von Claudia Karner (Celler Schule 2006)
Es gibt Lieder, die kriegt man ein Leben lang nicht mehr aus dem Kopf und aus dem Herzen. Spiel nicht mit den Schmuddelkindern ist so eines. Eine Ballade, in der die bürgerliche Selbstgefälligkeit angeprangert wird. Gesungen wurde sie von Franz Josef Degenhardt, Liedermacher und Protestsänger aus Westfalen. Eine ganz neue Spezies zu dieser Zeit. Einer, das das politische Lied wieder entdeckte. Mitte der Sechziger Jahre war das. Als mir meine Freundin Ilse den Song zum ersten Mal vorspielte, sperrte ich die Ohren weit auf, und versuchte sofort, das Lied auf der Gitarre nachzuklimpern.
In den 60er- und 70-er Jahren erreichte Franz Josef Degenhardt Kultstatus. Er hat Generationen von Musikern, Lyrikern, Aktivisten und Lagerfeuerklampfenspieler geprägt und beeinflusst. Auch Konstantin Wecker. Ohne ihn hätte ich wahrscheinlich nie angefangen, eigene Lieder zu schreiben, sagt er. Zuletzt war es ruhig um Väterchen Franz geworden. 2004 trat er, der sich augenzwinkernd als Urgroßvater des Politsongs bezeichnete, zum letzten Mal bei einem Konzert öffentlich in Erscheinung. Zum 75. Geburstag erschien das Buch Franz Josef Degenhardt Die Lieder mit sämtlichen Texten und Noten. Schon seit einiger Zeit stand auf FJs Website: Franz Josef Degenhardt lebt in Quickborn bei Hamburg. Sein künstlerisches Gesamtwerk ist abgeschlossen. Nun gilt dies auch für sein Leben. Am 14. November, wenige Wochen vor seinem 80. Geburtstag, verstummte seine widerborstige, raue Stimme für immer.
Franz Josef Degenhardt war nicht die Stimme einer Generation er war das Gewissen,schreibt der Stern in einem Nachruf auf Degenhardt, der auch promovierter Rechtsanwalt und Schriftsteller war. Eine Ausnahme im deutschen Kulturbetrieb: einerseits der große Verweigerer, andrerseits sehr erfolgreich. Er war das liedgewaltige Sprachrohr der westdeutschen Linken und kommentierte jahrzehntelang das Zeitgeschehen. Die taz formulierte: Die Waffe des politischen Künstlers war das Lied radikal und lyrisch, melancholisch uns ebenso zynisch, provozierend aber auch verhalten waren seine Songs.
Das als Geburtstagsfest geplante Konzert im Berliner Ensemble am 19. Dezember wird nun eine Gedenkfeier für den großen Künstler, der uns eine Vielzahl von bemerkenswerten Liedern hinterlassen hat. So wie das Lied „Testament“: Irgendwann so gelüsts uns allen, hörst du das vorletzte Signal.//Kannst dich noch mal ans Leben krallen, oder du singst den Schluss-Choral.//Ob nun die Eiche schon gefällt ist,oder die Fichte für den Sarg,//das ist egal: Die Uhr läuft weiter, mach dich für deinen Abgang stark.