ExCellent durch die Krise – Kreative Wege in Zeiten des Lockdown (Teil I )

Von Turid Müller

Was machen eigentlich die Absolvent*innen der Celler Schule jetzt, wo die Spielstädten geschlossen sind? – Weiter! Aber oft auf anderem Wege…

Mario Rembold

Mario Rembold, Celler Schule 2015, ist (im bürgerlichen Beruf) Wissenschaftsjournalist. Er betrachtet den Ausnahmezustand durch die Brillen seiner beiden Professionen, die auf unterschiedliche Weise vom Shutdown betroffen sind: „Mein Song Tausend Smileys und ein Herz entstand im heimischen Wohnzimmer (Wo sonst?). Was mach ich sonst so? Als Wissenschaftsjournalist schreibe ich und telefoniere auch schon mal mit Forschern. Da ich meist zuhause arbeite, ist das keine große Umstellung. Sorgen habe ich trotzdem, was meine Auftragslage in naher Zukunft betrifft. Vieles wird sich ja ändern, für jeden von uns. Erstmal ist wichtig, gesund zu bleiben und die Menschen um uns zu schützen.“

Aus professioneller Sicht aus der Welt der Wissenschaft hat er einen Wunsch: „Leider gibt es in den digitalen sozialen Netzen derzeit massenhaft selbsternannte Experten, die mit gefährlichem Halbwissen fragwürdige Thesen verbreiten und damit Klicks generieren. Als Wissenschaftsjournalist wünsche ich mir jetzt, dass wir ausnahmsweise mal alle auf die seriösen Stimmen hören.

Melvin Haack

Als Songschreiber und Bühnenbiologe will ich aber auch, dass wir dabei unseren Mut und Humor behalten. Momentan ist das Wichtigste: Meidet soziale Kontakte! Damit schützt ihr euch und eure Lieben. Aber hey: Ihr dürft trotzdem Spaß haben, mit Freunden videochatten, lustige Videos anschauen oder selber filmen. Seid kreativ oder fahrt einfach mal runter. Es gibt eine Welt nach SARS-CoV-2. Bis dahin lasst uns die Menschen um uns herum schützen, lasst uns gesund bleiben – damit es für all unsere Lieben auch ein Leben nach Corona gibt.“

Melvin Haack, Celler Schule 2016, ist in Wohlstandsquarantäne. Diese gibt ihm und seiner Band Schnaps im Silbersee aber ganz offenbar Zeit für neue Musikvideos.

Und da ist er nicht allein. Viele Kreative stehen statt auf der Bühne zurzeit im Netz.

Michael Krebs

So zum Beispiel auch Michael Krebs, Celler Schule 2003. Er hat einen Online-Channel live aus dem Wohnzimmer ins Leben gerufen, um in Kontakt mit seinem Publikum zu bleiben, und mich damit auf die Idee zu diesem Artikel gebracht. Er hat übrigens seit Neustem in einen Spuckschutz auf dem Flügel investiert. – Ich zitiere: „Irre, was man alles schafft, wenn mal mal gar nichts tut!“

Dagmar Schönleber, Celler schule 2018, ist in der Krise regelmäßige Gästin in der Geistershow vom Hoftheater Baienfurt, Samstags 20:15. Dort spielt sie das Lied der Woche zur Lage der Nation. Und sie war im WDR-Portal #weiterlachen zu sehen. Zur Frage, was sie von einem eigenen Live-Channel hält, sagt sie: „Ich selbst bin noch nicht live gegangen, werde das auch vorerst nicht tun, da ist dieses Überangebot und ich würde das jetzt auch nicht exzessiv betreiben wollen…“

Dagmar Schönleber (Foto: Ralf Bauer)

Stefan Noelle, Celler Schule 2009, sieht die neuen Blüten, die die Kulturszene in Corona-Zeiten im Internet treibt, kritisch: „Ich nutze die freiwerdende Zeit vor allem zum Üben. Mich zu verbessern, damit ich nach der Krise im Zweifel noch mehr gefragt bin, ist immer ein gutes Ziel. Zum Schreiben fehlte mir bis jetzt die Muße, denn Verschiebungen und Umbuchungen erfordern Zeit. Skeptisch bin ich gegenüber dem ganzen freien Content, der jetzt von uns Kreativen massiv ins Netz gedrückt wird. Ich halte das für eine gute Möglichkeit zur Klientelpflege, bezweifle aber stark, dass das tatsächlich eine dauerhafte wirtschaftliche Grundlage für ganz viele sein kann. Im Gegenteil befürchte ich da eher eine weitere Entwertung unserer Arbeit, wenn wir jetzt massenhaft zeigen, dass wir alle bereit sind, ohne Bezahlung schöne Sachen zu machen. Unser Publikum darf uns ruhig ein bisschen vermissen, oder? Dann will es uns danach um so mehr wiedersehen.“

Und ich (Celler Schule 2016, by the way)? Ich habe keine Lust, mich durch vermeintlich unbürokratische Anträge und dergleichen zu arbeiten. Und ebenso wenig möchte ich, dass die kreative Selbst- und Frendausbeutung nun online fortgesetzt wird (Stichwort „Honorar können wir leider nicht zahlen, wir zahlen ja schon das Kamera-Team…“). Lieber mache ich aus der Not eine Tugend und freue mich, endlich Zeit zu haben: Ich schreibe an meinen Musical-Projekten, und sitze an neuen Songs für mein Programm. Mein persönliches Experiment heißt „Crowdfunding„: Dieser Tage startet ein Blog, der meine virtuelle Bühne sein wird in dieser Zeit. Wer will, kann sich gratis inspirieren lassen. Wer möchte kann aber auch solidarisch sein und spenden. Wofür: Für neue Gedichte, Geschichten, Sprüche und Songs, die uns online durch die Tage der Isolation begleiten, und die hinterher auf die Bühne kommen. Dann, wenn es wieder geht. Und bis dahin gilt: #wirbleibenzuhause