O du fröhliche… – Johannes Daniel Falk im Porträt

von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

„O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit! Welt ging verloren, Christ ist geboren: Freue, freue dich, o Christenheit!“ Es ist mittlerweile Tradition, dass ich im Dezember den Textdichter eines bekannten Weihnachtsliedes porträtiere. Heute: Johannes Daniel Falk.
Legende oder Wahrheit? Ein kleiner italienischer Flüchtlingsbub, der in den Wirren der Napoleonischen Kriege im Waisenhaus von Johannes Daniel Falk in Weimar Unterschlupf gefunden hatte, soll den Herbergsvater zu dem Lied „O du fröhliche“ inspiriert haben. Der Bub sang ein sizilianisches Marienlied, die Melodie blieb Falk im Ohr und er machte ein Weihnachtslied daraus. Der Wahrheit näher kommt wohl die Annahme, der Dichter hätte „O sanctissima, o purissima, dulcis virgo Maria“ in einer 1807 erschienenen zweiten Ausgabe von Gottfried Herders Sammlung „Stimmen der Völker in Liedern“ entdeckt und 1816 neu betextet.

Falk dachte praktisch. Er wollte ein Lied schreiben, das für alle drei Hauptfeste im Kirchenjahr, also für Weihnachten, Ostern und Pfingsten geeignet war. Ein Allerdreifeiertagslied, wie er es nannte. In einer späteren Bearbeitung 1826 von Heinrich Holzschuher wurde eines der meist gesungenen Weihnachtslieder daraus. Diesen Erfolg erlebte Falk allerdings nicht mehr. Er war bereits im Februar des Entstehungsjahres gestorben. Pikanterie am Rande: Die selbe Melodie wurde auch für ein Schlachtenlied verwendet. „Hör uns, Allmächtiger, hör uns, Allgütiger, himmlischer Führer der Schlachten“ – mit diesem Text des Schriftstellers Theodor Körner auf den Lippen zogen Soldaten in den Krieg.
Zurück zu Johannes Falk. 1768 in Weimar als Sohn eines Perückenmachers geboren, musste er schon als Zehnjähriger in der Werkstatt seines Vaters arbeiten. Ein Lehrer, der seine Begabung erkannte, gab ihm Privatunterricht. Dank der Fürsprache eines Pfarrers durfte er das Gymnasium besuchen und später Theologie studieren. Falk, bekannt als kritischer Geist, brach jedoch das Studium ab, um als Publizist zu arbeiten, wo er sich im Dunstkreis von Goethe, Herder und Wieland bewegte. Unter anderem machte er sich durch die Herausgabe des „Taschenbuchs für Freunde des Scherzes und der Satyre“ einen Namen.

Eine familiäre Tragödie – vier seiner Kinder starben an Typhus – war der Anlass, das sogenannte „Rettungshaus für verwahrloste Kinder“, zu gründen. Die Napoleonischen Kriege und die Völkerschlacht zu Leipzig hatten viele Kinder zu Waisen gemacht. Falk und seine Frau Caroline setzten mit ihrem außerordentlichem Engagement einen Meilenstein in der Jugendsozialarbeit.
Nicht nur ein Denkmal in Weimar erinnert an den großen Wohltäter. Zahlreiche soziale Einrichtungen tragen heute den Namen von Johannes Falk. Er fand auch einen Platz im Evangelischen Namenkalender, am 14. Februar, seinem Todestag. Und sogar ein Asteroid ist seit 2003 nach ihm benannt. 48480 – ein Stern, der seinen Namen trägt.

Ihr Kinderlein kommet – Christoph von Schmid im Porträt

Von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

So muss man Feste feiern! Christoph von Schmid, der Textdichter des Weihnachtsliedes Ihr Kinderlein kommet, wäre heuer 250 Jahre alt geworden. Seine Heimatstadt Dinkelsbühl dachte sich für das Jubiläumsjahr etwas Besonderes aus und rief zum Flashmob #SingHisSong auf. Und alle – nicht nur die Kinderlein – kamen, sangen, spielten, rappten und rockten. Die Ersten schon zum Geburtstag im August, die Letzten am 1. Adventwochenende. Wer war der Mann, der noch heute die Massen begeistert?

IHR KINDERLEIN KOMMET

Geboren wurde Christoph Schmid am 15. August 1768 in Dinkelsbühl als Sohn des höheren Beamten Friedrich Schmid und dessen Gattin Theresia. Er war der älteste von neun Kindern, bekam nach der Grundschule Privatunterricht im Kloster und wechselte dann in das Gymnasium in Dillingen. Nach dem Abitur war er als Hauslehrer tätig, wo er sein pädagogisches und erzählerisches Talent entwickelte. Ab 1785 studierte er Philosophie und Theologie an der bischöflichen Universität Dillingen und wurde 1791 zum katholischen Priester geweiht. Er arbeitete in verschiedenen Gemeinden als Seelsorger und wurde 1827 zum Domherrn in Augsburg ernannt. Zehn Jahre später wurde Schmid von König Ludwig I. in den Adelsstand erhoben.

DIE KINDER BEY DER KRIPPE

Christoph von Schmid war auch der erfolgreichste Kinder- und Jugend-schriftsteller seiner Zeit. Er schrieb Erzählungen mit pädagogischen Anliegen in einer auch für Kinder verständlichen Sprache, das Oratorium Caecilia oder Die Feyer der Tonkunst (vertont von Georg Valentin Roeder) und Kirchenlieder. Bis heute noch in aller Munde: Ihr Kinderlein kommet. Es ist vermutlich 1789 an seinem ersten Dienstort in Nassenbeuren entstanden. Ursprünglich hatte das Gedicht acht Strophen und hieß Die Kinder bey der Krippe. In der Vertonung von Franz Luft wurde es 1818 in die Sammlung Blüthen, dem blühenden Alter gewidmet aufgenommen. Das Autograph befindet sich heute in der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg. Bekannt geworden ist das Lied Ihr Kinderlein kommet aber erst in einer späteren Vertonung des Lüneburger Komponisten Johann Abraham Peter Schulz, Hofkapellmeister am dänischen Hof in Kopenhagen. 1832 veröffentlichte es der Gütersloher Volksschullehrer und Organist Friedrich Hermann Eickhoff, dessen Schwiegervater der Verleger Carl Bertelsmann war, in der Sammlung Sechzig deutsche Lieder für dreißig Pfennig. Das Notenheft wurde ein Verkaufsschlager. Durch die Auswanderer gelangte das Lied in die große weite Welt und wurde in 24 Sprachen übersetzt.

SING HIS SONG!

Christoph von Schmid war ein langes Leben vergönnt. Er starb am 3. September 1854 im Alter von 86 Jahren in Augsburg, wo er auch begraben wurde. Sein Name ist nicht in Vergessenheit geraten. Mehrere Straßen und Schulen in Orten und Städten, in denen er gearbeitet hatte, wurden nach ihm benannt. Und noch zu seinen Lebzeiten wurde dem edlen Freund der Jugend, dem Lehrer hoher Tugend, so die Inschrift, auf der Eurasburg bei Augsburg eine Linde gepflanzt. Ob es sich bei dem Baum tatsächlich noch um das Original handelt, wie behauptet wird? Der berühmte Bildhauer und Schüler von Ludwig Schwanthaler, Maximilian Widnmann, schuf 1859 ein imposantes Denkmal, das vor dem Münster St. Georg in Dinkelsbühl steht. Anlässlich des 250. Geburtstags von Christoph von Schmid wurde es Christo-mäßig verhängt. Auf Schildern stand zu lesen: Don’t watch him! #SingHisSong!

Yes, we do it! Spätestens am 24. Dezember!

Leise rieselt der Schnee – Eduard Ebel im Porträt

Weihnachtskarte: Kinder, Schnee, Regenschirm

 

Von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Traditionelle Weihnachtslieder haben jetzt Hochsaison. Ganz weit oben in der Beliebtheitsskala der Deutschen steht das Lied Leise rieselt der Schnee, in dem der Theologe Eduard Ebel vor 122 Jahren eine Weihnachtsidylle beschrieb, nach der sich alle Romantiker noch heute sehnen. Ihm ist dieses Porträt gewidmet.

DER ORIENT IST EIN ZAUBERLAND

Eduard Ebel wurde am 7. August 1839 in Stargard in Westpreußen (heute Polen) geboren. Nach dem Theologiestudium in Königsberg trat er seine erste Stelle als evangelischer Pfarramtskandidat in Hamburg an, danach wurde er Seelsorger und Predigerin Königsberg. Von 1866 bis 1869 war er als Pastor in der deutsch-französischen evangelischen Gemeinschaft in Beirut im Osmanischen Reich tätig. „Der Orient ist ein Zauberland; wer einmal seinen Boden betreten, wird die Sehnsucht nach seinen ewigen Höhen nicht mehr in diesem Erdenleben los.“ Für das Wochenblatt der Johanniter  schrieb er im Dezember 1869: „Es ist Weihnacht geworden im heiligen Lande. Nicht, wie daheim, mit Schnee und Regen, nein, wie zur Zeit, als die Hirten mit ihren Herden des Nachts auf den Feldern lagerten, – sonnenhell und warm.“

LEISE RIESELT DER SCHNEE

Einige Jahre später – Ebel war nach Westpreußen zurückgekehrt und arbeitete als Pfarrer in Graudenz – sah die Welt wieder ganz anders aus. Weiße Flocken fielen vom Himmel, der See war vereist:  ein Szenario, das Ebel wohl zu Leise rieselt der Schnee inspirierte. Als kleiner Weihnachtsgruß für Kinder waren die Zeilen gedacht, die er 1895 in dem Band „Gesammelte Gedichte“ veröffentlichte. Auch die Melodie stammt vermutlich von ihm. Allerdings gibt es keinen Beleg dafür. Nicht nur in Kindergarten, Schule und Familie wird das Lied gesungen, auch die Unterhaltungsindustrie kam und kommt nicht daran vorbei. Die Liste der Sänger und Sängerinnen, die Leise rieselt der Schnee im Repertoire haben, ist lang. Hier einige Interpreten: Peter Alexander, Heintje, Die Wiener Sängerknaben, Hermann Prey, die Fischer Chöre, Mireille Matthieu, Nana Mouskouri, Roger Whittaker, die Kelly Family sowie – man höre und staune – Udo Lindenberg und Unheilig. Auch eine englische Übersetzung gibt es: Softly falls the snow. Das Lied wurde und wird gern als Vorlage für spöttische Parodien wie diese verwendet: Leise rieselt die Vier/auf das Zeugnispapier./ Hört doch, wie lieblich es schallt/, wenn die Ohrfeige knallt.

Eduard Ebel zog kurz vor der Jahrhundertwende mit seiner Familie nach Halle an der Saale und wurde dort Superintendent. Am 30. Januar 1905 verstarb er im Alter von 66 Jahren. Als großer Vorteil für seine Erben erwies sich der Umstand, dass Ebel der 1903 gegründeten Genossenschaft der Tonsetzer (GdF) beigetreten war, der ersten Verwertungsgesellschaft und Vorläuferin der GEMA. Denn die Noten für Leise rieselt der Schnee entwickelten sich zu einem Verkaufsschlager. Seine Tochter kassierte noch 1955 an die 10.000 DM an Tantiemen. Dann erlosch die Regelschutzpflicht, die damals bis 50 Jahre nach dem Tod des Verfassers galt.

SCHNEEGESTÖBER IN DER KUGEL

Eduard Ebel
Die 1. patentierte Schneekugel

Während Eduard Ebel heute vollkommen in Vergessenheit geraten ist – nicht einmal eine Abbildung existiert von ihm – ist Leise rieselt der Schnee zum geflügelten Wort geworden. In der Firma Perzy in Wien-Hernals, der 1. Wiener Schneekugelmanufaktur, bestimmt die Parole sogar ganzjährig den Unternehmensalltag. Erwin Perzy, Mechaniker für chirurgische Instrumente und Spielzeugbauer erfand um 1900 bei der Suche nach einer besonders hellen Lichtquelle als Nebenprodukt die Schneekugel, die als „echte Glaskugel mit Schnee-Effekt“ zum Patent angemeldet wurde. Darin war ein Metallmodell der Basilika von Maria Zell, um das beim Schütteln Schneeflocken aus Gries wirbelten. Heute werden in 3. Generation an die 300 verschiedenen Motive hergestellt und in alle Welt exportiert. Sogar auf dem Schreibtisch von US-Präsident Bill Clinton soll eine Schneekugel aus dem Hause Perzy gestanden sein. Ob Bill bei ihrem Anblick I’m dreaming of a white Christmas? gesungen hat? Oder doch Softly falls the snow?

 

 

O Tannenbaum! Ernst Anschütz im Porträt

Von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Alle Jahre wieder die gleiche Diskussion: Hat der Tannenbaum nun treue Blätter, oder doch grüne? Und warum eigentlich Blätter? Schließlich gehören doch die Tannen zu den Nadelbäumen…

ernst-anschuetz
Ernst Anschütz

All diese kniffeligen Fragen verdanken wir Ernst Anschütz, der uns vor knapp zweihundert Jahren das Lied O Tannenbaum zum Weihnachtsgeschenk gemacht hat.

FUCHS, DU HAST DIE GANS GESTOHLEN

Ernst Gebhard Salomon Anschütz wurde 1780 in Goldlauter in Thüringen als evangelischer Pfarrerssohn geboren. Er besuchte das Gymnasium und studierte in Leipzig Theologie und Philosophie und nahm bereits 1799 in Leipzig seine erste Stelle als Lehrer an der Wendlerschen Freischule, einer Armenschule, an. Anschütz spielte ausgezeichnet Klavier, Orgel, Violine und Klarinette und nahm großen Anteil am musikalischen Leben in Leipzig. Als Mitglied einer Freimaurerloge blieben ihm alle Kirchenämter und ein Posten als Schuldirektor verwehrt und er hatte große Schwierigkeiten, für den Lebensunterhalt seiner Frau Amalie und seiner sieben Kinder zu sorgen. Fünzig Jahre lang arbeitete er als Lehrer und Organist und gab auch privaten Musikunterricht. Anschütz’ große Leidenschaft galt neben dem Schachspiel dem Sammeln von Volks- und Kinderliedern. Er verfasste selbst Texte und Melodien wie Fuchs, du hast die Gans gestohlen, schrieb aber auch viele bereits bestehende Lieder kindgerecht um.

O MÄGDELEIN, WIE FALSCH IST DEIN GEMÜTE

Auch heute gehören Lieder wie Es klappert die Mühle am rauschenden Bach oder Wenn ich ein Vöglein wär’ zum Standardprogramm der Kindergartenkinder (oder zumindest deren sangesfreudigen Großeltern. Für Ein Männlein steht im Walde (Text: Hoffmann von Fallersleben) und für Alle Jahre wieder (Text: Wilhelm Hey) schrieb Anschütz die Melodie. Auch diese Lieder sind in dem dreibändigen Musikalischen Schulgesangsbuch, das er im Verlag seines Freundes Anton Philipp Reclam herausbrachte und ihn zu einem der Väter des Schulsingens in Deutschland machte, enthalten. Er verzichtete weitgehend auf das Honorar, um den Eltern den Kauf des Buches zu ermöglichen. Ob auch Alle meine Entchen von Anschütz stammt, ist nicht hundertprozentig belegbar. 1824 fiel ihm ein Lied des Pädagogen, Predigers und Volksliedsammlers August Zarnack (1777 – 1827) in die Hände, in dem sich unter dem Titel O Tannenbaum ein enttäuschter Liebhaber über seine untreue Geliebte beklagte und dabei den Vergleich zum weitaus beständigeren Nadelbaum heranzog. Und das auf die leicht variierte Melodie einer alten Volksweise aus dem 16. Jahrhundert. Dieses Lied, in dessen zweiter Strophe O Mägdelein, o Mägdelein, wie falsch ist dein Gemüte gesungen wird, ist heute noch im Allgemeinen Deutschen Kommersbuch zu finden.

tannenbaum
O TANNENBAUM, WIE TREU SIND DEINE BLÄTTER

O TANNENBAUM, WIE TREU SIND DEINE BLÄTTER

Anschütz machte es zum Weihnachtslied, in dem er die erste Strophe beibehielt und die folgenden zwei umschrieb. Das Aufstellen von Tannen als Weihnachtsbäume war inzwischen ein landesweiter Brauch geworden. Die zweite Zeile des Liedes hieß ursprünglich Wie treu sind deine Blätter. Auch in Anschütz’ Version blieb das zuerst unverändert, jedoch wurde der Text Wie grün sind deine Blätter im 20. Jahrhundert besser bekannt. „Eine in diesem Ausmaß beispiellose Huldigung einer Baumgattung: Inbegriff der Treue und unverwüstlich in der Farbe. Zu Weihnachten hätten alle ihre helle Freude an ihr“, schreibt der Autor Daniel Glattauer in seinem satirischen Büchlein „Der Karpfenstreit – Die schönsten Weihnachtskrisen“. Er kennt vermutlich Robert Gernhardts Geschichte „Erna, der Baum nadelt!“ nicht. Die Einfachheit der Melodie und die Bekanntheit des Liedes reizte auch außerhalb der Weihnachtssaison zum Umdichten. So gab es nach der Abdankung von Kaiser Wilhelm II. 1918 die Zeilen wie O Tannenbaum … der Kaiser hat in’ Sack gehaun, er kauft sich einen Henkelmann und fängt bei Krupp in Essen an. Und unzählige Versionen wie O Tannenbaum, der Lehrer hat mich blau gehaun, O Tannenbaum, die Oma sitzt im Kofferraum oder O Gaslatern’, wie haben dich die Hunde gern kursieren seit Generationen viel belacht auf den Schulhöfen.

MARYLAND, MY MARYLAND

O Tannenbaum wurde in der Originalfassung auch in vielen anderen Sprachen übersetzt und kaum ein Sänger, eine Sängerin oder ein Kinderchor, der Weihnachtslieder im Programm hat – von Placido Domingo, Andrea Bocelli, Nana Mouskouri und Helene Fischer bis zu den Wiener Sängerknaben (die Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen) – kommen um den kassenklingenden Hit herum. Die Melodie wird aber auch weltweit zweckentfremdet. Chinesen singen sie als Schulhymne, die Bewohner des US-Staates Maryland als Landeshymne, und die Fans des englischen Fußballvereins FC Chelsia brüllen We’ll keep the blue Flag flying high durchs Stadion.

Was wohl der Schöpfer des unsterblichen Weihnachtsliedes, der am 18. Dezember 1861 in ärmlichen Verhältnissen in Leipzig starb, dazu gesagt hätte? Die Grabstätte auf dem Neuen Johannisfriedhof wurde mittlerweile aufgelassen. In seinem Geburtsort Goldlauter erinnert eine Straße und ein bescheidener Gedenkstein am alten Pfarrhaus an ihn. Und all die ungezählten Tannen im nahen Thüringer Wald mit ihren treuen (Biologielehrer bitte weghören!) Blättern.

Alle Jahre wieder: Wilhelm Hey im Porträt

Von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

 

Kleine Vorbemerkung: In der Serie „Wer schrieb eigentlich…?“ stelle ich Textdichter des 20. Jahrhunderts vor. Alle Jahre wieder mache ich im Dezember eine Ausnahme und porträtiere einen Textdichter, der uns ein Weihnachtslied geschenkt hat, das noch heute zum singbaren Familien-Repertoire unter dem Christbaum zählt. Heuer ist Alle Jahre wieder an der Reihe.

Wilhelm Hey
Grafik: Freundeskreis Wilhelm Hey

„Alle Jahre wieder kommt das Christuskind auf die Erde nieder, wo wir Menschen sind.“ So lautet die erste Strophe des Weihnachtsklassikers. Als Wilhelm Hey 1837 den Text schrieb, konnte er nicht ahnen, dass die ersten drei Worte fast 200 Jahre später auch außerhalb der Weihnachtszeit zum allgemeinen Zitatenschatz zählen würden. Alle Jahre wieder! – gefolgt von einem tiefen Seufzer: Und schon wissen wir, nun kommt etwas Unabwendbares, eine Regelmäßigkeit, der wir – egal ob erfreulich oder nervig – wir nicht entrinnen können. Auch die 11,5 Millionen Internet-Einträge, die die Suchmaschine in 0,31 Sekunden ausspuckt, sprechen eine deutliche Sprache.

WILHELM HEY (1798 – 1854)

Wilhelm Hey wurde 1798 als Sohn eines evangelischen Pfarrers in Leina (Thüringen) geboren und wuchs nach dem Tode seiner Eltern bei seinem Bruder Karl auf. Nach dem Besuch des Gymnasiums in Gotha studierte er Theologie in Jena und Göttingen. Er war als Haus- und Internatslehrer tätig, ehe er 1818 Pfarrer in Töddelstadt bei Erfurt wurde. (Das war auch das Jahr, in dem zum ersten Mal Stille Nacht, heilige Nacht in Oberndorf bei Salzburg erklang.) Hey wurde Hofprediger in Gotha, danach Superintendent in Ichtershausen und zeichnete sich durch sein soziales Engagement für Handwerker, Lehrlinge sowie berufstätige Mütter und deren Kinder aus. 1847 wurde ihm von der Universität Heidelberg das Ehrendoktorat verliehen.

ALLE JAHRE WIEDER

Zu dieser Zeit hatte sich Hey schon einen Namen als Fabeldichter gemacht. Das Buch Fünfzig Fabeln für Kinder, das Otto Speckter illustrierte, erschien 1833 zwar anonym und wurde deshalb vorerst dem Illustrator zugeschrieben. Das zweite Buch Noch fünfzig Fabeln für Kinder erschien 1837 unter Heys Namen. Sie wurden durch das Geschick des Verlegers Friedrich Perthes, den mit Hey eine lange Freundschaft verband, d a s deutsche Bilderbuch des 19. Jahrhunderts. Hey schrieb klare, ungekünstelte und für Kinder leicht verständliche Reime. Das machte den großen Erfolg aus. Die Fabeln wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Hey war ebenfalls als Übersetzer tätig. So übertrug er 1838 The Course of Time von Robert Pollok vom Englischen ins Deutsche. Wer nun Interesse bekommen hat: Hier ist eine umfangreiche Fabelsammlung zu finden.

Wilhelm Hey 2Anlässlich Heys 100. Geburtstag stand in der Zeitschrift Die Gartenlaube: „Zahllose Nachahmungen der Heyschen Fabeln haben die meisterhaften Vorbilder weder erreichen noch verdrängen können und wenn auch für den Dichter in den meisten Literaturgeschichten kaum ein Platz von wenigen Zeilen übrig ist, seine Dichtungen selbst sorgen dafür, seinem Namen den gebührenden Ehrenplatz dauernd zu sichern.“

1837 hatte Wilhelm Hey die Idee zu Alle Jahre wieder. Die Melodie wird dem Komponisten und Musikpädagogen Friedrich Silcher zugeschrieben, der sie in seinem Liederzyklus Zwölf Kinderlieder aus dem Anhange des Speckter’schen Fabelbuches von 1842 veröffentlichte. Eine andere Melodiefassung stammt von dem Komponisten, Organisten und Lehrer Ernst Anschütz, dem ein weiterer Weihnachts-Evergreen zu verdanken ist: O Tannenbaum.

WEISST DU, WIEVIEL STERNLEIN STEHEN?

Wilhelm Hey war zweimal verheiratet. Nach dem Tod seiner Frau Auguste 1827 heiratete er fünf Jahre später Luise von Axen. Den gemeinsamen Sohn Wilhelm, der 1838 auf die Welt kam, sang er vermutlich mit seinem berühmten Wiegenlied in den Schlaf: Weißt du, wieviel Sternlein stehen? Der Autor Karlheinz Maess wählte die letzte Zeile des Liedes als Titel für eine Biographie. „…kennt auch dich und hat dich lieb.“ Das Leben des Pfarrers und Freundes der Kinder Wilhelm Hey, die 1989 erschien.

In Leinatal ist der Sitz des Freundeskreis Wilhelm Hey, der sich zur Aufgabe macht, das Andenken an den Dichter, dessen Lieder auch im Evangelischen Gesangsbuch zu finden sind, zu bewahren. In Töttelstädt erinnert eine Gedenktafel am ehemaligen Pfarrhaus an sein Leben und Wirken, außerdem trägt eine Straße seinen Namen. In Ichtershausen ist die Staatliche Regelschule nach Wilhelm Hey benannt. Die sogenannte Hey-School!

Stille Nacht: Joseph Mohr im Porträt

Von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Kleine Vorbemerkung: In der Serie „Wer schrieb eigentlich…?“ stelle ich Textdichter des 20. Jahrhunderts vor. Aus gegebenem Anlass mache ich heute eine Ausnahme und porträtiere jenen Mann, der der Welt das berühmteste Weihnachtslied aller Zeiten beschert hat. (Auch wenn er schon im 19. Jahrhundert gelebt hat.)

ERST SINGEN, DANN DIE GESCHENKE!

„Stille Nacht, heilige Nacht! Alles schläft, einsam wacht nur das traute hochheilige Paar…“ Es ist ein ehernes Familiengesetz: Erst nach dem kollektiven Absingen von „Stille Nacht“ (zumindest der ersten Strophe!) vor dem im Kerzenschein erstrahlenden Weihnachtsbaum dürfen die Geschenke ausgepackt werden. Zu verdanken haben wir das Joseph Mohr. Er hatte den Einfall zu „Stille Nacht“ – vor fast 200 Jahren.

Jpseph MohrJoseph Mohr wurde unter keinem guten Stern geboren. Er kam am 11. Dezember 1792 in der Stadt Salzburg als uneheliches Kind der Strickerin Anna Schoiber zur Welt. Sein Vater Franz Mohr war ein ehemaliger Soldat aus dem Lungau, dem südlichsten Bezirk im Land Salzburg. Der kleine Joseph wuchs in ärmlichsten Verhältnissen auf. Zum Glück erkannte ein Domvikar das musikalische Talent des Buben und nahm ihn unter seine Fittiche. Er ermöglichte ihm den Besuch eines Gymnasiums und in weiterer Folge ein Theologiestudium. 1815 wurde Joseph Mohr zum katholischen Priester geweiht. Dafür brauchte er allerdings als unehelich Geborener vom Papst eine Ausnahmegenehmigung. Seine erste Anstellung führte ihn nach Mariapfarr, in die Heimatgemeinde seines Vaters. Dort hatte er auch den genialen Einfall zu jenem Gedicht, das in der Vertonung von Franz Xaver Gruber den Siegeszug um die ganze Welt antreten sollte.

EIN LIED GEHT UM DIE WELT

Im Jahre 1817 verschlug es Mohr nach Oberndorf. Als kurz vor Weihnachten 1818 die Orgel in der St. Nikolaus-Kirche streikte, bat er den Organisten Franz Xaver Gruber, der als Lehrer in der Nachbargemeinde Arnsdorf arbeitete, das sechsstrophige Gedicht „Stille Nacht“ zu vertonen. Gruber schrieb zwei Solostimmen mit Gitarrenbegleitung. Bei der Christmette erklang das Lied zum ersten Mal. Mohr sang Tenor und spielte Gitarre, Gruber sang Bass. Der Tiroler Orgelbauer Carl Mauracher, der die Oberndorfer Orgel kurze Zeit später reparierte, nahm die Noten mit in seine Heimat und verhalf so dem Lied zum Siegeszug zuerst  nach Tirol (1819), dann nach Deutschland, dann nach Amerika (1938).

SOZIALES ENGAGEMENT IN WAGRAIN

Mohr blieb bis September 1819 in Oberndorf und wechselte dann häufig seine Dienstorte, bis er 1837 Pfarrer von Wagrain wurde. Schon in Oberndorf hatte er für die Armen stark gemacht, in Wagrain konnte er sein soziales Engagement fortsetzen. Er veranlasste den Neubau der Schule, gründete einen Ausgleichsfonds, um auch den Kindern mittelloser Eltern den damals kostenpflichtigen Schulbesuch zu ermöglichen und kümmerte sich um die bedürftige, alte Bevölkerung. Auf seine Initiative geht auch das später geschaffene Armen- und Altenheim zurück. Von dem Erfolg seines Liedes erfuhr er genau wenig wie Franz Xaver Gruber. Die Urheberschaft wurde auf Grund eines Autographs erst 1854 nachgewiesen. Mohr starb im Alter von 56 Jahren am 4. Dezember 1848 an Tuberkulose  und fand auf dem Friedhof in Wagrain seine letzte Ruhestätte. Heute erinnert der Name der Volksschule an den großen Wohltäter.

STILLE NACHT DAS GANZE JAHR

Die Stille-Nacht-Gesellschaft mit Sitz in Oberndorf hat sich zur Aufgabe gemacht, die Entstehung des Liedes zu erforschen und die authentischen Fassungen zu verbreiten. In vier Jahren gibt es etwas ganz Besonderes zu feiern: 200 Jahre „Stille Nacht“. Drei Museen in Oberndorf, Arnsdorf und Hallein  machen das Lied zum Dauerthema. Die Entstehungsgeschichte von „Stille Nacht“ wurde mehrmals verfilmt, 1997 unter dem Titel „Das ewige Lied“ mit Tobias Moretti in der Rolle von Joseph Mohr. Auch das Fernsehen kommt nicht daran vorbei. Zauberhafte Weihnacht im Land der Stillen Nacht heißt die neueste Produktion, die am 20. Dezember in ORF 2 und am 26. Dezember auf 3 SAT ausgestrahlt wird. Moderator Harald Krassnitzer über das Lied der Lieder: „’Stille Nacht’ gehört einfach zur Kultur der Österreicher. Mich fasziniert vor allem die Weltreise, die dieses Lied gemacht hat.“

 

 

Alle Jahre wieder…

von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Ein beliebtes Spiel bei Journalisten zum Jahresende: Man kürt die Frau, den Mann, den Politiker, den Film, das Buch, das Album, den Song, das Was-auch-immer des Jahres. Das kann ich auch, und so wähle ich hiermit die Hookline des Jahres. Die Hookline 2001 geht an – Trommelwirbel! – „Nur noch kurz die Welt retten“. Eingefallen ist diese Zeile, die im Gedächtnis hängenbleibt wie der Fisch am Haken, Tim Bendzko, Shootingstar mit Platinstatus. Einfach genial, genial einfach! Zeitgeist, auf den Punkt gebracht!

Eine unvergessliche Hookline, die längst sprachliches Allgemeingut geworden ist, schuf der Thüringer Pfarrerssohn und Dichter Wilhem Hey in dem Weihnachtslied „Alle Jahre wieder“. 1837 schrieb er den Text, und noch heute zählt es neben „Stille Nacht, heilige Nacht“ (Text: Joseph Mohr) und „O Tannenbaum“(Text: Ernst Anschütz) zu den Hits bei heimischen Weihnachtsfeiern. Neben Traditionellem ist in den Ohren aber auch Platz für die Weihnachtslieder der Lieblingsstars aus Funk, Fernsehen und Konzertbühne. Kaum ein Schlagersänger, kaum eine Schlagersängerin, die sich im Laufe der Karriere die Chance entgehen lassen, eine CD zu produzieren. Und so können die Fans Weihnachten mit Christian Anders, Hansi Hinterseer, Semino Rossi, den Kastelruther Spatzen, Roland Kaiser, Peter Maffay und/oder Nana Mouskuri verbringen. (Die Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit Geschmacksicherheit).

Alle Jahre wieder, so auch heuer, wird der CD-Markt mit  neuem weihnachtlichem Liedgut geflutet, darunter Matthias Reims “Die große Weihnachtsparty“. Kester Schlenz (Kein Tippfehler!) hat sich für die jüngste Ausgabe des Stern, wie er behauptet, tapfer durch Kitsch und Krawall des Jahres 2011 gekämpft, wobei manch ein Song zu erhöhtem Blutdruck und Erbrechen von Lametta geführt hat.

Also, überlegen Sie gut, was Sie am Heiligen Abend in den Player schieben! Egal wofür Sie sich entscheiden: Frohe Weihnachten!

 

Weihnachtliches One Hit Wonder

Von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Stille Nacht, heilige Nacht! Ein echtes One Hit Wonder, das im Dezember 1818 den Herren Mohr und  Gruber gelang. Eines, das jeden Textdichter und Komponisten vor Neid vergilben lässt! Joseph Mohr, Hilfspriester in Oberndorf (Land Salzburg), hatte den Text bereits zwei Jahre in der Lade. Als die Orgel in der Kirche kurz vor Weihnachten streikte, bat er den Lehrer Franz Xaver Gruber, eine Melodie – zwei Solostimmen mit Gitarrenbegleitung –  dazuzuschreiben. Welturaufführung war bei der Christmette. Ein Tiroler Orgelbaumeister, Matthäus Mauracher, der die Oberndorfer Orgel wieder in Schwung brachte, nahm die Noten mit in seine Heimat und ebnete so den Siegeszug von Stille Nacht rund um die Welt. Es wurde in mehr als 300 Sprachen und Dialekte übersetzt und ist bis heute das bekannteste Weihnachtslied, gefolgt von White Christmas, gesungen von Bing Crosby. Trauriges Künstlerlos: Joseph Mohr und Franz Xaver Gruber hatten von dem Erfolg  bis zu ihrem Lebensende nicht die geringste Ahnung. Die Urheberschaft wurde erst 1854 nachgewiesen.

Da haben es Erfolgsautoren heutzutage wesentlich besser. Wie Irving Berlin, der Komponist von „White Christmas“ zum Beispiel, der sich nicht nur über Ruhm und Ehre, sondern auch über die Tantiemen von mehr als 50 Millionen verkauften Singles freuen konnte. Oder wie Daniel Glattauer. Der Schreiber des Email-Romans Gut gegen Nordwind, der mittlerweile in 35 Sprachen übersetzt wurde,  brachte rechtzeitig zum Fest ein Büchlein mit dem Titel Der Karpfenstreit auf den Markt, in dem er u. a.  eine Gebrauchsanleitung für das familienfreundliche Absingen wichtiger Weihnachtslieder gibt. So auch für „Stille Nacht“. Glattauer vermerkt unter dem Stichwort Schlüsselpassagen: Das erste „i“ von „himmlischer“ ist fatalerweise der höchste Ton des Liedes. Vorsicht: Akute Quietschgefahr! Holen Sie beim „H“ davor tief Luft, reißen Sie dann die Mundwinkel weit auseinander, und pressen Sie die Augenlider fest zusammen.  Das „u“ der ersten „Ruh“ geht über drei Töne, verlangt Ihnen also eine kraftraubende Terz ab.  Das zweite „Ruh“ in der ersten Strophe stellt den tiefsten Ton des Liedes dar und verendet deshalb oft als Grunzgeräusch. Um mehr Tiefe herauszuholen, einfach das Doppelkinn ausfahren. Frauen können den letzten Ton auch eine Oktave höher ansetzen.“

In diesem Sinne: Gutes Gelingen und frohe Weihnachten!