Geschmack im Frack

Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Sieben Jahre ist nun schon wieder her, dass ich die Schulbank in Celle drückte. Am letzten Vormittag  – der Abschiedsschmerz hatte sich schon im Knopfloch eingenistet – ermunterte uns Edith Jeske, die uns als Musen-Muddi gemeinsam mit Tobias Reitz durch zwei spannende Wochen begleitet hatte, aufzuschreiben, wo wir uns in zehn Jahren sehen würden. Zehn Jahre! Was für ein langer Zeitraum! Ich weiß nicht mehr ganz genau, welche verwegenen Träume ich damals zu Papier gebracht habe. Ein Bild allerdings ist mir im Kopf geblieben: Ein Plakat auf einer Litfasssäule, darauf ein Gesangstrio im Frack, das meine Lieder singt.

Das mag wohl daran gelegen sein, dass ein Jahr zuvor die ersten Liedtexte von mir öffentlich aufgeführt wurden, und zwar Parodien, die ich auf Lieder aus den Zwanziger Jahren geschrieben hatte. Anlass war ein Jubiläum im Schauspielhaus Salzburg, das der dortige Freundes- und Förderverein veranstaltete. Drei Schauspielschüler, Hansi Anzenberger, Thomas Pfertner-Enzi und Michael Rutz, schlüpften für diesen Abend  in den Frack, griffen zum Mikro und sangen nach Art der Comedian Harmonists: „Ein Freund, ein guter Freund…“ Eine aufgelegte Sache, wenn Freunde feiern. Das Ergebnis: Viel Applaus und die Idee, in diesem Stil weiterzumachen. Dass es bei diesem einen Auftritt blieb, lag daran, dass es die drei jungen Schauspieler nach der Abschlussprüfung in verschiedene Winde blies.

Zwei Jahre später  lernte ich durch Georg Clementi (genau, der Troubadour 2012!) die Kaktusblüten kennen, drei musikalisch vielseitige Entertainer aus Graz. Ich mache es kurz:  Das Bühnen-Outfit von Christa Schreiner, Robert Persché und Martin Plass  ist  – Sie wissen es schon längst –  ein Frack. Morgen Abend treten die Kaktusblüten bei den Halleiner Festwochen auf – Texte von Claudia Karner.

Manchmal gehen Träume tatsächlich in Erfüllung…

 

Dreifach-Jackpot

von Claudia Karner (Celler 2006)

Das Leben ist die Summe der verpassten Gelegenheiten. Dieser Spruch fiel mir ein, als ich gestern zwei Jetons aus meiner Hosentasche fielen. Sie stammten aus dem Casino in Linz, wo vergangene Woche die Kaktusblüten im ausverkauften Casineum mit „Swing & more“ auftraten.

Die im Eintrittspreis inkludierten Jetons sollten die Konzertbesucher zu einem anschließenden Casino-Besuch animieren. Ich hatte allerdings keine Zeit für Roulette und einarmige Banditen. Auch Kaktusblüten brauchen Feuchtigkeit, und so begoss ich mit Christa Schreiner, Robert Persché und Martin Plass in der Künstlergarderobe den erfolgreichen Abend. Die drei hatten wieder einige Lieder im Programm, die ich für sie getextet  habe – Parodien auf amerikanischen Evergreens wie „Mister Sandman“ und „Cheek to cheek“. Es macht immer wieder Spaß, unerkannt im Zuschauerraum zu sitzen und zu erleben, wie die Pointen beim Publikum ankommen. Seit ihrem letzten Auftritt  in der Reihe Literatur im Café Mozart in Salzburg im vergangenen Dezember hatten ich die Kaktusblüten nicht mehr gesehen, und deshalb gab es eine Menge zu erzählen und zu besprechen. Und wir beschlossen: Jetzt werden endlich Nägel mit Köpfen gemacht!!! (Drei Ausrufezeichen)

Kann schon sein, dass ich in dieser Nacht die Bank gesprengt hätte, so wie der Glückspilz, der wenige Tage zuvor mehr als eine Million Euro abgesahnt hat, wenn ich … Aber was! Von wegen verpasste Gelegenheiten! Die Zusammenarbeit mit drei so wunderbaren Musikern wie Christa, Robert und Martin es sind, ist für mich mein persönlicher Dreifach-Jackpot. Und im Casino kann ich ja noch immer mein Glück versuchen. 😉

One Night Ständchen

Von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Was für ein genialer Titel für ein Konzert! Eingefallen ist er George Starzer, Bassist und Mastermind des Salzburger Acapella-Ensembles Auftakt. Auftakt steht für acht bzw. vier gemischte acapella-Stimmen und einen musikalischen Mix quer durch die Jahrhunderte. Ja, auch in der Renaissance wusste man schon mit schönen Tönen die Frauen zu betören. Die Sänger und Sängerinnen sind Amateure – im allerbesten Sinn des Wortes.  Was sie allerdings keineswegs davon abhält, sich auf  professionellem Niveau zu bewegen.

Am vergangenen Wochenende lud Auftakt zum ersten Mal das Publikum zu einem One Night Ständchen ein und spannte im kleinen theater den schwiegermuttertauglichen Bogen vom  schmachtenden Minnesang bis zum frivolen Blick auf Fräu’n Hélènes nackte Waden. Bei der umjubelten Premiere fehlte einer. Und das ganz spürbar –  George Starzer. Er war im Juli mitten in den Proben vollkommen überraschend an einem Herzversagen gestorben.

Meine letzte Begegnung mit George war im vergangenen Mai. „Auftakt“ gestaltete in der Reihe „Literatur im Café Mozart“ einen literarisch-musikalischen Abend, der dem Dichter  Eugen Roth gewidmet war. In diesem Programm hatten auch zwei meiner Parodien Platz. So wurde der Song der Flying Pickets „Only you“ zur verzweifelten, aber dennoch erfolglosen Suche eines Sockens nach seinem verschwundenen Pendant („Wo bist du?“) und in der Parodie auf den Beatles-Hit „Michelle“ wurde die ersehnte Fahrt zu Michelle durch die hohen Benzinpreise bei Shell & Co erschwert. „Zwei Welt-Uraufführungen“, wie Tenor Herwig Zott auf Facebook  augenzwinkernd vermerkte.

Es war ein wunderbarer Abend, und selbst nach der Sperrstunde wollte keiner so recht  nach Hause gehen. Vor allem George nicht. Nach einem Ständchen für Kurt Ranzenberger, den Cafétier, gab’s dann doch noch eine Extrarunde. „Du hast Glück bei den Frau, bel ami“, sang George mit seinem samtenen Bass. Das verfehlte nicht die Wirkung. Musik öffnet  eben nicht nur Herzen, sondern auch den Zapfhahn.

Wie gerne würde ich noch einmal mit dir anstoßen und auf dein Wohl trinken, George! Du fehlst!