Zeitgeistbelauscher
(zu Buchseite 17)

Der „eine Hit für fast alle“ ist bei der Breite der heutigen Medienlanschaft, in der alles für jeden auffindbar ist, fast unmöglich geworden. Das bedeutet: Mit einem einzelnen Lied verdienen Sie sehr viel seltener als früher das große Geld. Wie man Erfolg anlocken kann, ist aber gleich geblieben: Mit offenen Augen und Ohren und der Fähigkeit, Aufgeschnapptes wirkungsvoll umzusetzen.

Ein großer Zeitgeistbelauscher war Kurt Feltz (1910-1982).
Mit „Es geht alles vorüber“ (1942) artikulierte er die Sehnsucht nach einem Ende des Krieges. „Wer soll das bezahlen“ fragte er 1949, als die Währungsreform wieder Waren in die Ladenregale brachte, aber auch viele Wünsche unerschwinglich bleiben ließ.  Mit „Es geht besser, besser, besser“ traf er die Aufbruchstimmung des Wirtschaftswunders und das neu erwachte Selbstbewusstsein der Deutschen – nicht ohne eine gewisse (Selbst-)Ironie.

Ein König unter den „Aufschnappern“ ist Erich Öxler (Celler Schule 2000). Wir trafen uns zufällig, 2002 oder 2003, und er erzählte von einem Spruch. Keiner von uns kannte den, obwohl wir ihn alle schon gehört hatten. Wir hatten ihn aber nicht wahrgenommen. Nur Öxler – der hatte ihn aufgefangen:
„Wie geil ist das denn“

Erich Öxler sagt dazu:

Ich hab den Spruch damals von drei, vier Leuten häufiger gehört und fand den irgendwie schräg. Und: er hat eine „Eigenmelodie“, die flüssig und rund klingt – der Satz groovt irgendwie von selbst.
Der Satz: „Wie geil ist das denn – das geht ja gar nicht“ kam in dem Zusammenhang auch immer häufiger – auch den zweiten Satz hab ich im Text verbraten. Ich versuche permanent „die fallenden Äpfel der Umgangssprache“ zu fangen und im Idealfall schon beim Reifeprozess zu belauern, damit ich den Apfel auch sicher nicht verpasse. Gerade bei Partymusikthemen und Popschlagern ist das ein schönes Mittel, um schnell Aufmerksamkeit für Songs zu bekommen. Der Song lief auf Mallorca und in den Partytempeln sehr gut. Diverse Kopplungen und viele Einsätze bei Karnevals-Liveauftritten haben ihn sich rentieren lassen.

„Luftgeerntetes Fallobst“ – dieser Begriff wurde von Christof Stählin geprägt, einem Liederpoeten, der in seiner SAGO-Akademie seit vielen Jahren den Nachwuchs fördert und unterrichtet. Fangen Sie den Apfel auf, belauschen Sie den Zeitgeist. Das ist Ihre Chance, sich abzuheben – von den vielen anderen, die auch die Form beherrschen, denen aber die Antenne fehlt.

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