Das Glück ist ein Vogerl

 von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Neues Jahr, neues Glück! Und so wären wir auch schon mitten im Thema. Glück kommt selten allein, behauptete der Kabarettist Eckhart von Hirschhausen bereits 2009, dennoch bis heute ist der Glücksboom auf dem Büchermarkt ungebrochen, wie die Stapel an Lebenskünstlerliteratur und Glücksratgebern beweisen. Ob Dalai Lama, Murphy oder Hirschhausen: Jeder verkauft seine eigene Version vom Glück und findet massenweise Käufer, die so ihrem persönlichen Glück auf die Sprünge zu helfen wollen.

Gilt das auch für die Musikbranche? Wenn ja, wie definieren die einzelnen Textdichter Glück? Begeben Sie sich mit mir auf zugegebenermaßen nicht  sehr ergiebige Spurensuche durch das letzte Jahrhundert. Fangen wir im Fin de siecle an. Da hatten die Karl Haffner und  Richard Genée, die Librettisten von Johann Strauß, herausgefunden, dass das Glück im Vergessen läge. Wer kennt sie nicht, die berühmte Arie aus der Fledermaus: „Glücklich ist, wer vergisst, was nicht mehr zu ändern ist…“?  Ein Zitat, das zum geflügelten Wort wurde und auch hundert Jahre später als Aufforderung gilt, sich mit dem Unabänderlichen abzufinden.

Und auch Alexander von Bizcó ging das Thema, wie es sich für einen Wiener gehört, eher heiter-philosophisch an. In dem Lied „Das Glück ist ein Vogerl“, das er anfangs 20. Jahrhunderts schrieb, geht es um die Flüchtigkeit des Augenblicks. „Das Glück ist ein Vogerl“ ist ein Satz, der Einzug in den täglichen Sprachgebrauch der Österreicher gefunden hat  und vor dem sogar die Lotteriewerbung nicht halt macht.

Nun aber ein Sprung die in jüngere Vergangenheit. Wer erinnert sich noch an den fröhlich-naiven Ohrwurm von Salvatore Adamo aus den Siebzigern? „Ein kleines Glück wird einmal groß. Wenn du nur warten kannst, dann fällt es auch in deinen Schoß…“ Oder an Reinhard Meys Lied „What a lucky man you are“? Hier  besingt Reinhard Mey das überbordende Glück, das ihm seine Familie bescherte. Herbert Grönemeyer widmet den Song „Glück“ seiner verstorbenen Frau. „Seit ich dich kenne, trag ich Glück im Blick.“ Und auch Hartmut Engler, Sänger von Pur, kriegt Glücksgefühle, wenn er an seine Liebste denkt: „Hör gut zu, du bist mein Glück und ich sing dir meine Lieder…“  Welche Frau könnte da widerstehen? Die Toten Hosen kommen ebenso wenig am Thema vorbei und begeben sich auf eine eher theoretische Glückssuche. „Wir sind auf dem Weg zurück, auf dem Weg zurück zum Glück.“

Abschließend noch eine Kurve nach Wien und zur Liebe. Nicht nur für Fans der Strottern, zwei geniale Musiker, die dem Wienerlied eine neue, zeitgemäße Dimension verleihen, ist die  gleichnamige CD „Das größte Glück“.  Den Titelsong, der von Franz Paul Fiebrich stammt, wurde zur gleichen Zeit wie „Das Glück is a Vogerl“ geschrieben.   „Wia schee war’, wann auf der Wöt nua die Liab wohnen tät…“ Die Sehnsucht nach Liebe und Glück ist vermutlich so alt wie die Menschheit selbst. 

Ach ja, was ich noch sagen wollte: Viel Glück im neuen Jahr! Und solltet Ihr noch andere Lieder zum Thema kennen, dann lasst es mich bitte wissen.

Donaustrom und Steckerlfisch

von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Buenos Aires hat den Tango, Lissabon den Fado, Paris das Chanson und Wien das Wienerlied – ein unverwechselbarer Ausdruck des Lebensgefühls in dieser Stadt. Zwei, die das Wienerlied entstauben, vom Kitsch befreien und wieder dort verankern, wo es herkommt – in der Weltmusik – sind Die Strottern.

Klemens Lendl und David Müller sind zwei Herzblutmusiker mit einem Wiener Schmäh der besonderen Art – unaufdringlich, zart, poetisch, a bisserl bös, a bisserl morbid. Ihr Name ist Programm. Strottern ist ein Altwiener Ausdruck für Leute, die nach Verwertbaren suchen. Die zwei stöbern im Wiener Liedschatz  und fördern in Vergessenheit geratene Perlen zu Tage. Das schon seit über zehn Jahren. Und wenn sie  gerade nichts finden, vertonen sie ihre eigenen Texte und besonders gerne die des Wiener Dichters Peter Ahorner. Texte, die vom Leben in der Großstadt erzählen und wie die Bewohner den Alltag bewältigen: mit tiefgründigem Humor, Melancholie und den handelsüblichen Betäubungsmitteln. “Man nehme eine Geige, lasse sich durch Klemens Lendl passieren, eine Gitarre, die auf einem David Müller nicht rasten darf und gebe den Herren Lendl und Müller Zeit, bis die Vertonungen kongenial aufgehen“, so beschreibt Ahorner das Erfolgsrezept. Dass die drei zusammenpassen wie der Donaustrom zum Steckerlfisch, so O-Ton Lendl, konnte ich mich kürzlich im Orpheum in Graz überzeugen, wo die drei im Rahmen des Literaturfestivals  auftraten.

Was die Strottern ausmacht, ist das Zusammenspiel von Sprache, Musik, Moderation und Mimik. Sprachbarrieren gibt es keine. Ihre Lieder versteht man auch außerhalb der Landesgrenzen – egal ob in Berlin, in Washington, in Indien oder auf der Zugspitze. Dort hatten sie in steiler Bergeshöh’ ein Blind Date mit Stefan Noelle und Alex Haas, zwei ebenfalls außergewöhnliche Musiker, die sich Unsere Lieblinge nennen. (Übrigens: Stefan Noelle ist auch ein ExCELLEnt.) Dabei entstand ein äußerst origineller Film „Lieblings Lied trifft Wiener Schmäh“, den das Bayrische Fernsehen 2006 drehte.

Gerade haben die Strottern ihre 7. CD, „Das größte Glück“, auf den Markt gebracht. Nun wurde sie in der Liederbestenliste zur CD des Monats gekürt. Mein Favorit: „Sie war’n net dafür“, ein Titel, den der legendäre Kurt Sowinetz in den 1970er Jahren sang.

„…sollst leben, Fritz!“

von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Wir saßen im Gastgarten der „Klause“, und ließen Fritz hochleben, der seinen 50. Geburtstag feierte. Nur noch ein Handvoll Freunde waren übrig geblieben, die zu vorgerückter Stunde über das Leben, die Liebe und den Wein philosophierten. Plötzlich wurde Fritz sentimental, redete vom Sterben und von dem Lied, das man dereinst bei seinem Begräbnis spielen sollte. „Ein echtes Wienerlied“ von Roland Neuwirth. Das Lied beginnt mit den Worten: „Er hat an Abgang g’macht, er hat die Batsch’n g’streckt, er hat a Bankl g’rissen, hat sie niederg’legt…“ und zählt die vielen Möglichkeiten auf, die der Wiener findet, um dem Tod zumindest klanglich die Schwere zu nehmen. Wusste Fritz bereits damals, dass sein Ende nahe war?

Fritz Kohles war in Salzburg bekannt wie ein bunter Hund. Er war das, was man ein Original nennt. Unübersehbar in seiner imposanten Erscheinung. Ehemaliger Postbeamter, Beislwirt, Schauspieler, Sänger, Menschenbeobachter und Menschenfreund. „Seine Bühne war der Alltag, und er hatte uns alle im Repertoire“, brachte es der Literat Karl-Markus Gauß, ein Freund aus Jugendtagen, in seiner Abschiedsrede auf den Punkt. Am 17. Jänner 2006 war Fritz gestorben. Nicht ganz unerwartet, aber doch viel zu früh.

Ein Jahr später konnte ich ihm seinen letzen Wunsch erfüllen. Gemeinsam mit Markus Grüner veranstaltete ich in der Arge Kultur ihm zu Ehren unter dem Titel „… sollst leben!“ einen poetisch-musikalischen Abend, der sich um das Leben und das Sterben und den Wein drehte. Und an dem „Ein echtes Wienerlied“ gesungen wurde – von Roland Neuwirth höchstpersönlich. Er hatte sofort zugesagt, als ich ihn bat, bei dieser Hommage aufzutreten. „Wer sich von mir und den Extremschrammeln den Abgesang wünscht, muss ein Gesinnungsgenosse sein“, meinte er. Und er sang auch eines meiner Gstanzln, das Fritz im Brechelbad in Seeham-Webersberg im September 2005 zum Besten gegeben hatte, gleichsam eine Lebensphilosphie in vier Zeilen: „Fühl mi oiwei maroda, oba erst oisa Doda sauf i a Soda – entweder oda!“ (Eine Übertragung ins Hochdeutsche wird auf Wunsch nachgereicht!)

Richard Pertlwieser und Peter Kronreif, zwei langjährige Freunde und Künstlerkollegen, hatten den literarischen Part über. Pertlwieser las Fritz’ Lieblingstexte von Helmut Qualtinger, Anton Kuh und Friedrich Achleitner, Kronreif rezitierte aus seinem eigenen Werk. Und begeisterte damit auch Doris Windhager, die wunderbare Sängerin der Extremschrammeln,  The Golden Voice aus Hernois. Es wurde ein unvergesslicher Abend, nicht nur, weil der Orkan Kyrill über die Stadt fegte und dabei die Dächer von den Häusern riss und Roland Neuwirth den Hut vom Kopf.

„Es wird a Wein sein, und wir wer’n nimma sein!“, prophezeit ein altes Wienerlied. Ehe dieser Fall auch bei mir eintritt, werde ich schnell noch… nein, kein Apfelbäumchen pflanzen, sondern ein Kohles-Gedächtnisachterl trinken. Und mich dabei erinnern, wie Fritz als Wirt der „Klause“ Kritik an seinem vergorenen Rebensaft vom Tisch zu wischen pflegte. „Das ist ein ehrlicher Schankwein!“, brummte er. Diskussion beendet! Widerspruch zwecklos!

So ein Mensch ist einfach unersetzbar.