Anti-Imposter-Schild: Hans-Bradtke-Förderpreis 2023 geht an Lucie Mackert

Von Turid Müller

Im Rahmen des Abschlussabends der Celler Schule wurde wie jedes Jahr der Hans-Bradtke-Preis vergeben.  Lucie Mackert, die „Macke“ in „Mackefisch“ hat ihn erhalten, und eine Kostprobe aus dem gemeinsamen Programm zum Besten gegeben. 

Die Preisträgerin mit dem Leitungs-Team der Celler Schule (Foto: Peter Heske)

Lucie Mackerts Weg zur Musik führte über die Theaterbühne: „Ich habe nach der Schule Schauspiel studiert und dann erstmal viel Theater gespielt, aber nach ein paar Jahren gemerkt, wie sehr mir das Liederschreiben und Musikmachen fehlt, was ich schon als kleines Mädchen und dann durchgängig bis zum Schauspielstudium viel gemacht habe. Daher habe ich dann mein festes Theaterengagement aufgegeben und parallel zu Gasttheaterengagements diverse musikalische Projekte gegründet und ausprobiert, was auch alles ganz toll war. So ist auch die One-Woman-Band entstanden, die es ja auch als Teil von Mackefisch noch gibt.“
Die Zeit in der Celler Schule hat die Künstlerin im Hinblick auf diese Arbeit sehr beflügelt:

Celler Schule Jahrgang 2023 (Foto: Peter Heske)

„Unglaublich, was ich in der Zeit in der Celler Schule alles gefunden habe: Inspiration, Wissen, Werkzeuge, neue Freunde, und so viele Quellen für Begeisterung und Neugier. Das allein war schon so viel, dass ich immer noch am verdauen bin. Und dann hat man mir auch noch diesen Preis mitgegeben: den Hans-Bradtke-Preis! Wow! Eine riesengroße Ehre und ein fabelhafter Anti-Imposter-Schild. Vielen Dank dafür!“

Mackefisch (Foto: Max Saufler)

Als Anti-Imposter-Schild sollte eigentlich auch der große Erfolg ihrer Kleinkunst-Kombo taugen – um nur die jüngsten zu nennen:  Ein TV-Auftritt bei Ladies Night und die Nominierung für den Preis der Deutschen Schallplattenkritik für das aktuelle Album HARMONIEDERGANG.  Klar, dass das gemeinsame Projekt mit Duo- und Lebenspartner Peter Fischer (Celler Schule 2018) zurzeit bei der Lucie Mackert im Fokus steht: „In diesem Jahr habe ich nun die Theaterengagements und anderen Projekte zugunsten von Mackefisch fast alle abgespielt und freue mich total drauf, konzentriert an den eigenen Liedern zu arbeiten. Die Celler Schule kam da auch zeitlich goldrichtig, um mir für mein eigenes Songwriting noch weiter den Rücken zu stärken. Besonders toll ist natürlich, dass Peter auch in der Celler Schule war und wir auch immer häufiger gemeinsam an Liedern arbeiten, das ist eine sehr besondere Situation.“
Der Hans-Bradtke-Förderpreis wird seit 2021 im Rahmen der Songtexter Masterclass an ein Nachwuchs-Talent verliehen. Ins Leben gerufen hat ihn die Tochter des Namensgebers: Barbara Berrien. Hans-Bradtke war ein Textdichter, Zeichner und Karikaturist. Man kennt ihn zum Beispiel durch den sommerleichten Ohrwurm „Pack die Badehose ein!“. Ganz andere Themen treiben hingegen die aktuelle Preisträgerin um:

Lucie Mackert und Peter Fischer in Springe (Foto: Peter Heske)
„Beim Texteschreiben habe ich immer wieder den Wunsch, die Themen, die mich beschäftigen, die mir vielleicht sogar Sorgen oder Angst bereiten, durch Leichtigkeit, Humor und skurrile Bilder zu entwaffnen. Dass ich Teil der Celler Schule sein durfte, hat mir sehr dabei geholfen, dieses Ziel weiter zu verfolgen. Dass ich nun auch noch den Hans-Bradtke-Preis bekommen habe, benannt nach einem Textdichter, der es geschafft hat, Lächeln und Sehnsucht extrem erfolgreich in Lieder zu verpacken, gibt mir Rückhalt auf diesem Weg, den ich gerne, aber manchmal auch mit angehaltenem Atem gehe. Vielen Dank!“

Celler Schule 2022 – Rückblick & Eindrücke

von Miriam Geißler

 

Und dann kam die Zusage der Jury:
Zwei ersehnte Wochen Celler Schule 2022… Zwei Wochen – nur mit Schreiben und dem dazugehörigen Drum und Dran verbringen, komplett abgeschirmt von der Außenwelt. Zwei einzigartige Wochen, vollgepackt mit Schreiben und unsagbaren Übungen und Geschenken, zwei Wochen Emotionen pur! Zwei Wochen voll mit Input, geistreichen Gesprächen, Wortwitz und Spannung. Leider auch mit einer vorauseilenden Erwartungshaltung à la Carte:

 

Wird mir das hier schmecken? Hab ich genug Appetit dabei? Hätte ich mich vorher mehr drüber informieren sollen? Und wenn ich nun das Falsche bestellt habe…?!

Wir könnten es aber auch einfacher formulieren: Die anderen und ich und das doofe Vergleichen. Das mulmige Gefühl, „alle anderen sind zu Recht hier, nur bei mir kann sich die Jury doch nur vertan haben“. Überraschung: Alle fühlten sich so. Dabei möchten wir im Grunde unseres Herzens doch alle dasselbe: Menschen mit den Texten unserer Lieder einladen auf eine einzigartige, wunderbare Reise. Und unsere Reise hat uns jetzt hierhergeführt. Celler Schule, yes! WIR haben es hierher geschafft:

Diane Weigmann, Berlin: Singer/ Songwriterin, im Pop zu Hause, kann auch Schlager, hat schon verdammt geniale und zahlreiche Veröffentlichungen vorzuweisen. Ach so: Kinderlieder schreibt – uns singt – sie auch. Und wir vergessen glatt, dass wir schon groß sind. Wenn Diane sich mit der Gitarre begleitet und dazu singt, wird uns sofort warm ums Herz.

 

 

Laura Hempel, Leipzig: Künstlername „Laura Liebeskind.“

Ihre Texte sind wie sie selbst: Ehrlich, echt, bittersüß, manchmal verspielt und ziemlich grandios poetisch. Mit ihr haben wir 2022 eine wahre Perle des Schreibens von feengleichen Texten, was sich dann nicht nur in ihrer Stimme widerspiegelt, sondern auch in ihrem unvergleichlichen, Klamottenstil. Jeden Tag ein anderes Wesen.

 

 

Erik Stenzel, Nürnberg:
Umweltaktivist und Liedermacher aus Nürnberg, knallhart (selbst-) kritisch mit sich und seiner Umgebung Hashtag: Change the System. Aussage meets Haltung. Das zu schildern, würde jetzt ausufern, also fragt @Erik am besten selbst. Verraten sei, was er im Nachgang über die Celler Schule sagt:

„Wenn wir die Dopaminausschüttung auf dem cellestrischen Planeten irgendwie chemisch nachbauen könnten, hätten wir wohl die beste Droge der Welt erfunden…!“

 

Melanie Lokotsch, HILLA, Nürnberg: Singer/Songwriterin aus Nürnberg, schreibt für ihr eigenes Künstlerprojekt, wie auch für andere in Pop und Schlager. Hat einen typischen Popsound und dieses dazu passende Flair in ihrer Stimme, worauf sie sich schon echt was einbilden könnte (was sie aber nicht tut!). Ihr innerer Hausmeister heißt Manfred, wie sie uns gleich zu Beginn erzählt. Wir alle haben auch so einen, der uns im Weg steht und stresst. „Also los, Melli! Wir sperren deinen und unsere in den Keller und da sollen sie dann bitteschön vor sich hin (ver-)modern….!!!“

 

Daniel Abozen, Hamburg, worteliebender R&B – Künstler, immer ein Lächeln auf den Lippen, produziert und schreibt für sich selbst, unterschätzt sich gerne. Aber nur solange, bis er hier in der Gruppe aus sich raustreten und die Begeisterung echt nicht ignorieren kann. Braucht ihr einen Soulman? Mit einer coolen Portion Battle Rap im Blut?
HERE ist euer Mann! Ach so: Klavierspielen kann er auch noch. Mehr als er denkt, tatsächlich.

 

Beni Hafner, OIMARA, Tegernsee: bayrischer Liedermacher und Wortakrobat, nördlich des Weißwurst-Äquators noch deutlich unterschätzt. Auf Zuruf erfindet er (Song-) Texte, während er sich selbst an der Gitarre begleitet. Ob es um Fledermäuse oder Glitzerstaub geht, er haut es raus. Beni: Du hast seit dem ersten Tag, am 19.06., mindestens 9 Fans mehr…! Wir lassen das mal offen, ob da vielleicht doch dein virtuos rhythmische und facettenreich gemetzelten Gitarrenspiel dafür verantwortlich ist.

 

Corinna Fuhrmann / Lucy van Kuhl: Schon allein ihr Künster*innenName ist so „cool. Ihr Klavierspiel setzt noch eins drauf. Eine Tastenvirtuosin vom Feinsten, die sich nicht scheut, das auszusprechen, was andere nur denken könnten… Ob Deutsche im Urlaub oder ein verkorkstes Eheleben: Lucy – Du bist echt sowas von cool!!!!“ Wie schön, dass du ein zweites Mal dabei bist. Wobei dein zweites Mal für uns ja das erste ist.

 

Andy Guder, Dresden: Wie heißt das doch so schön? Stille Wasser sind tief? Oder einfach nur: „ok, ok, Punkt, Punkt, Komma, Komma und komm ´ma und bring endlich mal den Müll raus…!“ Andy ist wohl der Input und Meilenstein dessen, was man „erfolgreiches Gold im Textdichten durch wahre Kunst im Hintergrund“ nennt: Ein Arzt? Und SO ein Poet? Danke, Andy! Du bist ein wahres Goldstück an Überraschungen und geistreichem Wortwitz. Bleib bloß so wie du bist und heile uns weiter mit deiner, eben genau dieser Medizin.

 

Marius Fietz / Farjus, Berlin

Textdichter und Produzent mit Ballermann – Talent, Einflüssen an poppigen Sounds und Poet im Pop mit einer knallvollen Tüte an Ideen für neue Schlager…! Dieser Kerl ist auch so ein Allround – Paket; ist dir das bewusst, lieber Marius? Leider kamst du drei Tage später zu uns, jedoch ist das aufgrund deines kommunikativen Rundumfaibles kaum aufgefallen. Und deine offenen und direkten Sprüche von „Knall die Torten auf den Tisch, Manuela“ bis hin zu „Du bist drüber“ sind uns so ans Herz gewachsen, dass wir unbedingt weiter sehen – und hören! – wollen, was dir da noch so an krassen Texten einfällt…!)

 

Miriam Geißler, Nürnberg
Das bin ich
Schon wieder Nürnberg? Und dann auch noch so eine, die „irgendwie echt so n bisschen drüber ist:“ Eine mit Hingabe für Glitzersternchen und funkelnde Diamanten, die vom Mond bis zur Sonne strahlen, am liebsten noch gleich das Mondlicht mit einbeziehen und dann auch wieder zurückfinden wollen? Ist das vielleicht etwas viel auf einmal? Aber wenn man sich nun mal für Kinderlied, Pop, (Pop-) Schlager, Chanson und allgemein für das Connecting interessiert? WAS soll unsereins dann nur auf diesen Zettel, mit dem man sich hier im Nestwerk bei der Celler Schule zeigt, schreiben? Dass ich Klavier spiele und dazu singe, mein eigenes Duo ZWEII nach vorne bringen will, währenddessen Texte für andere Interpret*innen in der wunderbaren (Pop-) Schlagerbranche schreibe…. Was? Naja. In der Glitzerwelt ist viel erlaubt und zum Träumen ist es ja – generell – NIE ZU SPÄT, ODER?

Celler-Bibel goes University: Ladina prüft Songwriting-Regeln aus DEM HANDBUCH

Von Turid Müller
Wird ein Songtitel eher als Titel wahrgenommen, wenn er Teil der Hookline ist? Wird das durch Wiederholung unterstützt? Bleiben Wörter auf Power Positions den Hörenden eher im Gedächtnis? – Diesen und anderen Fragen ist Ladina Vaigt in ihrer Abschlussarbeit im Bereich Multimedia Production an der Fachhochschule Kiel nachgegangen…

„Ich bin seit 2017 viel für Songwriting Session unterwegs gewesen, durfte 2019 an der Celler Schule und am Schlagerland teilnehmen und habe seitdem im Pop, Schlager und Dance viele weitere Songs geschrieben,“ erzählt die ExCellentin.
Ihre musikalische Heimat ist also der Pop, und zwar der richtig „catchy-kommerzielle“, wie sie selbst sagt. Kurz: Die unter dem Pseudonym Ladina Viva schreibende Songwriterin kennt sich aus mit dem Thema, das sie beforscht: Catchiness – sprich: Eingängigkeit. Die im „Handbuch für Songtexter“ beschriebenen musikalischen Naturgesetzte dabei genauer unter die Lupe zu nehmen, war ihr ein ganz besonderes Vergnügen. Denn unter anderem durch Ediths und Tobis Buch, dass ihr Frank Ramond nahegelegt hat, ist sie auf die Celler Schule aufmerksam geworden: „Es war eine Riesenehre für mich, mit damals 20 Jahren dort teilzunehmen!!! Und ich bin mit meiner Celler Crew immer noch herzlich in Kontakt. Deshalb freut es mich um so mehr, dass sich der Kreis nun schließt und ich das Werk (meiner Vorbilder) in meiner Bachelor(ette)arbeit zitieren konnte!“

Knapp 100 Seiten umfasst ihre Untersuchung. Und ich darf vielleicht mal spoilern und verraten, was das durchgeführte Experiment ergeben hat – Fazit: Ja. Die Grundsätze aus dem Buch von Tobias Reitz und Edith Jeske sind nun empirisch belegt:
„Die Auswertung der Ergebnisse belegen die Funktionalität der Hookline Übereinstimmung, Power Position Positionierung sowie Wiederholungsanzahl. Wie sich herausstellte, begünstigt ein Song mit klassischer Popsongstruktur und einem prägnanten Songtitel die Wahrnehmung und Merkfähigkeit des Songtitels. Wenn diese Line der Hookline entspricht, wird sie […] häufiger als Titel wahrgenommen, als wenn der Titel unbetont mitten im Text steht. Je häufiger diese Hookline wiederholt wird, desto leichter wird sie als Songtitel wahrgenommen. Außerdem gilt, dass Wörter, die im Songtext an Power Positions positioniert sind, […] häufiger […] hängen bleiben als Wörter, die nicht an Power Positions platziert sind. Dementsprechend können diese Erkenntnisse als wirksame Methoden zur Gestaltung der Catchiness eines Songtitels für Songwriter bestätigt werden.“ – Wer mehr Details will, kann sich an die Popmusikerin wenden: music(at)ladinaviva.com – Und by the way: Die Dozierenden fanden die Arbeit wohl auch, wie Ladina sagt, „ganz nett“. Jedenfalls haben sie eine 1,0 vergeben.

Reinhören lohnt sich übrigens auch: Was sie im Corona Jahr so im lauschigen Home Studio an der Ostsee für andere DJs und Produzenten geschrieben und gesungen hat, erscheint meist hier (sowie auf Social Media unter Ladina Viva). Ansonsten arbeitet Ladina aktuell mit ihrem Producer in Berlin an ihrem englischsprachigen Pop-Solo-Projekt #power #glitter #cheers und macht nebenbei ihren Master in Medienkonzeption. – Mal sehen, welches Thema die Masterarbeit dann erforschen wird…

Mal unter uns… – Ein tiefer Blick ins Herz von Hape Kerkeling

von Turid Müller

Sein aktuelles Album zeigt den Künstler einmal ganz privat, ohne angeklebten Schnurrbart und ohne Rolle. Dafür aber mit viel Gefühl – transportier nicht zuletzt durch die Songtexte aus der Feder von Tobias Reitz.

„Da ist es nun. Das persönlichste Album in der Karriere von Hape Kerkeling. Und womöglich auch mein persönlichstes“, postet Tobias Reitz am 22.10., als Mal unter uns… das Licht der Welt erblickt. – Und so hat alles angefangen:
„Vor einem halben Jahr rief mich Musikproduzent Christian Geller an und erzählte von seiner Idee. Ich war wirklich nervös. Hape Kerkeling? Im Ernst?
Hape ist mein Hero, in vielerlei Hinsicht. Ich bewundere ihn für seine Komik, seine Improvisationen, seine Figuren, seine Vielseitigkeit und seine Art mit dem Publikum umzugehen. Wenn ich auf der Impro-, Moderations- oder Workshopbühne stehe, hab ich seine Stimme oft im Ohr. Er ist in Sachen Bühnenarbeit – warum schreib ich’s nicht einfach ganz ehrlich – mein Vorbild. Vor allem aber bewundere ich ihn dafür, dass er irgendwann die Hosen runtergelassen und wahrhaftig aus seinem Leben erzählt hat.
Ich war sogar mal sein Promoter, 2007, als Horst Schlämmer „Schätzelein“ sang und ich mich noch bei der Ariola ums Online-Marketing gekümmert habe. Kennengelernt hab ich ihn nie und eigentlich wollte ich das auch nicht. Ich hatte das Gefühl, meinem Bild von ihm kann ein normal sterblicher Mensch überhaupt nicht standhalten.
Vollkommen starstruck ging ich nun ins Telefonat, das Christian Geller arrangiert hatte.
„Sag mir, was ich schreiben soll“, sagte ich.
„Nein“, sagte Hape. „Schreib bitte das, was DU für richtig hältst. Schreib, wie du mich siehst! Du machst das schon.“
Wenn ein Künstler dir (ohne dass man sich gut kennt!) ein solches Vertrauen signalisiert, ist das beflügelnd und beängstigend zugleich. Heute weiß ich: Die Ansage „Schreib, wie Du mich siehst!“ hat mir nicht nur viel erlaubt, sondern auch den Spiegel vorgehalten. Ich habe wohl nie so viel künstlerisch über mich selbst erzählt wie auf diesem Album.“

Doch auch Hape Kerkeling fühlt sich ganz offensichtlich gut abgeholt. Den Opener des Albums, Der Weg nach Haus, beschreibt er im Promo-Video mit folgenden Worten: Anstelle einer Visitenkarte könnte ich Leuten auch sagen: Hör dir den Song an, und dann kennst du mich!“

Auf der CD ist auch eine berührende Hommage an seine Großmutter – diese bestärkende Stimme, die sich vermutlich in Der Junge muss an die frische Luft der ganzen Bundesrepublik ins Herz gepöttelt hat. Und auch Vereinsamung und Spaltung durch die Pandemie bleiben nicht unerwähnt. – Der Leerlauf in Krisenzeiten war übrigens auch ein Ideengeber für das Projekt. Da ist dem Entertainer nämlich zuhause „die Decke auf den Kopf gefallen“. Und darum gibt es nun eine Scheibe seiner niederländischen Lieblingssongs – mit deutschen Texten. Mehr Details hat er neulich auf dem roten Sofa ausgeplaudert.

Wenn auch in den Feuilletons nicht ganz unumstritten – „Mal unter uns…“ ist anders als andere Schlagerplatten, findet Tobias Reitz: „Wer in den letzten Jahren das große Gefühl, die Wertigkeit oder Wahrhaftigkeit im Schlager vermisst hat, wird hier hoffentlich fündig.“
Für ihn persönlich markiert das Album sein 20-jähriges Jubiläum in der Musikbranche: „Im Oktober 2001 wurde mein erster Text produziert.“ Übrigens kurz nach seiner Teilnahme an der Celler Schule, aus deren Leitungs-Team er heute nicht mehr wegzudenken ist.
Die Arbeit an der neuen Platte war für den Songtexter „eine grandiose Zeit“. Und er verrät auf seiner Facebookseite weiter:
„Man trifft in diesem Beruf die faszinierendsten Menschen. Manche begleitet man nur einen Schritt weit, manche viele Jahre lang. Ich bin gerade noch dabei die letzten Schritte zu sortieren und freue mich gleichzeitig auf die Begegnungen der nächsten 20 Jahre.“ – Aber das erwähnte er wahrscheinlich nur mal unter uns…

We Are One! – Eine starke Botschaft für Tokio und die Welt!

Von Turid Müller

Was ist heute für ein Tag? Heute beginnen die paralympischen Spiele! Dass das so wenige wissen, ist symptomatisch und soll sich ändern. Denn: Wir gehören zusammen! – Finden auch Claudia App und Lucy Snyder vom Schlager-Duo Herzgold…

Angelika Trabert (Weltmeisterin Para-Dressur-Reiten) & Kids, Uta Gräf (mehrfache Grand-Prix-Gewinnerin) und Lucy und Claudia von Herzgold

„Ich bin total stolz und glücklich, dass ich bei diesem tollen Projekt dabei sein darf!“ schwärmt Textdichterin Ilona Boraud (Celle 2015). „Es ist etwas ganz Besonderes, wenn man an einer offiziellen Hymne mitschreiben darf.“

Im Vorfeld haben sich Herzgold, Willy Klüter (ein langjähriger Partner der Celler Schule) und Ilona Boraud Gedanken gemacht, worum es darin gehen soll. Und schnell war klar, dass sie „nicht die Leistung in den Mittelpunkt stellen wollen, sondern das Miteinander“.

„Beim Dressurreiten bilden Reiter und Pferd eine Einheit. Damit stehen sie sinnbildlich für die Harmonie von Mensch und Natur“, sagt die ExCellentin. Und das beruhigt – nach allem, was wir bezüglich Reiten in den letzten Wochen aus Tokio gesehen haben…

Als Gemeinschaftsprojekt mit dem Deutschen Kuratorium für therapeutisches Reiten e.V.“ und dem Bundestrainer für die deutsche Para-Nationalmannschaft entstand die Idee zu diesem „Song, der nicht nur das Team für Olympia beflügeln soll“, sondern uns alle: „Wir sind alle zusammen vereint auf dieser Welt, haben die gleichen Träume und Ziele, egal welcher Nation wir angehören und unabhängig davon, ob mit oder ohne Einschränkung: We Are One„, heißt es in der Pressemitteilung. Außerdem ist der Song „der offizielle Team-Song der deutschen Para-Reiter Nationalmannschaft“!
Ilona Boraud erklärt: „Bei den olympischen und paralympischen Spielen kommen Athletinnen und Athleten aus aller Welt zusammen. Das olympische Motto lautet „Dabeisein ist alles“. Es geht um Völkerverständigung und die Sehnsucht, dass die Menschen auf der Welt friedlich miteinander umgehen. Eine Sehnsucht, die zu Pandemiezeiten noch deutlicher spürbar ist als sonst. Und natürlich geht es um Inklusion, dass Menschen mit und ohne Beeinträchtigung ja gar nicht so verschieden voneinander sind, sondern alle Menschen sind, die die gleichen Wünsche und Träume haben . Kurz: Es geht um Gemeinsamkeiten und nicht um Unterschiede. Das ist die wichtige Botschaft des Songs.“

Und die kommt an – im TV und in den Charts: Im Juli kaperte sie Platz 2 in den iTunes-Charts, Album, Germany, Welt! Und die Kommentare unter dem Video sprechen für sich…

Wie doll der Song mitreißen kann, zeigt zum Beispiel die Tatsache, dass Bernhard Fliegl, Bundestrainer der deutschen para-Nationalmannschaft, es sich nicht nehmen ließ, im Studio selbst ein paar Spuren einzusingen.

Ich hoffe, die Message wird noch viel mehr Spuren hinterlassen. Aber erstmal „Toi toi toi!“ für die Spiele, die heute beginnen!

Celler Schule 2021 – Danke!

David Bereuther

Von links nach rechts: Rainer Bielfeldt, Cornelia Vollmers, Tobias Reitz, Florian Hofmaier, Michaela Christ, Finn Vincent Moriz, Edith Jeske, Kirsten Mørk, Linda Stark, Sarah Muldoon, Martin Knoch, David Bereuther, Marie Diot (Julia Geusch). Foto: Peter Heske

„Ich werde ein anderer bleiben” – Der Satz von meinem lieben Co-Cellenten Flo geistert mir noch mehrere Wochen nach meiner Rückkehr aus Springe im Kopf herum. Das war sie also – die Celler Schule.
Und was war das jetzt? Ein Workshop? Eine Fortbildung? Ein Treffen mit Gleich-gesinnten? Ja schon, aber eben nicht nur das. Einfach weil diese zwei Wochen für mich – und vermutlich auch alle weiteren Teilnehmenden – doch viel viel mehr waren. Selten habe ich mich so sehr als Textdichter, als Künstler und als kreativer Kopf gefühlt, so viel guten Zuspruch und gleichzeitig so ehrliche Kritik bekommen wie in diesen zwei Wochen, selten so viele völlig unterschiedliche Charaktere kennengelernt, die gleichzeitig so unglaublich gut miteinander harmonierten. Auch habe ich noch nie so eine große Menge neuer Texte und Lieder unterschiedlicher Genres innerhalb kürzester Zeit geschrieben – eine Kreativexplosion!

David Bereuther & Rolf Zuckowski

Ich könnte es auch ganz schlimm so zusammenfassen: Hier bin ich Mensch, hier darf ich schreiben.

Damit es hier jedoch nun nicht ausschließlich um Schwärmerei von einer unvergesslichen Zeit geht, noch zwei Highlights aus diesen 14 Tagen – die beiden Feste der Celler Schule:
Auch dieses Jahr besuchte uns wieder Texter, Komponist und Sänger Rolf Zuckowski. Statt zur Schlussveranstaltung schaffte er es aus Termingründen zur Halbzeit als krönender Abschluss der ersten Woche. Wie letztes Jahr präsentierten die Teilnehmenden Rolf eine Neubetextung des Klassikers Leben ist mehr, das Rolf 2017 zur Unterstützung der Celler Schule persönlich gespendet hatte. Titel dieses Jahr: “Gute Ideen sind seltsame Freunde.” Rolf hat es sehr gefallen und für mich war es einfach ein Wahnsinn, diesen Helden meiner Kindheit (und vermutlich später einmal auch meiner Kinder) kennenzulernen. Danke Rolf fürs Dabeisein!

Tobias Reitz & David Bereuther

Auch der fulminante letzte Festabend der Celler Schule 2021 war ein Erfolg. Vor allem Tobias Reitz persönliche Umtextung von Rudi Carells Lalala mit je einer Strophe zu jeder und allen Teilnehmenden hat mich ganz schön umgehauen. Die anschließende Präsentation der innerhalb der letzten Wochen entstandenen neuen Stücke war dann ebenso vielseitig und bunt, von schrägem Chanson über berührende Pop-Ballade bis zu Partyschlager-Hit war so ziemlich alles vertreten – Tränen vor Lachen und Tränen der Rührung im munteren Wechsel. Als abschließendes Highlight dann noch großartige Beiträge von Ex-CellentInnen der letzten Jahrgänge. Nächstes Jahr werde ich auch als einer wieder dabei sein. Garantiert.
Ich nehme aus diesen zwei Wochen so einiges mit, wie schon gesagt, einiges mehr als nur frisches Wissen über Rhythmen, Reime und Rumspinnen neuer Geschichten. Ich komme mit einem anderen Gefühl für meinen Beruf als Textdichter und Komponist nach Hause, vielleicht sogar mit einem neuen Gefühl dafür, wer ich gerne sein will, oder sogar bin. Oder mit Flo: Ich werde ein anderer bleiben.

Freundschaft fürs Leben: Jahreshauptversammlung vom Freundeskreis Celler Schule

Von Turid Müller

Der Förderverein der Celler Schule, ins Leben gerufen, um der der Masterclass der GEMA-Stiftung auch auf dem Papier den richtigen Rahmen zu geben, tagte am 04. Juli. Dank moderner Technik waren alle Vereinsmitglieder (virtuell) anwesend. Teilgenommen wurde von unterschiedlichsten Orten aus – zu Wasser und zu Land.

Man mag es kaum glauben – aber: Hinter dem kreativen Treiben der Nachwuchs-Schmiede steckt mittlerweile auch ein gehöriger Batzen Vereinsmeierei. Glücklicherweise kann der junge Verein dabei auf die Unterstützung von Willi (Hans-Wilhelm Giere) setzen. Er begleitet die Vereinsmitglieder (und, wie er augenzwinkernd bei der Sitzung anmerkte, auch die „Mitgliederinnen“) mit kundigem Kopf durch den Bürokratie-Dschungel.
Dank gilt auch dem nach der Entlastung frisch verabschiedeten Vorstand – und ganz besonders Gordon Buschle für seine (wie es im Protokoll heißt) „Verdienste bei der Gründung des Vereins und die jahrelange Tätigkeit als Vereinsvorsitzender“.
Als neuen Vorstand können wir begrüßen: Hans-Wilhelm-Giere (1. Vorsitzender), Tobias Reitz (2. Vorsitzender), Peter Heske (Kassenwart) und Thomas Paul Schepansky (Kassenprüfer). Für die Zukunft hofft der Verein auf eine paritätischere Besetzung.

Was gibt es sonst Neues?
„In diesem Jahr wird von Barbara Berrien wieder eine Sonderspende für den Hans-Bradtke-Förderpreis auf dem Vereinskonto eingehen“; in Kürze wird es einen aktuellen Flyer für den Förderverein geben und die Planungen für die (Corona-bedingt) auf 2022 verschobene 25-Jahr-Feier der Celler Schule sind in vollem Gang.

 

Apropos Corona-Krise: Die Situation der Kulturbranche zeigt einmal mehr, wie wichtig solche Netzwerke und Strukturen für uns Kulturschaffende sind. Und leider auch, dass wir sie selbst aufbauen müssen, weil es sonst keiner tut. Der Förderverein ist ein starker Begleiter der Celler Idee. Und damit er noch stärker wird, freut er sich über Eure Unterstützung.

Making of:
Der erste LYRIKON geht an Edith Jeske

ein Beitrag von Edith Jeske

 

Was für ein Tag!
Eine hochkarätige Fachjury hat mich ausgewählt für den LYRIKON.

Beim Sommerfest des Deutschen Textdichterverbands 2020 hätte mir der Preis verliehen werden sollen. Wegen Covid-19 wurde das Fest abgesagt, und auch für 2021 sind die Aussichten kaum besser.
Also Plan B.

Foto: Felix Pitscheneder
Foto: Peter Heske

Am 13. Januar rollt der Kleintransporter auf unsere Einfahrt. Ihm entsteigen ein vierköpfiges Kamerateam und Dr. Jürgen Brandhorst. Im Laderaum: Das ganz große Besteck. Nach zwei Stunden ist das ganze Erdgeschoss voll mit Kameras auf Stativen, mit Kabeln, Scheinwerfern, Reflektoren, Diffusoren, Monitoren und Menschen mit FFP2-Masken.

 

 

Maske tragen, Abstand halten, lüften, literweise Desinfektionsmittel, als wärs nicht ohne das schon kompliziert genug.
Ein unter so erschwerten Bedingungen so reibungslos arbeitendes, hochkonzentriertes und unfassbar achtsames Team habe ich noch nie erlebt.

 

Mein Lichtdouble Peter mit einem Mottoshirt von Marcel Brell, dem Fred-Jay-Preisträger 2015 Foto: Felix Pitscheneder

 

 

Wir haben bis in den Nachmittag einen Riesenspaß. Das YouTube-Video wird bald fertig sein und dann online gehen.

Auch der andere Kerl im Haushalt hat was für Technik übrig und will die flimmernden Gerätschaften näher untersuchen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zum Abschied ein Gläschen Sekt – im Freien, mit doppeltem und dreifachem Abstand. Wir können uns grade noch sehen. Zurufen klappt aber gut.

v.l.n.r.: Dr. Jürgen Brandhorst, Edith Jeske Christin Wenke, Benedikt Dorn, Sebastian Stein, Felix Pitscheneder

 

 

 

Wie fühlt sich eine frischgebackene LYRIKON-Preisträgerin?
Glücklich. Beschenkt. Dankbar. Und ihr ist gründlich bewusst, dass ohne die Komponist*innen und die Interpret*innen gar niemand von dem Stück Papier Kenntnis nähme, das den Schreibtisch verlässt und seine Reise ins Ungewisse antritt.

 

 

Ich muss wohl ein Glückskind sein. Schon damals, als ich (wie Ludwig Lorenz sagt) als Kind in die Buchstabensuppe gefallen bin. Danke euch allen, die ihr dazu beigetragen habt, dass ich darin schwimmen lernen durfte.
Zusammen sind wir gut.
Und nur zusammen.

Foto: Felix Pitscheneder

Champagner für alle! – Das neue Album von Mark Scheibe hält, was es verspricht…

Von Turid Müller

… denn der Name ist Programm: Der Komponist macht, wie er es nennt, „Du-Musik“. Und zwar mit einem gewissen Verwöhn-Faktor. Aber – fangen wir vorne an…

2019 war für den ExCellenten (Celler Jahrgang 2012) ein bewegtes Jahr. Er komponierte für GERMANIA!, eine große Theaterproduktion an der Berliner Volksbühne, Orchestermusik. Und er bekam einen Kompositionsauftrag von der Elbphilharmonie, den er dann dort im Februar 2020, kurz vor Corona, gerade noch auf die Bühne bringen konnte.
Dann kam der Lockdown. Und mit ihm zunächst eine willkommene Ruhe. Bis die Frage nach dem „Wie weiter?“ in ihm laut wurde. Kurz: Mark Scheibe hat „seinen Gedanken erlaubt, spazieren zu gehen“. Und während sie noch unterwegs waren, erreichte ihn der Anruf von einem Veranstalter aus Bremen: Sommerbespielung im Autokino-Stil. Der Sänger und Pianist arrangierte einen Konzertabend mit Streichern. Nach Monaten der Pause bereitete ihm das derart große Freude, dass er den Entschluss fasste, mit den Liedern ins Studio zu gehen.
Aber nicht nur die Songs aus den Auto-Lustspielen finden ihren Weg auf die CD. Sondern auch viele langjährige Begleiter. Zum Beispiel Material aus einem Projekt von 2015, bei dem er täglich ein Stück geschrieben hat. Ein Text von Tobias Reitz ist auch dabei: ‚Verliebt in die Nacht‘. – Eine langsame Ballade und einer seiner Lieblingssongs, wie Mark Scheibe verrät. Außerdem sind ihm auch kurzfristig noch ein paar brandneue Melodien zugeflogen.
Was er macht, würde er schon Pop nennen. Aber es hat auch was von Kunstmusik, „etwas Symphonisches“, sagt er. „Es ist so dazwischen“.

„Musik ist Kommunikation.“
(Mark Scheibe)

„Was wir am Smalltalk schätzen, ist ja die Leichtgängigkeit. Und was wir vermissen: die Tiefe des wirklichen Austausches. – Ich bilde mir ein: Das geht beides!“, postuliert der Allrounder. In einer Szene, in der ‚Kommerzialität‘ ein richtiges Schimpfwort geworden ist, weil wir es damit verbinden, dass jemand nicht seinem Inneren, sondern den Marktgesetzen folgt, ist er am ‚Du‘ des Publikums interessiert. Für ihn ist Musik Liebe. – Und es wäre doch eher befremdlich, wenn ein Liebhaber sich nicht dafür interessiert, wie es seinem Gegenüber dabei geht – oder?
Werben und Hoffieren des Publikums gehören für ihn also dazu. „Ich würde sogar soweit gehen zu sagen: In meiner Musik geht es um DICH!“ Darum heißt das Album Champagner für alle. Und auf die Frage, wo denn das Champagner-Bild herkommt, antwortet er: „Champagner ist Luxus, sich etwas gönnen, etwas Außergewöhnliches machen, verliebt sein!“ Und auch er selbst perlt, sprüht und schwärmt von allen Beteiligten. Es ist für ihn „ein richtiges Glücks-Projekt“! – Hier ein kleiner Einblick in die Produktion.

„Ich glaube, dass das die Zukunft ist.“
(Mark Scheibe über Online-Kultur)

Augenblicklich fragt er sich: „Wo wird die Bühne dafür sein?“ Und er versucht, den Bühnenbegriff auf die Art ins Digitale auszuweiten, dass es ihm Spaß macht. – Und das gelingt! Wer sich davon ein Bild machen möchte, kann das zum Beispiel bis Mitte November im Rahmen der Crowdfunding-Kampagne für das Album. Dort kann man übrigens (auch als Gutschein für Weihnachten…) die CD schon vorbestellen. Aber eben auch interaktive Online-Formate erleben: Für 100,- Euro kommt der Künstler per Live-Schalte auf ein halbstündiges Privat-Konzert vorbei. „Jedes Konzert ist eine ganz persönliche Begegnung“. Und zwischen den Musikalischen Beiträgen kann er mit seinem Publikum in Austausch treten.
Alle Unterstützenden des Crowdfundings erhalten einen musikalischen Gruß. Einer davon wurde übrigens gerade von crescendo verlinkt. „Tja“, konstatiert Mark Scheibe, „diese Lieder beginnen, ihr Eigenleben zu führen!“ Und das gefällt ihm sehr. Genau wie die digitalen Experimentierfelder. Denn er glaubt fest daran, dass wir nicht gut beraten sind in der Krise, wenn wir das, was momentan nicht geht, einfach substituieren: „Das ist wie vegane Schnitzel! Die ersten veganen Produkte haben Fleisch nachgeahmt; später entstand etwas Eigenständiges!“ Genau danach sucht er: Nach den völlig neuen Wegen, die sich aus der augenblicklichen Situation entwickeln können.

UPPS TOT! – Mörderische Kurzgeschichten von Jutta Wilbertz

Von Turid Müller

Das gleichnamige Bühnenprogramm spielt sie schon seit einer ganzen Weile. Das Buch zum Programm ist gerade frisch erschienen. Beides stammt aus der Feder von Jutta Wilbertz (Celle 2011), der Krimi-Spezialistin in Lied und Wort. 

„Hurra, es ist soweit! Ab sofort ist meine Kurzkrimisammlung „Upps-tot! Kurzkrimis & böse Songs“ überall im Buchhandel!“, freut sich die Autorin und Chansonnette in ihrem jüngsten Newsletter. „Es ist ein tolles Gefühl, das fertige Buch in den Händen zu halten … und nun hoffe ich natürlich, dass es seinen Weg macht und sich tapfer eine Bresche in die Welt des Büchermarktes schlägt.“ Als E-Book ist es übrigens auch erhältlich – in den ersten Wochen noch zum Vorzugspreis. Wer es dreidimensionaler mag kann ab November ihre ‚Krimi- & Songs‘-Lesungen besuchen und es im Anschluss persönlich erwerben. Das Buch ist etwas ganz Besonderes: Bisher hat sie ihre witzig-bösen Kurzkrimis in zahlreichen Anthologien diverser Verlage veröffentlicht. Nun aber hat sie erstmalig ihre besten, teilweise preisgekrönten Kurzkrimis in einem einzigen Band gebündelt und herausgebracht. „Und da ich so oft nach meinen mörderischen Songtexten gefragt werde, habe ich die einfach auch noch dazu gepackt. Also das ideale Buch fürs ‚Zwischendurch-mal-Krimi- schmökern-während-ich-auf-die-Bahn-warte-oder-in-der-Wanne-liege'“, empfiehlt sie.
Klappentext:  „Ach, es ist so schnell passiert: Ein Spaziergang entlang der Klippen … ein Segeltörn im Haifischgebiet … eine Rangelei unter Freunden… manchmal reicht eben ein kleiner Schubs: UPPS! Gemordet wird immer – ob im Urlaub oder Alltag, auf vielfältige Art und Weise!“
Der knackige Titel ist übrigens ein Produkt der Celler Schwarmintelligenz, erzählt die ExCellentin: Er ist auf einem Jour Fixe entstanden. Das Buch ist ein Konglomerat ihres „kriminellen Schaffens“ – angefangen mit ihrem allerersten Krimi von 2004.
Der 2. Band ist schon in Planung. Für Ende 2021. Eine Vorankündigung gibt es bereits: Hinten im Buch.

Auch auf der Bühne gibt es Neuigkeiten: Ab nächstes Jahr geht sie in Zusammenarbeit mit einer anderen Musikkabarettistin ein neues Programm an. – Dazu bald mehr… Augenblicklich jedoch schreibt sie an ihrem ersten Kriminal-Roman. Heute ist sie auf Seite 250. Im Kopf und auf dem Storyboard ist die Geschichte schon fertig. Jetzt muss das Ende nur noch geschrieben werden.
Corona hin oder her, die Kleinkünstlerin geht gerade in die Vollen. Jüngst hat sie sich selbstständig gemacht. Den Anstoß dazu gab ihre Brieffreundin aus Peru: Seit sie elf war, haben sie sich geschrieben. Bei ihrem ersten und einzigen Treffen letztes Jahr in Köln sagte die an Krebs erkrankte Freundin „Ich weiß nicht, wie lange ich lebe. Ich will einfach die Dinge (wie diesen lang gehegten Traum einer Europareise) jetzt tun.“
Die Dinge jetzt tun – das macht Jutta auch. Mit Kuchen und einem Lied auf der Ukulele hat sie sich von ihrem bürgerlichen Job verabschiedet. – Sie braucht ihre Zeit jetzt für was anderes: Ihren Bestseller.

ExCellent durch die Krise – Kreative Wege in Zeiten des Lockdown (Teil V)

Von Turid Müller

Die ersten Theater öffnen wieder – unter herausfordernden Bedingungen. Andere planen den Neustart erst fürs kommende Jahr. Die zweite Welle ist im Anrollen und verursacht bereits erste Absagen. Termine für 2021 werden großzügig auf 2022 verlegt. Und booken tut sowieso kaum einer. – Was machen die Kreativen in solch einer Situation? Hier ein paar ihrer Geschichten…

Foto: Arno Kohlem

Es ist September. Die ersten Schokoweihnachtsmänner bevölkern die Supermarkt-Regale. „Früh genug an Weihnachten denken!“ Das hat auch Celler Kollege Konstantin Schmidt beherzigt. Und dann kam alles anders:
„Mitte März ließ ich 1000 Flyer mit den Terminen für mein Weihnachtsprogramm im Dezember drucken. Kurz darauf begannen die Absagen für die Termine im Frühjahr/Sommer, bei denen ich die Flyer verteilen wollte. Pech! In Mai und Juni stemmten sich zwei Veranstalter mit Streaming-Terminen gegen die Krise. Bei einem Termin gab‘s sogar etwas Gage. Immerhin.

Im Juli dann der erste Live-Auftritt unter Corona-Bedingungen – sogar in einem geschlossenen Raum. Die zwei Openair-Termine im August fanden auch tatsächlich statt. Die Zuschauer hatten Spaß und ich auch. Wäre ich Zuschauer, fände ich den vielen Platz um mich herum gar nicht schlecht. Ich sitze nicht gerne wie die Sardinen in der Büchse.

Hut ab vor den Veranstaltern, die die Termine irgendwie durchziehen! Sie nehmen die Kontaktdaten auf. Sie achten auf die Sitzordnung mit Abstand. Sie scheuen den Aufwand nicht, am Platz zu bedienen, statt die Gäste anstehen zu lassen. Sie desinfizieren Hände und Flächen.“
Ein Thema, das im Alltag für uns alle neu ist – und so auch im Bühnenberuf – ist der Respekt der Corona-Maßnahmen und die Kommunikation rund um diese neuen Regeln des An- und Abstands: „Interessant ist, dass viele Gäste es nicht schaffen, einen etwas größeren Abstand zu halten, wenn sie mich, den Künstler, hinterher noch ansprechen. Es wäre doch ein leichtes auf einsfünfzig Abstand ein Gespräch zu führen“, berichtet der Klavierkabarettist aus seinem frisch gewonnenen Corona-Erfahrungsschatz. „Aber die meisten unterbieten das. Selbst als ich mal demonstrativ einen kleinen Satz zurück gemacht habe, wurde der Landgewinn sofort wieder ausgeglichen. Ich will mich nicht aufregen. Ich bin ja froh, dass Leute kommen. Ich sage mir, die sind so begeistert von mir, dass sie mich fast abknutschen wollen. Das tröstet etwas.

Und der Herbst/Winter mit meinem Weihnachtsprogramm? Nun, allmählich äußern sich die Veranstalter. Die einen sagen, dass es unter diesen Umständen nicht geht. Die anderen haben ein Konzept nach dem es doch geht. Oft mit weniger Mindestgage und oft in größeren Räumen. Mal sehen. Vielleicht habe ich diesen Dezember wider Erwarten viel Muße mich mental auf das Weihnachtsfest vorzubereiten. Viel Gage wäre mir allerdings lieber.“

Foto: Simone Graph

In dieser für die Kultur schwierigen Zeit wollen Sandra Niggemann (Celler Schule Jahrgang 2014) und Mario Rembold (Celle 2015) was zurückgeben. Darum haben sie eine Spenden-Aktion an den Start gebracht: Aus dem gesammelten Videomaterial für ihre jährliche Benefiz-Show ist ein Online-Channel geworden, der Finanzspritze für das Heimattheater Pantheon und Öffentlichkeit für alle Kreativen im Lineup der Veranstaltung sein möchte: „Für diese Playlist zahlt sich nun aus, dass Sandra dafür gesorgt hat, dass die Shows auch auf Video aufgezeichnet werden – übrigens von Thorsten Franzen, falls mal jemand eine professionelle Hand an der Kamera sucht“, erzählt Mario Rembold. „Bei Lach mal was mit wünschdirwas steht der schöne Abend für das Publikum im Mittelpunkt.“ Gründerin Sandra Niggemann hat einen Weg gefunden, „dass das Publikum auf unterhaltsame und bewegende Art und Weise etwas über den Verein wünschdirwas erfährt.“ Neben Sandra Niggemann und Mario Rembold sind auch andere Excellent*innen schon dabei gewesen: Allen voran Matthias Reuter. Aber auch ich hatte schon das Vergnügen.

Fotografin: Susa Lie

Hohen Einsatz für die Kreativ-Branche bringt auch Motion-Designerin Sylvia Nitzsche (Celle 2007): „Die Corona-Krise hat mich als Video-Expertin im digitalen Bereich glücklicherweise nicht so stark getroffen. Aber ich leide mit meinen vielen Künstlerfreund*innen, die nicht auftreten können. Ich habe überlegt, wie ich helfen kann. Erstmal habe ich Online-Tickets für Konzerte gekauft. Dann sah ich die Petition des VSGD, die eine Verlängerung und faire Ausgestaltung der Corona-Hilfen für alle Selbstständigen forderte.“ Also hat sie dazu ein Erklär-Video animiert, um mehr Menschen die Botschaft zu übermitteln. – Mit erfreulichem Ergebnis: Die Petition war mit über 50.000 Mitzeichnern erfolgreich und wird bald im Bundestag behandelt.
In ihrem neusten Projekt Warum ich lieber am Computer arbeite, als auf der Bühne zu stehen möchte Sylvia Nitzsche mit Info-Grafiken versuchen, auf die Missstände im Künstler-Beruf hinweisen.

Gut so! Es ist höchste Zeit. Denn die gegenwärtige Krise zeigt mal wieder deutlich, dass die Kulturschaffenden keine wirksame Lobby für ihre Belange haben.

 

 

ExCellent durch die Krise – Kreative Wege in Zeiten des Lockdown (Teil IV)

Von Turid Müller

Die einen machen wieder auf, die anderen machen pleite. Und das Sommerloch schließt nahtlos an den Shutdown an. Was bedeutet das für die einzelnen Kreativen? – Ein paar Einblicke…

Corinna Fuhrmann (© Paul Zimmer)

„Ich muss ehrlich sagen, mein Kopf war die ersten Wochen lang absolut leer“, berichtet Corinna Fuhrmann (Celler Schule 2017). Als Lucy van Kuhl steht sie sonst mit ihren Klavier-Chanson-Kabarett-Programmen auf der Bühne. „Ich wollte nicht auf den Zug der Live-Streaming-Konzerte aufspringen und hatte das Gefühl, alles, was ich bislang geschrieben habe, sei banal. Dann kam endlich die Lust aufs Kreativsein zurück, die Lust aufs unbeschwerte Schreiben.“
Dreieinhalb Monate lang ist sie in ihrer Wahlheimat, in der Provence: „Man denkt sofort: Urlaub! Aber hier herrschten ziemlich strenge Ausgangssperren. Das hat mich an manchen Tagen sehr deprimiert. Aber immerhin gehöre ich nicht zur Risikogruppe. Ich habe mich gefragt, wie es wohl den alten Menschen geht, für die jeder Tag unendlich viel Wert sein muss und die diese kostbaren Tage gerade nicht leben dürfen. Daraus ist das Lied Liebe Omama entstanden. Gecoacht hat es mein Freund Jonas Pätzold, der mit mir 2017 in Springe war. Durch das Schreiben und Aufnehmen des Liedes ist meine Motivation zurückgekommen.
Mit ihrem Freund Lars Redlich (Celler Schule 2014) ist dann ein Lied über ein weiteres aktuelles Thema entstanden: Abstand. Und der Name ist Programm: „Wir haben es dann nacheinander über 1000 km Entfernung aufgenommen und in einem Video zusammengeführt. Sowas hatte ich vorher noch nie gemacht – also etwas gelernt in der Corona-Zeit…“

 

Karla Feles

Neue Wege beschritten hat auch Karla Feles (Celler Schule 2018). Sie hat den Livestream für sich entdeckt. Was sie in den letzten Monaten erlebt hat, beschreibt sie so:

„13. März 2020, Mathildebar Ottensen, Hamburg. Feli rockt die Mathilde, und keiner weiß, dass der Lockdown ganz kurz bevorsteht und dieses mein letztes Konzert für viele Wochen sein wird. Und dann? Kam Corona mit all dem, was jeder kennt. Und ging es mir schlecht? Kaum mag ich es zugeben: nein. Das einzige, was mir wirklich fehlte, war, meine Kinder umarmen zu können. Ansonsten hatte ich alles: Dach, Essen&Trinken, Nähmaschine, Musik. Da ich aber wusste, dass es manchen in meinem großen Freundes- und Bekanntenkreis anders ging, hab ich mir überlegt, diejenigen mit meinen Liedern aufzumuntern. Und 10 Wochen lang jeden Abend um 18.30h gab es dann im Live Stream auf FB ein Felilied zu hören und zu sehen.
Die Reaktionen waren immer sehr positiv; man drückte Dankbarkeit aus und freute sich auf das nächste Lied. 1 Kommentar machte mich schmunzeln: “ Über deine Lieder kann man ja geteilter Meinung sein, aber dein Outfit war immer top!“ Wer sich da selbst ein Bild machen möchte, schaue einfach in meine Chronik.“
In guter Aufnahmequalität gibt es einen der Songs auch auf YouTube, zusammen mit weiteren Liedern. CD-Aufnahmen sind auch kürzlich gemacht worden: „Hat unglaublich Spaß gemacht!“

Was alles nicht stattfand zu Coronazeiten, will sie lieber nicht aufzählen: „Sonst bin ich doch zu betrübt.“ Lieber konzentriert sie sich auf nächste Pläne. Und gibt uns mit: „Freut euch an eurer Kreativität, füttert sie mit Neuem, lasst euch nicht verdrießen!“