Zur Erinnerung an Paul Kuhn

Von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Am 23. September starb im Alter von 85 Jahren Paul Kuhn. Ein Grund, wieder einmal in der musikalischen Mottenkiste zu kramen. Paul Kuhn, ein gebürtiger Wiesbadener, war ein höchst vielseitiger Künstler, laut FAZ Deutschlands bester Jazzer, Pianist, Arrangeur, Bandleader und TV-Entertainer. Berühmt gemacht hat ihn aber ein kleines Liedchen: „Es gibt kein Bier auf Hawaii“. Die Single hat mittlerweile schon 50 Jahre zwischen den Rillen, den Refrain singen aber noch heute die Bierzeltbesucher unisono aus tausend Kehlen: „Es gibt kein Bier auf Hawaii, es gibt kein Bier. Drum fahr’ ich nicht auf Hawaii, drum bleib’ ich hier. Es ist so heiß auf Hawaii, kein kühler Fleck! Und nur vom Hulahula geht der Durst nicht weg!“ Entstanden ist das Lied, das der hawaiianischen Tourismusbehörde zum späteren Ärgernis gereichte, vermutlich in einer Bierlaune. Geschrieben hat den Text Wolfgang Neukirchner, Essener Verwaltungsrichter und ein Freund Paul Kuhns, der es allerdings vorzog, sich hinter blumigen Pseudonymen wie Josua Röckelein und Adolf von Kleebsattel  zu verschanzen. 

Kuhn hatte schon neun Jahre zuvor mit  „Der Mann am Klavier“ (Geb’n Se dem Mann am Klavier noch ein  Bier, noch ein Bier…), geschrieben von Horst-Heinz Henning,  einen Hit gelandet.  „Es gibt kein Bier auf Hawaii“ wurde aber sein größter kommerzieller Erfolg. Das Lied erreichte Platz 5 der deutschen Hitparade. Als Kuhn gefragt wurde, wie er, der Jazz-Pianist, so etwas singen hätte können, antwortete er: „Wegen der Straßenbahn.“ Große Augen beim Gegenüber. „Nach dem Krieg musste ich Straßenbahn fahren. Ich wollte aber lieber Cadillac fahren.“ Den kriegte er dann auch.

Paul Kuhn, dessen Gesicht eine unverwüstliche Lebenslandschaft aus Verschmitztheit, Melancholie und Altersgelassenheit war, blieb bis ins hohe Alter künstlerisch aktiv. Noch vor zwei Jahren sagte er in einem Interview: „Ich mache  weiter, bis der liebe Gott mir beim Klavierspielen auf die Finger klopft und sagt: Jetzt reicht’s.“  Am vergangenen Montag war es dann soweit. Dabei hätten wir dem Mann am Klavier so gern noch ein Bier gegeben. Und noch eins und noch eins…

 

 

Komm, großer schwarzer Vogel

von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Er war mit dem Tod auf du und du und hat das unausweichliche Ende in tröstende Poesie gekleidet. „Komm, großer schwarzer Vogel, jetzt wär’s gerade günstig. Die andern da im Zimmer schlafen fest, und wenn wir ganz leise sind, hört uns die Schwester nicht. Bitte, hol mich weg von da. Und dann fliegen wir rauf, mitten in Himmel rein, in a neue Zeit, in a neue Welt. Und i werd’ singen und lachen, i werd ‚Des gibt’s net’ schrei’n, weil i werd’ endlich kapier’n, worum sich alles dreht…“ Mehr als dreißig Jahren ist es her, dass Ludwig Hirsch, damals am Anfang seiner großen Karriere als Liedermacher und Chansonnier, dieses Lied schrieb. Vergangene Woche schied er freiwillig aus dem Leben. Vermutlich, um sich ein langes Leiden zu ersparen. „Dass ein solcher die Welt an einem grauen Nebeltag verlässt,ist eine makabre Verknüpfung der Kunst mit dem Leben“, schrieb Bernhard Flieher in den Salzburger Nachrichten. „Was bleibt, sind Lieder und Zeilen, die als nationales Kulturgut gelten müssen; Geschichten, die bei aller Stille nicht verhallen werden.“

Geschichten zu erzählen und dabei die Menschen zum Träumen, Staunen und Lächeln zu bringen, das war das, was Ludwig Hirsch wollte. „Mehr kann ich in Wirklichkeit ja auch gar nicht.“ Was für ein kokettes Understatement! Seine dunkelgrauen Lieder gefielen mir auf Anhieb. Obwohl ein gebürtiger Steirer verkörperte er die typische Wiener Seele. Ich mochte die Melancholie, der Hang zur Morbidität, den makabren Humor, natürlich auch die wunderbare Stimme und die unvergleichliche Art, die Texte zu interpretieren – ehrlich und unprätentiös.

Kennen gelernt habe ich den Hirscherl, so nannten ihn seine Freunde, im November 1979. Er gab sein erstes Konzert im ausverkauften Kongresshaus Salzburg, ich arbeitete als Journalistin. „Ich will Liederanwalt sein, Sprachrohr für die sprachlose Minderheit. Aber nie mit dem erhobenen Zeigefinger. Ich blinzle mir selber über die Schulter“, erzählte er mir bei einem Interview im „Podium“, dem damaligen Kult-Beisl in Salzburg. Heute habe ich den Zeitungsausschnitt aus meinem Archiv ausgegraben und dabei auch eine längst vergessene Autogrammkarte mit Widmung gefunden: Für Claudia vom Engerlrupfer Ludwig (Ja, ja, die Schutzengerln und Sternderln haben es ihm schon immer angetan.)

Und plötzlich wird die große Traurigkeit, die auf meinem Herzen liegt, ein bisschen kleiner.