nach London emigrierte Journalist und Kritiker Paul Erich Markus, der seine Artikel mit Kürzel PEM signierte, sprang auf den Zug auf und verwendete den Titel für seine Erinnerungen an das Berlin der Zwanziger Jahre. Das 1951 erschienene Buch wurde ein Bestseller.

 

 

 

 

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Fred Rauch im Porträt

 

Fred Rauch Scan

Von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Schifahrerglück fernab der präparierten Pisten: Zwei Spuren im Schnee führen herab aus steiler Höh’ und im tiefen Tal, da steht ein Hüttlein klein… Der Schweizer Schlagersänger Vico Torriani wusste schon in den 1950er Jahren ein Lied davon zu singen. Die pfiffige Melodie schrieb Gerhard Winkler, den Text ließ sich Fred Rauch einfallen, der in der deutschsprachigen Musik- und Radiowelt deutliche Spuren hinterlassen hat. Von wegen: Ohne Rauch geht’s auch!

MÜNCHEN LERNT WIEDER LACHEN

Set-Card+Fred-Rauch-Signiert-Vorder-u-Rücks-Fred-RauchAlfred Rauch, der sich später der ersten Silbe seines Vornamens entledigte, wurde am 28. September 1909 als Sohn des Textilhändlers Anton Rauch und dessen Ehefrau Clothilde in Wien geboren. Nach dem Besuch der Handelsschule war sein Weg als Kaufmann vorgezeichnet. Er stieg in das Familienunternehmen ein, führte die Mode selbst am Laufsteg vor (eine alte Setcard beweist es) und war als Redakteur und Illustrator einer Modezeitschrift tätig. Daneben belegte er an der Wiener Akademie der Bildenden Künste Zeichenkurse. Ab 1939 war er im Kriegseinsatz und rettete sich in dem Front-Kabarett Die Schwinge, wo er sein Talent als Texter, Chanson-Autor, Sänger und Schauspieler entdeckte, durch die schwere Zeit. Zeit.Nach Kriegsende – Rauch war kurz zuvor aus gesundheitlichen Gründen aus dem Wehrdienst entlassen worden – kehrte er nicht mehr in seine Heimatstadt zurück, sondern startete in München als Kabarett-Autor, u. a. für den Alten Simpl, neu  durch und gründete mit dem Komponisten Fred Sporer, einem Freund aus Kriegstagen, ein eigenes Brettl, Der bunte Würfel. München lernt wieder lachen, hieß ihr erstes Programm, bei dem die Münchner allabendlich Schlange standen.

SIE WÜNSCHEN – WIR SPIELEN

1946 begann Rauch als Moderator bei Radio München (später: Bayrischer Rundfunk) zu arbeiten. Mit seiner unverwechselbaren sonoren Stimme und dem charmanten Wienerischen Plauderton eroberte er in den Sendungen A warmer Ofen, a Schalerl Kaffee und Sie wünschen – wir spielen Ihre Lieblingsmelodien die Herzen der Zuhörer und Zuhörerinnen im Radioaufdrehen. „Wir machten Musik! Wir machten Programm! Wir machten Sendungen! Es war eine herrliche Zeit. Wir hatten eine Zeit hinter uns, die uns fast alle künstlerischen Freiheiten nahm und hatten plötzlich eine Zeit, die uns fast alles erlaubte“, so beschrieb euphorisch Rauch die Anfänge. Sie wünschen – wir spielen… war als erste interaktive Radiosendung der große Renner und machte Fred Rauch zum Mr. Wunschkonzert. Waschkörbeweise wurde die Hörerpost mit Plattenwünschen ins Funkhaus geschleppt. Unglaubliche 1,5 Millionen Briefe aus allen Winkeln der Welt kamen im Laufe von dreißig Jahren und 1500 Sendungen zusammen.

SCHÜTZENLIESLvico-torriani-in-der-schweiz-1955

Neben seinen Aktivitäten beim Radio fand das Multitalent noch Zeit, Liedtexte zu schreiben. Mit seiner Rundfunkkollegin Fini Busch verfasste Rauch den Alltime-Oktoberfest-Hit Schützenliesl, die Musik stammte von dem Komponisten Gerhard Winkler. Mit ihm schuf er auch das eingangs erwähnte Lied Zwei Spuren im Schnee sowie Mütterlein (Interpretin: Leila Negra), ein Lied, das erst nach der Umtextung in Glaube mir (Interpret: Wolfgang Sauer) zu einem großen Erfolg wurde. Für den Star-Torhüter von 1860 München, Petar Radenkovic, Spitzname Radi, schrieb er das Lied Bin i Radi, bin i König, für den Fußballverein 1860 München die Vereinshymne. Weitere Hits: Aber mei Hans, der kann’s (Interpretin: Fee von Reichlin) Mach ma Brotzeit (Musik: Toni Sulzböck, Interpreten: Die Moosacher) und O Mister Swoboda (Musik: Peter Igelhoff, Interpret: Peter Alexander).

Und wer glaubt, Es muss ein Sonntag g’wes’n sein, das Loblied auf das schöne Bayernland, die der Kraudn Sepp und später die Biermösl-Blosn sangen, sei eine alte Volksweise, der irrt. Auch diesen Text schrieb Fred Rauch. Seine Liebe zu Bayern hatte der Wiener, der seine österreichische Staatsbürgerschaft nicht ablegte, kurz nach dem Krieg entdeckt. 1955 zog er mit Ehefrau Irmgard nach Gmund am Tegernsee.Über 1000 Lieder sind im Laufe der Zeit enstanden, die Rauch auch unter dem Pseudonym Sepp Haselbeck und Theo Rautenberg verfasste, darunter auch viele Lieder für Musikfilme. Manche sang er sogar selber.

TROMPETENECHO

Einen besonderen Riecher hatte Fred Rauch, als er bei einem Urlaub in Kärnten im Radio eine slowenische Musikkapelle hörte, von deren Klang er sofort begeistert war. Unter dem Namen Slavko Avsenik und die Original Oberkrainer machte sie der gewiefte Radiomacher weit über die Landesgrenzen hinaus berühmt. Für das Trompetenecho, das auch die Erkennungsmelodie des Musikantenstadls wurde, schrieb Rauch einen kurzen Text, der allerdings kaum Verwendung fand. Laut GEMA wurde das Trompetenecho live 30 Millionen Mal aufgeführt und 600 Mal gecovert. Stilblüten und Versprecher seiner Kollegen zu sammeln und (z.B. Mit dem Gongschlag ist es 6 Mark 30 oder Lohnhäuser und Tannengrün) waren eine weitere Leidenschaft von Rauch, der auch Karikaturen zeichnete, Aquarelle schuf und originelle Schützenscheiben bemalte.

1997 starb Fred Rauch im 88. Lebensjahr in seiner bayrischen Wahlheimat. Er fand am Bergfriedhof in Gmund die letzte Ruhe. Neun Jahre später folgte ihm seine Frau Irmgard. Die Fred und Irmgard Rauch Stiftung, deren Gründung schon zu Rauchs Lebzeiten vorbereitet wurde, hat sich zur Aufgabe gemacht, junge, begabte Textdichter und Nachwuchskünstler auf den Gebieten Song, Chanson und Kabarett zu fördern und das Andenken an den vielseitigen Namensgeber zu wahren. „Ein Kreativer mit Talent zum Glücklichsein“, so beschrieb ihn Annette Lehmeier in der ausgezeichneten Biographie Fred Rauch – Radiomaderator, Liedtexter und mehr. Auf den Spuren von Mr. Wunschkonzert, die 2009 anlässlich seines 100. Geburtstags erschien. Das obige Foto von Fred Lindinger stammt von der Titelseite des Buches.

 

Fini Busch im Porträt

Von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

 

Schützenliesl
Schützenliesl

Es war der erste Hit auf dem Münchner Oktoberfest, das Lied Schützen-liesl (Nachsatz: Dreimal hat’s gekracht), das 1953 auf der Wiesn seine Premiere hatte. Noch heute ist die Hymne auf die Kellnerin Coletta Möritz, die dank eines Ölgemäldes von Friedrich August von Kaulbach zum ersten Münchner Pinup-Girl wurde und Plakate, Krüge und Schützenscheiben zierte, im Repertoire einer jeden Oktoberfestkapelle. Den massen-tauglichen Text schrieben zur Musik von Gerhard Winkler (alias Ben Bern) Fred Rauch (alias Sepp Haselbach) und Fini Busch (alias Harry Sixt), die so wie die Schützenliesl auch ein Münchner Kindl war. Ihr ist dieses Porträt gewidmet.

GUTE-NACHT-LIED

Josefine Busch, genannt Fini, wurde am 18. Februar 1928 in München geboren. Sie wuchs als Tochter eines Postbeamten und einer Hausfrau mit fünf Geschwistern im Schlachthofviertel auf und bekam nach dem Besuch der Handelsschule 1945 aufgrund ihrer ausgezeichneten Englisch-Kenntnisse eine Anstellung bei Radio München, dem Vorläufer des Bayrischen Rundfunks.

Porträt Fini Busch
Fini Busch

Dort arbeitete sie in der Unterhaltungsabteilung bei Jimmy Jungermann. „Er hat mir ziemlich schnell freie Hand gelassen. Ich habe eigene Sendungen gemacht, Lieder ausgesucht und Zwischentexte geschrieben. Ich war ein Fan der amerikanischen Musik“, so Busch in einem Interview in dem Münchner Magazin zeitenweise. Ihr Talent als Textdichterin entdeckte Fini 1949 zufällig. Der Rundfunk suchte ein Gute-Nacht-Lied. Auf Anraten ihres Chefs („Das ist was für ein Mädel!“)reichte sie das anonymisierte Lied ein, das dann von einer Jury ausgewählt wurde.

SUGAR BABY

Das war der Beginn einer großen Autorenkarriere. Fini Busch war nicht nur die Jüngste in der Textdichterriege, sie war damals auch die einzige Frau. Gern verschanzte sie sich hinter meist männlichen Pseudonymen wie Harry Sixt, Inge Martens, Walter Kartis und Karl Kiesinger. Eine Vorschrift von Radio München aus dem Jahre 1951, dass nur fünf Lieder pro Woche gespielt werden durften, die von einem Rundfunkangestellten stammten, brachten die Hitschreiberin und den Programmdirektor Hanns Huber – Er und Fini waren mittlerweile ein Ehepaar in Turbulenzen. So verließ Fini 1953 den Radiosender, um sich ganz dem Schreiben (später auch ihren drei Kindern) zu widmen. Mit dem Komponisten Werner Scharfenberger, damals Pianist bei Max Greger, entwickelte sich eine intensive Zusammenarbeit. Ingesamt 400 Lieder sind entstanden.

v.l.n.r. Komponist Werner Scharfenberger, Sängerin Connie Francis, Fini Busch
v.l.n.r. Komponist Werner Scharfenberger, Sängerin Connie Francis, Fini Busch

Die Texte schrieb sie meist auf die Notenvorlagen. „Ich habe mich immer von der Musik beeinflussen lassen. Die Interpreten haben sich nie in meine Texte eingemischt,“ so Busch. 1500 Lieder sind es geworden. Hier eine kleine Auswahl: Franzl Lang sang die eingangs zitierte Schützenliesl, Peter Kraus Sugar Baby, Mit siebzehn und Va bene sowie gemeinsam mit Conny Sag mir was du denkst, Connie Francis Napoli und Meine Reise ist zu Ende, Ted Herold Moonlight und Hula Rock und Fred Bertelmann Bleib so, wie du bist. Auch Alice und Ellen Kessler, Gus Backus und Peter Rubin, der Fini Busch auch seinen Künstlernamen verdankt, ließen sich von ihr die Lieder schreiben.

SEEMANN, DEINE HEIMAT IST DAS MEER

Fernweh und Meer, Sehnsucht und Liebe – das waren in den Sechziger Jahren die sicheren Zutaten für ein erfolgreiches Lied. Aber dass ausgerechnet „Seemann“, gesungen von Lolita, ein Riesenhit wurde, der es sogar in englischer Übersetzung in die amerikanischen Hitparaden schaffte, überraschte dann doch alle Beteiligten. Fini Busch: „Werner Scharfenberger und ich wurden beauftragt, so ganz auf die Schnelle für Lolita ein Lied zu schreiben als B-Seite einer Schallplatte. Die A-Seite war fertig, sie hieß La Luna, und der Produzent sagte: ’Schreibt’s irgendwas hinten drauf, völlig wurscht.’ Er wollte die Platte möglichst rasch herausbringen, und so entstand der ‚Seemann’. Er wurde ein Hit, von La Luna hat man nie wieder was gehört.“ Das Lied wurde auch von Freddy Quinn, Heino und Andrea Berg gesungen. Die englische Version Sailor sang interpretiert von Petula Clark und landete an der Spitze der amerikanischen Charts.

EIN SCHIFF WIRD KOMMEN

Mit Ein Schiff wird kommen gelang Fini Busch der zweite große Wurf. Das Lied stammt aus dem griechischen Film Sonntags … nie! und wurde im Original von Melina Mercouri gesungen. Im Deutschen wurde der Text entschärft, indem das Hafenmädchen aus Piräus nicht auf Freier wartet, sondern auf die große Liebe. Ein kleiner Kniff, um die deutschen Gemüter nicht zu verschrecken. Am 9. September 1960 kam der Film in die deutschen Kinos, zwei Tage später stand die Sängerin Lale Andersen in Köln im Tonstudio, um die deutsche Version aufzunehmen, die Fini Busch in Windeseile geschrieben hatte. Unter Zeitdruck zu schreiben war wohl eine besondere Qualität von ihr. Bereits wenige Wochen später war das Lied die Nummer 1 der Hitparade. Über eine Million Singles wurden gekauft. Das Lied wird auch gerne gecovert. Es gibt mehr als ein Dutzend verschiedene Versionen, darunter von Caterina Valente, Dalida, Nana Mouskouri, Daliah Lavi und Andrea Berg.

An Ideen für neue Texte hätte es Fini Busch auch in den späten Jahren nicht gemangelt, aber die Musik entsprach nicht mehr ihrem Geschmack. So zog sich, wie ihr langjähriger Komponist Werner Scharfenberger, aus dem Showgeschäft zurück. Sie starb am 2. November 2001 in ihrer Heimatstadt. Ihre Tochter Gabriele Misch, Schauspielerin und Sängerin, setzt sich mit viel Engagement dafür ein, das Andenken an ihre Mutter zu bewahren. Ein Bühnenprogramm, in dem sie Werk ihrer Mutter interpretiert, trägt den Titel Sugar Baby.