Verdeckter Narzissmus in Beziehungen – ein Ratgeber

von Turid Müller
Normalerweise schreibe ich hier über die Projekte anderer ExCellent*innen. Heute möchte ich mal über eines meiner kreativen Babys sprechen. Denn es hat Geburtstag: Heute, am 16.05.2022 erscheint mein erstes Buch. Und es hat eine ganz persönliche Geschichte…

„Narzissmus“ ist ein Modewort. Genau wie „toxische Beziehung“ oder „Gaslighting“. Aber hinter diesen Anglizismen verbirgt sich etwas sehr Reales, das noch immer unter dem Radar, und somit besonders gefährlich ist: Narzisstischer Missbrauch ist ein Angriff auf die Persönlichkeit. Er unterhöhlt das Selbstwertgefühl und kann schwerwiegende seelische und körperliche Schäden nach sich ziehen: Von Depressionen über Fatigue bis hin zum Suizid.
Ist dieser emotionale Missbrauch aber so gut versteckt, dass nicht mal die Leidtragenden merken, was sie gerade erleben, ist es kaum möglich, sich zu schützen – zum Beispiel durch den Schritt hinaus aus der krankmachenden Partnerschaft. Das ist beim verdeckten Narzissmus der Fall, auf dem in meinem Buch der Schwerpunkt liegt.

Allen, die sich fragen, ob in ihrer Beziehung was nicht stimmt, kann ich nur Mut machen, sich zu informieren. Zu leicht wird (selbst von Profis) als normales Beziehungsproblem abgetan, was in Wirklichkeit psychischer Missbrauch ist: Die einzelnen Interaktionen (despektierliche Kosenamen, eine merkwürdige Lösungslosigkeit bei gemeinsamen Konflikten, unmerkliches Kleinmachen…) können lange wie Lappalien wirken. Erst das Erkennen der Muster hilft Betroffenen, die richtigen Schlüsse zu ziehen, dem Kind einen Namen zu geben, und sich gegebenenfalls für sich selbst zu entscheiden.

Übrigens: Anders als vielfach angenommen, sind nicht unbedingt nur Männer narzisstisch. Gerade auch bei den subtileren Formen liegen die Geschlechter gleichauf. Und es wäre ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, dass Geschlechtsrollenklischees nicht zu Fehlern in der Diagnostik führen („Es kann nicht Narzissmus sein, es geht ja um eine Frau!“), und dass auch männliche Opfer („Männer sind Täter; Frauen sind Opfer!“) ihre Verletzungen anerkennen und Hilfe finden.
Darum war es mir beim Schreiben ein Anliegen, mich im Ratgeber geschlechtergerechter Sprache zu bedienen. – Und mit Ausnahme einiger Schnitzer (schließlich ist das auch für mich Neuland) ist mir das auch gelungen. – Übrigens eine Herausforderung für die Kreativität, Formulierungen zu finden, die keinem Geschlecht zuzuordnen sind!
Wer sich selbst von der viel zitierten „Lesbarkeit“ überzeugen möchte, oder einen Eindruck vom Thema bekommen will, kann online eine Leseprobe einsehen oder das Buch erwerben.

Das Erscheinen dieses Ratgebers ist für mich ein Erfolg in mehrfacher Hinsicht. Die Autorin in mir freut sich natürlich sehr über diesen Meilenstein – der übrigens ohne zahlreiche hilfreiche Hände aus dem Umfeld der Celler Schule so nicht möglich gewesen wäre.
Doch auch die Privatperson kommt auf ihre Kosten: Dies ist ein persönlicher Scheiße-zu-Gold-Moment in meinem Leben. Denn was im Buch beschrieben wird, habe ich selbst erlebt.
Darum möchte ich allen, die mich auf dieser Reise unterstützt haben, aus vollem Herzen sagen: Danke! Dieser Prozess war und ist für mich ein kraftvoller und heilsamer. – Und ich hoffe, das Buch kann etwas davon weitergeben.

„Wir wünschen uns PartnerInnen, die unsere Kulturbranche ernst nehmen und mit uns zusammenarbeiten“ – ein Statement zur Radiolandschaft von LUKAS HAINER

Von Lukas Hainer
Bezug nehmend auf diesen Artikel des Medienmagazins DWDL.de mit dem Titel „Wieso Radiosender einen Bogen um Deutschpop machen“ schreibt Lukas Hainer, einer der erfolgreichsten Textdichter und Musikautoren Deutschlands und außerdem DTV-Vorstandsmitglied und -Schatzmeister, nachfolgende Worte, die wir mit seiner freundlichen Erlaubnis hier publizieren dürfen: 

Foto: Franziska Nehmer

Dass deutschsprachige Musik in der deutschen Radiolandschaft keinen leichten Stand hat, ist kein neues Phänomen. Obwohl im letzten Jahrzehnt medial gerne schlagzeilenstark einem „Boom des Schlager-Genres“ nachgegangen wurde, war davon in der Radiolandschaft nichts zu sehen. Im Gegenteil verräumten selbst die öffentlich-rechtlichen Sender den deutschsprachigen Schlager fast ausschließlich in online abrufbare Spartenangebote. Und während deutschsprachige Popmusik mit KünstlerInnen wie Mark Forster, Vincent Weiss oder Sarah Connor in den Radiocharts noch lange gut vertreten war, scheinen die Sender auch hier nun umzudenken: Deutschsprachige Musik testet in Umfragen zunehmend schlechter und verschwindet folgerichtig aus dem Angebot. Schuld daran seien die Kreativen selbst.

Komponisten und Textdichterinnen, Produzentinnen und Künstler bieten Songs an, „wo heute vieles eher nach einem alten Schema produziert zu werden scheint“, sagt zum Beispiel Tanja Ötvös, Musikchefin bei Radio Hamburg, in einem Interview gegenüber DWDL. „Vor ein paar Jahren wirkten diese Titel noch deutlich innovativer als heute.“
Und Niklas Gruse, Musikchef bei Radio FFN, beklagt im selben Kontext die starke Zunahme deutschsprachiger Popmusik: „Es ist wie beim Kochen: Zu viel macht das Essen nicht schmackhafter.“

Dass ausgerechnet Radioredakteure Innovation in der Musiklandschaft vermissen, klingelt einem als Musikautor schon in den Ohren. Immerhin ist der Fingerzeig aufs Radio bei Songwriting und Listening Sessions stets mit der Überlegung verbunden, provokante Textzeilen zu entschärfen, harte Sounds weichzuzeichnen und nach zwei Schritten nach vorne vielleicht lieber nochmal einen zurückzutreten. Und auch Herrn Gruse muss man fragen, wohin seine Essensmetapher ihn denn nun trägt: Sollte die Muttersprache bei deutschen Musikschaffenden vielleicht nur das Salz in der Suppe sein, mit dem man vorsichtig umgehen muss? Sollten wir doch lieber generell mehr auf ein internationales „simple English“ zurückgreifen, das auch gerne mal inhaltsarm aber mit Wohlklang die Autofahrt untermalt? Zu mehr Innovation dürfte dieser Ansatz nicht führen.

Auch wir MusikautorInnen haben uns in den vergangenen Jahren oft gefragt, wo die Ursachen der Verdrängung der deutschen Sprache in unserer Radiolandschaft liegen. Immerhin ist deutschsprachige Musik aus allen Genres in vielen anderen Formaten, vom klassischen Fernsehen bis zum Streaming, weiterhin stark nachgefragt. Doch während zum Beispiel viele Streamingangebote ihre HörerInnen schon strukturell dazu animieren, auch neue KünstlerInnen kennenzulernen, haben die meisten RadiohörerInnen von der zunehmenden Menge kontemporärer, deutschsprachiger Musik, von der Herr Gruse spricht, gar nichts mitbekommen. Präsentiert werden bei FFN wie auch bei zahlreichen anderen privaten wie öffentlich-rechtlichen Sendern seit Jahren starke Rotationen der immer gleichen KünstlerInnen, die auf Dauer zur Ermüdung und vielleicht auch dem Eindruck fehlender Innovation führen, wie er bei Frau Ötvös entstanden ist. Als Musikschaffende beklagen wir diese Einseitigkeit ebenfalls schon lange und so gibt es sogar eine Initiative, die in Zeiten der Pandemie entstanden ist und die hiesigen Kreativen ebenso wie die Vielfalt im Radio stärken möchte: #musikvonhier. Bei #musikvonhier stellen in Deutschland beheimatete KünstlerInnen, darunter Silbermond, Alvaro Soler, Leslie Clio oder Alle Farben, die ganze Vielfalt unserer Musiklandschaft liebevoll in einer ganz persönlichen Auswahl vor. Es sind engagierte KollegInnen, die dieses Format in Kooperation mit Rundfunkpartnern geschaffen haben, und die mit großem Einsatz an dessen Verbreitung arbeiten. Und ich bin sicher, dass genau solche Beiträge in der Breite auch zu einer besseren Testung des deutschsprachigen Repertoires unter den Hörern führen könnten.

Doch noch ein zweites Phänomen, das Herr Gruse in seinem Kommentar anspricht, sticht ins Auge: „Die Grenzen zwischen deutscher Popmusik und deutschem Schlager sind oft fließend“ und das sei ein Problem, denn „beide Musikstile [sind] nicht miteinander kompatibel. Wer deutsche Popmusik mag, steht nicht zwingend auf Schlagermusik und erwartet diese auch nicht bei seinem Lieblingssender.“

Dass Schlager und Popmusik sich in vielen Bereichen näherkommen oder sogar verschmelzen gibt es nicht erst seit Helene Fischer. Wir MusikautorInnen beobachten diese Tendenz seit mindestens einem Jahrzehnt und sind selbst oft genug über Genregrenzen hinweg tätig. Und dass ein Mainstream-Radio bei so einem Repertoire Gefahr sieht, mit seinem Image aus dem Fahrwasser der jungen Zielgruppe zu geraten, ist nachvollziehbar. Aber kann die Antwort darauf sein, alles Undefinierbare auszuklammern? Es demonstriert zumindest nicht besonders viel Gefühl für den Zeitgeist und gibt ein schlechtes Zeugnis zur Innovationskraft des eigenen Senders, wenn die Wellen so einen offensichtlichen musikalischen Trend nicht nur nicht mitgehen, sondern im Gegenteil altbewährte Genrebegriffe zementieren, an Geschmacksklischees verhaften und alle Zwischenbereiche großflächig umgehen.

Als kreativ an Musik arbeitende Menschen in Deutschland nehmen wir gerne jede Herausforderung an, musikalische und sprachliche Innovationen zu schaffen und mit unseren Werken zu überraschen, oder auch einfach die HörerInnen Ihrer Wellen in Ihrem Alltag mit viel deutschsprachigem Gefühl in alle Richtungen zu begleiten. Wir wünschen uns dabei aber PartnerInnen auf Seiten der deutschen Radiolandschaft, die uns nicht mit Pauschalurteilen abstrafen, sondern unsere Kulturbranche ernst nehmen und mit uns zusammenarbeiten, um das heimische Repertoire zu fordern und zu fördern. Ich für meinen Teil würde mich freuen, #musikvonhier-Beiträge auch bei FFN oder Radio Hamburg zu entdecken, und auch über jede andere Form der Kooperation und des sachlichen Austauschs. Unsere Kulturlandschaft könnte davon besonders nach diesen schwierigen Pandemiejahren nur profitieren.