Von Claudia Karner (Celler Schule 2006)
Heimat, deine Sterne zählte während des 2. Weltkrieges neben Lili Marleen zu den beliebtesten Schlagern auf den deutschen Soldatensendern. Dabei war das Lied gar nicht als tränendrüsendrückende Front-Schnulze konzipiert. Der Texter Erich Knauf hatte es ursprünglich mit dem Komponisten Werner Bochmann für den Film Quax, der Bruchpilot, geschrieben, mit dem Heinz Rühmann der Durchbruch als Schauspieler gelang. Das war 1941. Politische Witze in den falschen Ohren kosteten Knauf drei Jahre später das Leben. Er wurde denunziert und in weiterer Folge hingerichtet. Am 2. Mai jährte sich sein Todestag zum 75. Mal.
CA IRA!
Erich Knauf wurde am 21. Februar 1895 als Sohn des Schneidermeisters und Sozialdemokraten Heinrich Knauf und dessen Frau Thekla in Meerane (Sachsen) geboren und wuchs mit drei Geschwistern in bescheidenen Verhältnissen auf. Auf Grund seiner Begabung bekam Erich eine Freistelle in der Realschule und erlernte mit 14 Jahren nach dem Umzug nach Gera den Beruf des Schriftsetzers. Als abenteuerlustiger 18jähriger entdeckte Knauf ein Jahr lang auf der Walz Italien und Griechenland. Nach seiner Rückkehr musste er den Rucksack gegen den Tornister tauschen und als Soldat im 1. Weltkrieg kämpfen, wo er 1917 einen Kopfschuss erlitt. Nach seiner Heimkehr studierte Knauf an der Heimvolkshochschule Gera und beteiligte sich 1920 am sogenannten Kapp-Putsch. Seine Erlebnisse verarbeitete der „sozialistische Haudegen“, wie ihn Erich Kästner nannte, 10 Jahre später in dem Reportage-Roman „Ca ira!“.
Schriftsteller oder Journalist zu werden war schon immer Knaufs Traumberuf gewesen. 1921 bekam er eine Stelle als Redakteur für Lokales und Kultur bei der Volkszeitung in Plauen. Dort kreuzten zwei weitere Erichs seinen Weg: der Zeichner Erich Ohser, dem er die ersten Veröffentlichungen ermöglichte und der später mit seinen Bildgeschichten Vater und Sohn unter dem Pseudonym e. o. plauen populär wurde (Noch heute gelten sie als Kult und finden in manchen Schulen im Deutschunterricht Verwendung) und der Schriftsteller Erich Kästner, der sich von Ohser seinen ersten Gedichtband Herz auf Taille illustrieren ließ. Viele Jahre später, im Jahr 2016, wurde den drei Erichs in dem preisgekrönten Streifen Kästner und der kleine Dienstag unter der Regie von Wolfgang Murnberger ein filmisches Denkmal gesetzt. Knauf wurde dabei von dem Schauspieler Nikolaus Barton dargestellt.
Zurück zum echten Knauf: Dieser ging 1928 nach Berlin und wurde Cheflektor der Büchergilde Gutenberg. Er publizierte u. a. Romane des US-amerikanischen Schriftstellers Upton Sinclair und legte einen Schwerpunkt auf Bücher sowjetischer Literatur und Geschichte. Nach der Machtergreifung durch Hitler und Übernahme der Büchergilde durch die SA nahm Knauf seinen Hut und arbeitete als freier Schriftsteller, Feuilletonredakteur und beim 8-Uhr-Abendblatt.
MIT MUSIK GEHT ALLES BESSER
Wegen einer „staatsfeindlichen“ Opernkritik von Carmen wurde Erich Knauf 1934 verhaftet, zehn Wochen ins KZ gesteckt und aus dem Reichsverband der Deutschen Presse ausgeschlossen. Es gab aber auch ein erfreuliches Ereignis in diesen betrüblichen Zeiten: Knauf heiratete (in zweiter Ehe) Erna Donath, seine ehemalige Sekretärin in der Büchergilde. Er wechselte in die Werbung und betreute als Pressesprecher der Filmproduktionsgesellschaft Terra Film alle Filme von Heinz Rühmann. Der machte ihn mit dem Komponisten Werner Bochmann, ebenfalls einem gebürtigen Meeraner, bekannt. Zwischen den beiden entstand die gedeihliche Zusammenarbeit, die ihren größten Erfolg in dem Lied Heimat, deine Sterne fand. Im Original wurde es von Wilhelm Strienz gesungen, später auch von Rudi Schuricke, Fred Bertelmann, Bruce Low und Freddy Quinn. Der zweite große Wurf, der dem Duo Bochmann/Knauf gelang, war Mit Musik geht alles besser aus dem Film Sophienlund.
EINE UNBEZAHLTE RECHNUNG
Das Schicksal führte zwei der drei Erichs, nämlich Ohser und Knauf, 1944 im ausgebombten Berlin wieder zusammen. Dass Knauf im Luftschutzkeller dem schwerhörigen Ohser politisch-unkorrekte Witze ins Ohr brüllte, wurde den beiden zum Verhängnis. Sie wurden von einem Nachbarn, Hauptmann Bruno Schultz, denunziert. Die Freunde wurden verhaftet, vor Gericht gestellt und zum Tode verurteilt. Vergeblich bemühten sich prominente Fürsprecher, allen voran Heinz Rühmann, um eine Begnadigung. Während sich Ohser in der Nacht vor der Hauptverhandlung in der Zelle mit seinen Hosenträgern erhängte, wurde Knauf nach einem Schauprozess am 2. Mai 1944 in Brandenburg enthauptet. Die Tatsache, dass die Rechnung für die Kosten exakt in der Höhe von 585,74 Reichsmark Knaufs Witwe in Rechnung gestellt wurde, veranlasste Erich Kästner zu dem Artikel „Eine unbezahlte
Rechnung“, der am 14. Jänner 1946 in der Neuen Zeitung veröffentlicht wurde. Er wurde nicht müde, an das Schicksal seiner beiden Freunde zu erinnern: „Sie wollten, mit einem Minimum an Konzessionen, das braune Reich überdauern. Sie hofften, es werde gutgehen. Es konnte nicht gut gehen, und es ging nicht gut. Sie verleugneten ihre eigentlichen Talente, damit sie nicht missbraucht würden. Ihre eigene Meinung konnten sie auf Dauer nicht verbergen.“
DAUERAUSSTELLUNG IN MEERANE
Fast unerschöpflich ist auch die Ausdauer, mit der Meeraner Schriftsteller Wolfgang Eckert sich mit dem Leben von Erich Knauf beschäftigt und gegen dessen Vergessen ankämpft. Sein Buch Heimat, deine Sterne… erschien 2009 als Neuauflage beim Vergangenheitsverlag. Den Nachlass, den ihm seine Witwe vermachte, stellte Eckert dem Kunsthaus Meerane zur Verfügung. Seit 2011 wird dort mit einer Dauerausstellung den zwei großen Söhnen der Stadt, Werner Bochmann und Erich Knauf Tribut gezollt. Ihr berühmtestes Lied findet heute noch begeisterte Zuhörer, wie mehr als eine Million Klicks auf Youtube beweisen.