Mal unter uns… – Ein tiefer Blick ins Herz von Hape Kerkeling

von Turid Müller

Sein aktuelles Album zeigt den Künstler einmal ganz privat, ohne angeklebten Schnurrbart und ohne Rolle. Dafür aber mit viel Gefühl – transportier nicht zuletzt durch die Songtexte aus der Feder von Tobias Reitz.

„Da ist es nun. Das persönlichste Album in der Karriere von Hape Kerkeling. Und womöglich auch mein persönlichstes“, postet Tobias Reitz am 22.10., als Mal unter uns… das Licht der Welt erblickt. – Und so hat alles angefangen:
„Vor einem halben Jahr rief mich Musikproduzent Christian Geller an und erzählte von seiner Idee. Ich war wirklich nervös. Hape Kerkeling? Im Ernst?
Hape ist mein Hero, in vielerlei Hinsicht. Ich bewundere ihn für seine Komik, seine Improvisationen, seine Figuren, seine Vielseitigkeit und seine Art mit dem Publikum umzugehen. Wenn ich auf der Impro-, Moderations- oder Workshopbühne stehe, hab ich seine Stimme oft im Ohr. Er ist in Sachen Bühnenarbeit – warum schreib ich’s nicht einfach ganz ehrlich – mein Vorbild. Vor allem aber bewundere ich ihn dafür, dass er irgendwann die Hosen runtergelassen und wahrhaftig aus seinem Leben erzählt hat.
Ich war sogar mal sein Promoter, 2007, als Horst Schlämmer „Schätzelein“ sang und ich mich noch bei der Ariola ums Online-Marketing gekümmert habe. Kennengelernt hab ich ihn nie und eigentlich wollte ich das auch nicht. Ich hatte das Gefühl, meinem Bild von ihm kann ein normal sterblicher Mensch überhaupt nicht standhalten.
Vollkommen starstruck ging ich nun ins Telefonat, das Christian Geller arrangiert hatte.
„Sag mir, was ich schreiben soll“, sagte ich.
„Nein“, sagte Hape. „Schreib bitte das, was DU für richtig hältst. Schreib, wie du mich siehst! Du machst das schon.“
Wenn ein Künstler dir (ohne dass man sich gut kennt!) ein solches Vertrauen signalisiert, ist das beflügelnd und beängstigend zugleich. Heute weiß ich: Die Ansage „Schreib, wie Du mich siehst!“ hat mir nicht nur viel erlaubt, sondern auch den Spiegel vorgehalten. Ich habe wohl nie so viel künstlerisch über mich selbst erzählt wie auf diesem Album.“

Doch auch Hape Kerkeling fühlt sich ganz offensichtlich gut abgeholt. Den Opener des Albums, Der Weg nach Haus, beschreibt er im Promo-Video mit folgenden Worten: Anstelle einer Visitenkarte könnte ich Leuten auch sagen: Hör dir den Song an, und dann kennst du mich!“

Auf der CD ist auch eine berührende Hommage an seine Großmutter – diese bestärkende Stimme, die sich vermutlich in Der Junge muss an die frische Luft der ganzen Bundesrepublik ins Herz gepöttelt hat. Und auch Vereinsamung und Spaltung durch die Pandemie bleiben nicht unerwähnt. – Der Leerlauf in Krisenzeiten war übrigens auch ein Ideengeber für das Projekt. Da ist dem Entertainer nämlich zuhause „die Decke auf den Kopf gefallen“. Und darum gibt es nun eine Scheibe seiner niederländischen Lieblingssongs – mit deutschen Texten. Mehr Details hat er neulich auf dem roten Sofa ausgeplaudert.

Wenn auch in den Feuilletons nicht ganz unumstritten – „Mal unter uns…“ ist anders als andere Schlagerplatten, findet Tobias Reitz: „Wer in den letzten Jahren das große Gefühl, die Wertigkeit oder Wahrhaftigkeit im Schlager vermisst hat, wird hier hoffentlich fündig.“
Für ihn persönlich markiert das Album sein 20-jähriges Jubiläum in der Musikbranche: „Im Oktober 2001 wurde mein erster Text produziert.“ Übrigens kurz nach seiner Teilnahme an der Celler Schule, aus deren Leitungs-Team er heute nicht mehr wegzudenken ist.
Die Arbeit an der neuen Platte war für den Songtexter „eine grandiose Zeit“. Und er verrät auf seiner Facebookseite weiter:
„Man trifft in diesem Beruf die faszinierendsten Menschen. Manche begleitet man nur einen Schritt weit, manche viele Jahre lang. Ich bin gerade noch dabei die letzten Schritte zu sortieren und freue mich gleichzeitig auf die Begegnungen der nächsten 20 Jahre.“ – Aber das erwähnte er wahrscheinlich nur mal unter uns…

„Mehr!“ von Axel Pätz – Das Programm zum Zeitgeist

Von Turid Müller

Neulich habe ich mich nach fast 1,5jähriger Abstinenz mal wieder ins Theater getraut. Aus Gründen: Ich wollte mir das neue Kabarett-Programm von Celle- und SAGO-Kollegen Axel Pätz anschauen. Gute Idee! – Die zwickende Maske auf meiner Nase hab ich dabei glatt vergessen…!

Foto: Alex Lipp

„Mehr!“ – Intro und roter Faden nehmen die Unart aufs Korn, das Glück in exponentiellem Wachstum zu suchen. Dazu heißt es im Pressetext:

„Wir haben es geschafft. Willkommen im Anthropozän!

Die Erde ist uns untertan, wir haben alles, was der Mensch braucht und was kein Mensch braucht, haben wir doppelt und dreifach. Wir kommen an die entlegensten Winkel der Welt, in die tiefsten Tiefen, auf die höchsten Gipfel, wir kommen auf den Mond, auf den Mars, nur auf eines kommen wir nicht: Auf die Idee mal innezuhalten, uns mal zu fragen: Wo führt das alles hin?

Denn egal, was wir haben , wir brauchen MEHR! Logisch: „Her damit“ klingt doch viel dynamischer als: „Bin bisher auch ganz gut ohne klar gekommen“

Das Wachstumsdogma ist unumstößlich, treibt uns schneller, höher, weiter auf der nach oben offenen must-have-Skala. Wer rastet, der kostet, und Kosten sind das einzige auf das wir gerne verzichten.“
„Mehr!“ ist es aber auch, was wir vom Klavierkabarettisten zu sehen bekommen: Neben den gewohnten Klassikern, die zuverlässig die Bauchmuskeln stimulieren, zeigt er auch neue Seiten. – Zum Beispiel den Auftritt eines plüschigen Kollegen: Die Handpuppe ist Fachmann für Kriegs- und Rüstungsfragen, und steht singend für ein Interview zur Verfügung. – Am Ende haben wir dieses knuffige Kerlchen so ins Herz geschlossen, dass das Publikum einen eigenen Schlussapplaus für den frechen Neuzugang einfordert. – Nur ein Rätsel bleibt ungelöst: Wie ist es Axel gelungen, zweistimmig mit ihm zu singen!?!
Besonders still wirds im Saal, als die Zugaben kommen: „Manchen von Ihnen ist aufgefallen, das einige Lieder nicht lustig waren. Jetzt kommt noch so eins. Wer das nicht mochte, hat eben Pech gehabt…!“ Und dann kommt ein Song, den ich bereits aus vertrauten Runden kenne, den ich aber immer und immer wieder hören mag, weil er mir Bilder auf die Netzhaut meiner Erinnerung ruft, die bestimmt alles sind – „aber nicht schwarz-weiss„!
Als ich nach einem Plausch das Schiff verlasse, auf dem der ExCellent (Celler Schule Jahrgang ????) inzwischen auch Ensemble-Mitglied ist, merke ich, wie sehr ich das vermisst habe: Einen Abend lang von der Kunst entführt, getröstet und aufgerüttelt zu werden, möchte ich so bald nicht wieder missen!

AUFGEBEN IST NICHT! – Die Sisters sind zurück!

Turid Müller

„Aufgeben ist nicht!“ lautet das diesjährige Motto der Sisters of Comedy. Die Pandemie hat nicht nur den Kreativen, sondern auch den Frauen schwer zugesetzt. Doch der Backlash in alte Rollenmuster ist ein Grund mehr, am 08.11. für Gleichstellung auf die Bühne zu gehen!

Seit dem wir vor ein paar Jahren 100 Jahre Frauenwahlrecht feierten, stellen die Ladies aus Kleinkunst, Kabarett und Comedy jährlich lautstark fest, dass damit noch längst nicht alles erreicht ist. In zahlreichen Shows im ganzen deutschsprachigen Raum wird gemeinsam nachgelacht. Eine der Initiatorinnen der Aktion: Dagmar Schönleber (Celler Schule 2018) – diesmal Patin in Köln. Mit von der Partie sind jedes Mal ein Haufen anderer ExCellentinnen. Und zuweilen auch ein ExCellent – wie beispielsweise mein liebevoll als „Quotenmann“ bezeichneter Pianist und Bühnen-Kollege Michael Hierer (Celler Schule 2018).
In Baienfurt spielt Anne Folger (Jahrgang 2019); in Bern Marie Diot (Gewinnerin vom Hans-Badtke-Förderpreis 2021). In Dorsten ist Jutta Wilbertz (Celle 2011), und in Oberhausen Katie Freudenschuss (Celle 2008) am Start. Die Schrillen Fehlaperlen rücken mit ihrem Quoten-ExCellenten Ferdi Riester (Celle 2018) in Neufra an. – Und ich habe bestimmt noch etliche vergessen!

Die Message ist so kurz wie klar: Geh hin! Und unterstütze nicht nur Deinen „local artist“, sondern auch die Gleichberechtigung – sowie die durch Einnahmen und Spenden geförderten sozialen Projekte!
In der Pressemitteilung heißt es:
„Wo anderen 3 G‘s reichen, bieten wir 7G’s:
Geimpft, Genesen, Getestet, Gute Laune, für Gender Gerechtigkeit – Garantiert!
Alles was wir noch brauchen sind volle Häuser.“
Und übrigens: „Männer sind herzlichst Willkommen, Humor ist für alle da!“