Eine Frage der Blickrichtung – Feindlers Monatsgedicht März bezieht Stellung zu Hanau, Thüringen und Halle

Zusammengestellt von Turid Müller

Er findet Worte für die Ereignisse, die dieser Tage vielen die Sprache verschlagen haben…

 

Im Newsletter März empfiehlt Michael Feindler einen Beitrag vom Deutschlandfunk – schon ein paar Jahre alt, aber leider noch immer aktuell. Es sei eben – mein Feindler:

Eine Frage der Blickrichtung

Wir können es nur schwer ertragen –
doch, wie es dazu kam, verstehen.
Und sollte irgendwer nun sagen,
er habe das nicht kommen sehen,
was sich seit tausenden von Tagen
am Horizont zusammenbraute,
der muss sich heute ernsthaft fragen,
wohin er all die Jahre schaute.

Wegbereiter für die tödlichen Folgen der Hetze, wie wir sie in Hanau erleben mussten, will der Textdichter nicht nur in den Reihen der AFD sehen. Und so legt er uns Lesenden einen Text der Krautreporter ans Herz, der auch die Rolle der Unionsparteien aufs Korn nimmt.

 

Er schließt mit den Worten:

„Alles Gute und einen aufmerksamen Blick“!

In diesem Sinne…

 

„Kompensation“ – Monatsgedicht anlässlich der Europawahl

Von Turid Müller

Vor einer Woche hat Europa gewählt. Michael Feindler hat im Vorwege mit seinem Gedicht des Monats dazu aufgerufen, möglichst wenig Menschen ins EU-Parlament einziehen zu lassen, die „die Existenzberechtigung aller Menschen keinesfalls für selbstverständlich halten„:

Kompensation
Ein Mensch ist ziemlich oft frustriert,
er fühlt sich nämlich ignoriert –
nicht von Kollegen und den Seinen,
doch von der Welt im Allgemeinen.
Zwar könnte er nur selten sagen,
er hätte etwas beizutragen
von allgemeiner Relevanz,
(weshalb das mit der Ignoranz,
die man ihm meist entgegenbringt,
von außen leider logisch klingt),
doch will er – fällt ihm auch nicht ein,
warum – sehr gerne wichtig sein.
Da kommt geradezu gelegen
ein Anlass, sich mal aufzuregen:
Wieso genau? Egal. Dagegen!
Der Mensch bemerkt: Wenn wer Bekanntes
was sagt – am besten Relevantes –
und jemand lautstark reagiert,
wird dieser kaum mehr ignoriert,
was online einfach funktioniert:
Für eine Zwei-Wort-Reaktion
im dreisten aggressiven Ton
gibt’s vier Minuten Ruhm als Lohn.
Sobald der Mensch nun Chancen wittert,
beginnt er wütend, wild, verbittert
zu schimpfen – bis man vor ihm zittert.
Dann spürt er neuen Lebensschwung
und Existenzberechtigung.

Die Wahl liegt hinter uns. Aber das Gedicht verliert nicht an Gültigkeit…