Charles Amberg im Porträt

Von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

 

Montag 10 Uhr Vormittag in Deutschland: Wir warten sehnsüchtig auf Wochenend und Sonnenschein! Schon in den 1930er Jahren wussten die Comedian Harmonists höchst erfolgreich ein Lied davon zu singen. Fast neunzig Jahre später kommen noch immer kein Chor und kein A capella-Ensemble an diesem Gute-Laune-Lied vorbei. Die Musik stammt von Milton Ager (der auch Ain’t she sweet komponierte), der Text von Charles Amberg, der das englische Original von Jack Yellen Happy days are here again sehr frei ins Deutsche übertrug. Charles Amberg ist dieses Porträt gewidmet.

ICH REISS MIR EINE WIMPER AUS

Als Karl Amberg wurde er am 8. Dezember 1894 in Kessenich bei Bonn geboren. Eine Künstlerkarriere war ihm nicht in die Wiege gelegt. Sein Vater Peter Joseph Amberg war Maurer, seine Mutter Gertrud Hausfrau. Mit 22 Jahren, nach dem Tode seiner Eltern, zog Amberg nach Berlin und ging zwei Jahre später mit der acht Jahre älteren Elfriede Strickstrack eine Ehe ein, die kinderlos blieb. Amberg, der, wie er es selbst bezeichnete, im Reklamewesen tätig war, suchte in Berlin Kontakt zur Künstlerszene. Seinen ersten Schlager Silvia veröffentlichte er 1921. Dabei änderte er seinen Vornamen auf Charles bzw. Charlie. Karl klang wohl im mondänen Berlin zu bieder. Der vielseitig Begabte hatte einen ausgeprägten Hang zu Nonsens-Texten und zu Dada. Mit dem Komponisten Fred Raymond (eigentlich: Friedrich Raimund Vesely) schrieb er 1928 das Lied Ich reiß mir eine Wimper aus. Zwischen den Zeilen seien hier deutliche Hinweise auf Ambergs homosexuelle Neigung zu erkennen, stellte der Musikexperte Ralf Jörg Raber in dem Buch Wir sind, wie wir sind. Ein Jahrhundert homosexueller Liebe auf Schallplatte und CD fest. Ambergs Nachlassverwalter hingegen weisen dies vehement von sich. Mit Fred Raymond verband Charles Amberg eine höchst erfolgreiche Zusammenarbeit. Mehr als 50 Lieder gehen auf das gemeinsame Konto, darunter das Lied Mein Bruder macht beim Tonfilm die Geräusche.

BIMBAMBULLA

Glanzvolle Ausstattungsrevuen waren in den Goldenen Zwanzigern in Berlin sehr beliebt. Ungekrönter König war der Theaterdirektor Hermann Haller mit den sogenannten Haller-Revuen. Eine davon schrieb Charles Amberg gemeinsam mit dem Komponisten Siegwart Ehrlich: Schön und schick. Die Premiere fand 1928 im Admiralspalast statt. Als besonderer Ohrwurm blieb das Lied Ich bin die Marie von der Haller-Revue in Erinnerung.Aus der Revue Sie – und ihre Miezekatze stammen die Schlager Angora und Kein Flanell. Bei dieser Produktion nützte Amberg auch sein Talent als Graphiker. Er entwarf die Titelbilder für die Notenhefte. Auch als Operetten-Librettist machte sich das Multitalent einen Namen. Für Clivia arbeitete er 1933 dem Komponisten Nico Dostal zusammen, es entstand dabei Dostals erfolgreichste Operette, für Rosen aus Schiras mit Frank Stafford. Eine Melodie blieb unvergessen: Martha, Martha, du entschwandest. Ein Riesenhit war auch der Schlager Bimbambulla, für den Karl Michael May die Musik schrieb. Mehr als 20 Plattenlabels brachten diesen Foxtrott heraus. Die berühmtesten Interpreten waren die Comedian Harmonists und Josephine Baker, die das Lied 1930 in Paris in dem berühmten Varieté-Theater Folies Bergère sang.

WOCHENEND UND SONNENSCHEIN

1930 landete Amberg seinen größten Coup. Er übersetzte Happy days are here again ins Deutsche. Die Comedian Harmonists machten aus Wochenend und Sonnenschein einen All-Time-Hit. Die Beliebtheit des Schlagers ist bis heute ungebrochen. Ebenfalls unzertrennlich mit den Comedian Harmonists verbunden ist der Slowfox Auf Wiedersehn’n, my dear, auch bekannt als Gib mir den letzten Abschiedskuss. Die Comedian Harmonists rührten mit diesem Lied auf ihrem berühmten Abschiedskonzert im März 1934 in München das Publikum zu Tränen.Beim Film mischte Amberg ebenso kräftig mit. Er schuf für den letzten Stummfilm von Fritz Lang Die Frau im Mond das Titellied, verfasste für 64 Tonfilme mehr als 120 Schlager und schrieb auch drei Drehbücher, darunter für die Verfilmung des Romans von Ludwig Ganghofer Das Schweigen im Wald.

Am Höhepunkt seines Erfolgs verschwand der gefeierte Textdichter und Librettist von der Bildfläche. Charles Amberg erkrankte an Lymphdrüsenkrebs und starb – von der Öffentlichkeit unbemerkt – am 15. August 1946 im Alter von 52 Jahren.

 

„Ambergs Spuren zu verfolgen und sein Leben zu rekonstruieren hat sich als äußerst schwierig erwiesen“, schreibt der Bonner Autor und Historiker Josef Niesen in dem Buch Gib mir den letzten Abschiedskuss. „Über die letzten Jahre gibt es kaum Greifbares. Die Lücke zwischen 1944 und 1946 lässt sich nicht mehr restlos aufklären. Sein plötzliches Verschwinden bleibt für uns ein Rätsel.“ Mit seiner akribischen Recherche und dem Verfassen des Buches sorgte Josef Niesen dafür, dass die Erinnerung an Charles Amberg erhalten bleibt.

Ergänzung im Juli 2020:
Im Januar 2021 wird unter dem Titel „Charles Amberg – Wochenend und Sonnenschein“ ein ebook von Rhenga Rodewill erscheinen, das ergänzende Erkenntnisse bringen soll. Die Ankündigung ist mit folgendem Vermerk versehen:
„Als Nachlassverwalter haben wir die Pflicht einer Klarstellung:
Charles Amberg war in der Zeit des Nationalsozialismus in keinem Konzentrationslager interniert – auch nicht im KZ Neuengamme. Veröffentlichungen, die sich auf eine Inhaftierung Charles Ambergs von Oktober 1944 bis Mai 1945 beziehen, verstoßen gegen das Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen.“

 

MerkenMerken

MerkenMerken

MerkenMerken

MerkenMerken

MerkenMerken

MerkenMerken

MerkenMerken

MerkenMerken

MerkenMerken

Hans Fritz Beckmann im Porträt

Von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Es gibt Tage, da denkt man: „Welt, lass mich in Ruhe“, wie DIE ZEIT vor kurzem titelte. Tage, an denen man alles außen vor lassen möchte und sich nur eines wünscht: „Ich wollt’, ich wär ein Huhn! Ich hätt’ nicht viel zu tun. Ich legte jeden Tag ein Ei, und sonntags auch mal zwei…“ Diesen unausrottbaren Ohrwurm sang 1936 der UFA-Traumpaar Lilian Harvey und Willy Fritsch in dem Film  „Glückskinder“. 73 Jahre später fand er sich in derselben Interpretation in dem Oscar-preisgekrönten amerikanischen Streifen „Inglorious Basterds“  wieder. Geschrieben hat das Lied einer der erfolgreichsten Textdichter des jungen deutschen Tonfilms, Hans Fritz Beckmann, die Melodie stammt von Peter Kreuder.

VON BERLIN NACH BUENOS AIRES UND RETOUR

Hans Fritz Beckmann wurde am 6. Januar 1909 in Berlin-Schöneberg geboren. „Mein Vater war Offizier, meine Mutter nicht  – diese Veranlagung habe ich auch dann von meiner Mutter geerbt“, so beschrieb Beckmann augenzwinkernd seine Eltern. Auch mit dem zweiten Mann seiner Mutter, mit dem die Familie 1920 nach Argentinien auswanderte, hatte der Junge keine rechte Freude. Er hatte schon damals literarische Ambitionen, sollte aber nach dem Willen des Stiefvaters Buchhalter werden. Als er sich widersetzte, verfrachtete dieser den 19-jährigen kurzerhand mit einer nur halbbezahlten Schiffspassage auf einen Dampfer Richtung Deutschland. Das fehlende Geld musste sich Hans auf der Überfahrt als Schiffsjunge verdienen. 1928 nach Berlin zurückgekehrt schlug sich er als Gelegenheitsarbeiter und Eintänzer durch. Tangotanzen hatte er in Buenos Aires gelernt, und dieser Tanz war in Deutschland groß in Mode. In einem Tingel-Tangel-Varieté sah ihn der Kabarettist und Conferencier Erich „Elow“ Lowinksy und holte ihn 1932 als zweiten Mann in sein berühmt-berüchtigtes  „Kabarett der Namenlosen“. Das war ein ziemlich mieser Job, denn dort durften nur die Untalentiertesten auftreten, die dann gnadenlos verrissen und vom Publikum ausgebuht wurden. (Kommt Ihnen das irgendwie bekannt vor?) In dieser Zeit schrieb Beckmann seine ersten Chanson-Texte und landete 1934 in Trude Hesterbergs Kabarett „Musenschaukel“, wo er den Komponisten Theo Mackeben kennenlernte, der damals in der Schlagerwelt schon eine große Nummer war. Was für ein Glück, dass Mackeben dringend einen neuen Autor suchte. Sein bisheriger Autor Felix  Joachimson (später: Felix Jakobson) war jüdischer Abstammung und musste aus politischen Gründen Deutschland verlassen.

SO ODER SO IST DAS LEBEN

Hans Fritz Beckmann mit dem Komponisten Peter Kreuder (links)
Hans Fritz Beckmann mit dem Komponisten Peter Kreuder (links)
Quelle: privat, mit freundlicher Genehmigung

Mit  dem Lied So oder so ist das Leben aus dem Film „Liebe, Tod und Teufel“, gesungen von Brigitte Horney, gelang Beckmann schnell der Durchbruch. Die Platte, bei der Deutschen Grammophon aufgenommen, wurde zu einem Sensationserfolg. Über Nacht hatte sich Beckmann in der Branche einen Namen gemacht, und viele Komponisten rissen sich um seine Texte. Er schrieb nicht nur für Theo Mackeben, sondern auch für Peter Kreuder, Friedrich Schröder und Peter Igelhoff. Kein Star der 1930er und 1940er Jahre, der nicht einen Titel von Beckmann im Repertoire gehabt hätte. Viele der Lieder sind zu Evergreens geworden: Lilian Harvey und Willi Fritsch sangen in dem Film „Die sieben Ohrfeigen“  Ich tanze mit dir in den Himmel hineinJohannes Heesters in „Gasparone“ Ich werde jede Nacht von Ihnen träumen, Hans Albers  in „Wasser für Manitoga“ Goodbye Johnny, Lizzi Waldmüller in  „Bel Ami“ Du hast Glück bei den Frau’n, Bel Ami“ sowie  Willi Forst„Gnädige frau, wo war’n Sie gestern?, Marika Röck  in „Hallo Janine“ Musik, Musik, Musik (besser bekannt unter dem Titel Ich brauche keine Millionen), Zarah Leander in „Es war eine rauschende Ballnacht“ Nur nicht aus Liebe weinen, Johannes Heesters in „Immer nur du“ Man müsste Klavier spielen können, Evelyn Künneke in „Karneval der Liebe“ Haben Sie schon mal im Dunkeln geküsst? und Margot Hielscher in dem gleichnamigen Film Frauen sind keine Engel. Neben den Liedtexten, über 958 sind bei der GEMA registriert, schrieb Beckmann auch eine beachtliche Zahl von Filmdrehbüchern. Hier seien nur einige aufgezählt:  „Kleiner Mann – ganz groߓ (1938), „Hallo Janine“ (1939) und „Traummusik“ (1940).

LIEBER GOTT, LASS DIE SONNE WIEDER SCHEINEN

Nach Kriegsende wurde es stiller um den einstigen Hans-Dampf-in-allen-Gassen. Beckmann eröffnete in Berlin ein Kabarett, das aber schon nach kurzer Zeit wieder geschlossen wurde, und versuchte sich als Lyriker. Trotz heftigen Bemühens konnte er nicht mehr an seine alten Erfolge anschließen, obwohl er alles tat, um sich auf veränderten Publikumsgeschmack und das Zwei-Minuten-Dreißig-Diktat der Musikboxen einzustellen. Er schrieb weiterhin Filmmusiken, aber ohne echtes Hitpotential. In Erinnerung geblieben ist das Lied „Lass die Sonne wieder scheinen“ aus dem  gleichnamigen Film, für das Beckmann 1955 gemeinsam mit Franz Marischka das Drehbuch verfasste. Die kleine Cornelia sang das Titellied, zu dem Papa Gerhard Froboess die Musik geschrieben hatte: „Lieber Gott, lass die Sonne wieder scheinen für Mama, für Papa und für mich. Alle Leute, die großen und die kleinen, haben Sehnsucht nach Sonne wie ich…“

ABSCHIEDSBRIEF IM MÜNCHNER STAMMLOKAL

Für Beckmann hatte die Sonne nicht mehr dieselbe Strahlkraft wie in den Dreißiger- und Vierzigerjahren. Er arbeitete als Synchronautor für Hollywood-Filme, wurde 1958 Produzent bei der Plattenfirma Ariola und freute sich, als die Nostalgiewelle der Sechziger Jahre seine Evergreens wieder nach oben spülte. Das große Revival der Lieder der 1930er und 1940er Jahre, das von Max Raabe und seinem Palastorchester in den 1990er Jahren eingeläutet wurde, konnte er leider nicht mehr erleben.  Am 25. April 1975  – da war Hans Fritz Beckmann gerade mal 66 Jahre alt  – verlor er den Kampf gegen den Lungenkrebs. Seinen Freunden, darunter dem Komponisten Friedrich Hollaender, hatte er in seinem Stammlokal, dem legendären Max II, einen Abschiedsbrief hinterlassen. 

„Beckmanns Texte kann man auch in gedruckter Form als amüsante, manchmal satirisch-geschliffene, in jedem Fall aber als den Intellekt ansprechende Gebrauchslyrik begreifen“, schrieb Jens Uwe Völmeke  anlässlich des 100. Geburtstags in einem Artikel des Sikorski Magazins. „Damit ist Beckmann seinem persönlichen Wunschtraum, einmal ein bedeutender Literat zu werden, vielleicht näher gekommen als er es selbst jemals geglaubt hätte. Ein ‚Literat’ des deutschen Schlagers war er auf alle Fälle.“

 

Bruno Balz im Porträt

von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

„Kann denn liebe Sünde sein? Darf es niemand wissen, wenn man sich küsst, wenn man einmal alles vergisst vor Glück? … Liebe kann nicht Sünde sein. Und wenn sie’s wär, wär’s mir egal. Lieber will ich sündigen mal als ohne Liebe sein.“ Wer hat nicht schon bei den ersten fünf Worten die sinnliche  Alt-Stimme von Zarah Leander im Ohr? Das Lied stammt aus dem Ufa-Film „Der Blaufuchs“, der 1938 in Düsseldorf zum ersten Mal über die Leinwand flimmerte, und ist bis  heute  unvergessen. Den Textdichter, der Zarah Leander den Text auf den Leib schrieb und sie zum Star des UFA-Films machte, kennen hingegen nur wenige. Es war Bruno Balz, dessen dramatische Lebensgeschichte das Lied in einem anderen Licht erscheinen lässt.

Bruno Balz

TEXTDICHTER, EINE NEUE BERUFSBEZEICHNUNG

Bruno Balz, am 2. Oktober 1902 in Berlin-Prenzlauer Berg geboren, schrieb schon als kaufmännischer Lehrling Gedichte, mit denen er an Zeitungswettbewerben teilnahm. Bereits damals wusste er, was er werden wollte: Textdichter. Das war eine Berufsbezeichnung, die es bis dato noch gar nicht gab. Balz, so sagt man, habe den Begriff erfunden. Im Laufe seines Lebens verfasste er mehr als 1000 Liedtexte und prägte wie kein anderer die deutsche Musik- und Schlagerkultur. Für rund 170 Filme lieferte der Berliner die passenden Schlager, darunter auch für den allerersten deutschen Tonfilm „Dich hab’ ich geliebt“. In dem polnischen Komponisten Michael Jary (eigentlich: Maximilian Jarcyik) fand er einen kongenialen Partner. Gemeinsam mit Zarah Leander waren sie ein unschlagbares Team, das in der Szene als „Trio infernal“ bekannt war. Balz schrieb aber nicht nur für Zarah Leander, sondern alle Größen der Zeit: für Leo Slezak „Auf der Heide blüh’n die letzten Rosen“ (1935) – in den Augen von  Herbert von Karajan das schönste Volkslied des 20. Jahrhunderts, für Heinz Rühmann „Ich brech die Herzen der stolzesten Frau’n“ (1938) und „Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern“ (1939), für Rosita Serrano „Roter Mohn (1938), für Johannes Heesters, Willi Forst, Ilse Werner und Marika Rökk.

ICH WEISS, ES WIRD NOCH MAL EIN WUNDER GESCHEH’N

Wegen seiner Homosexualität, die damals nach § 175 des Strafgesetzbuches unter Strafe stand (der sogenannte Schwulen-Paragraf wurde erst 1994 in Deutschland abgeschafft), kam Balz während des Nazi-Regimes auf die Rosa Liste Berlin. Er musste acht Monate in das Gefängnis Plötzensee und wurde, weil ein homosexueller Textdichter nicht in das geltende Weltbild passte, nach seiner Entlassung mit einer blonden Bäuerin aus Pommern namens Selma zwangsverheiratet. Balz durfte nur mehr anonym arbeiten. Sein Name wurde gänzlich ausradiert und verschwand von allen Filmabspannen. Aber seine Texte sollten das deutsche Volk trotzdem bei Laune halten. 1941 wurde er erneut in Gestapo-Haft genommen und schwer gefoltert. Zarah Leander und Michael Jary intervenierten, und Balz musste innerhalb von 24 Stunden für den Film „Die große Liebe“ zwei Lieder für Zarah Leander schreiben, die nachträglich in den schon fertiggestellten Film „Die große Liebe“ eingebaut wurden. Balz fielen, wie durch ein Wunder, die Texte für „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh’n“ und „Davon geht die Welt nicht unter“ ein. Das rettete ihn vermutlich vor dem Transport ins Konzentrationslager. Mit 27 Millionen Zuschauern wurde „Die große Liebe“ nicht nur der wichtigste Propagandastreifen der NS-Zeit, sondern der erfolgreichste deutschsprachige Film aller Zeiten.

Bitterböse Ironie des Schicksals: Nach Kriegsende wurde der Textdichter von den Allierten wegen dieser als Durchhaltelieder deklarierten Lieder angeklagt. Er geriet unter Beweisnot und musste sich gegen seinen Willen als Homosexueller, der zur Zwangsehe verpflichtet wurde, outen. Bruno Balz wurde freigesprochen und konnte seine Karriere fortsetzen. Seine ungeliebte Frau Selma hielt aus Statusgründen an der Ehe fest, auch als er 1960 den Maler Jürgen Draeger kennen lernte, mit dem ihn von da an eine lebenslange Beziehung verband.

WIR WOLLEN NIEMALS AUSEINANDERGEH’N

Auch Weihnachten ging nicht spurlos an Bruno Balz vorbei. 1958 bat ihn der amerikanische Komponist Irving Berlin „White Christmas“ ins Deutsche zu übertragen. In der Interpreation von Bing Crosby wurde dieses Lied zur meistverkauften Single aller Zeiten. Bruno Balz machte aus „I’m dreaming of a white Christmas“ Bruno Balz kurzerhand „Süß klingt der Engel Chor: Weihnacht“. Zwei Jahre später entstand „Wir wollen niemals auseinandergehn“. Balz hatte den Text für Zarah Leander geschrieben, die 1942 in ihre schwedische Heimat zurückgekehrt war und jetzt in Deutschland ein Comeback feiern wollte, die Melodie komponierte Michael Jary. Er war es auch, der durchsetzte, dass die 17-jährige Heidi Brühl das Lied interpretierte und nicht Zarah Leander. Obwohl es der größte Hit wurde, den Balz und Jary mitsammen schufen, ging die fast 30-jährige Freundschaft der beiden in die Brüche. Von wegen: „Wir wollen niemals auseinander gehen!“ Balz zog sich ins Privatleben zurück. Dieser Erfolg, so dachte er, wäre nicht mehr zu toppen. Wie man sich doch täuschen kann! 1967 suchte der Sänger und Manager Wolfgang Roloff, besser bekannt unter dem Namen Ronny, ein Lied für einen kleinen holländischen Jungen namens Heintje. In Balz’ Schreibtischlade lag seit Jahren ein auf  einem Tonträger bis dato unveröffentlichtes Lied, das der Startenor Beniamino Gigli ohne großen Erfolg 1941 in einem italienischen Film gesungen hatte. Balz überließ Rolloff den Text. Der Rest ist Geschichte. Wenn Heintje „Mama“ schmetterte, flossen nicht nur die Tränen von Millionen Frauen, sondern auch die Tantiemen. So viel, dass Balz mit dem Geld ein SOS-Kinderdorf errichten ließ.

BRUNO-BALZ-ARCHIV IN BERLIN

Bruno Balz starb am 14. März 1988 im 85. Lebensjahr und wurde auf dem Friedhof in Berlin-Wilmersdorf begraben, wo auch Robert Biberti, Sänger der Comedian Harmonists, und der Komponist Theo Mackeben ihre letzte Ruhe fanden. In einem Nachruf schrieb die FAZ: „“Bruno Balz hatte einen Hauptanschluß an die unterschwelligen seelischen Bedürfnisse seiner Zeitgenossen: er beherrschte die Kunst, in einer Liedzeile das, was jeden bewegte, wie in einer Schlagzeile zusammenzufassen. Witz, Charme, Gefühl, Sentimentalität, alles stand ihm zu Gebote, das Geflüster so unfehlbar wie das Pathos. Auf seine Weise war er – nehmt alles nur in allem – ein Genie.““ Balz legte testamentarisch fest, das bis zehn Jahre nach seinem Tode keine privaten Details aus seinem Leben veröffentlicht werden durften. „Niemand kennt mich. Zehn Jahre nach meinem Tod werden auch meine Lieder vergessen sein““, meinte er. Doch er sollte nicht Recht behalten. Universalerbe und Nachlassverwalter wurde sein Lebensgefährte Jürgen Draeger, der nun bemüht ist, Balz seine Geschichte wiederzugeben. Er tut dies mit viel Liebe und Akribie. Anlässlich des 100. Geburtstags erschien eine Doppel-CD unter dem Titel „Der Wind hat mir ein Lied erzählt“, die 36 Original-Titel von Bruno Balz enthält – ein Best of aus mehr dreißig Jahren. Das Booklet illustrierte Jürgen Draeger. Auf einer umfassenden Homepage kann man in das Werk von Bruno Balz eintauchen. Seit 2011 befindet in der Oranienburger Straße 21 in Berlin, direkt am Monbijou-Park das Bruno-Balz-Archiv, das nach Voranmeldung öffentlich zugänglich ist. Darin befindet sich  historisches Mobilar aus den 1930er Jahren, darunter der Barschrank, den Zarah Leander Bruno Balz geschenkt hat.

Das Porträt, das Bruno Balz als 33jährigen zeigt und von dem Fotografen Walter Jaeger stammt, wurde uns vom Bruno-Balz-Archiv dankenswerterweise zur Verfügung gestellt.