Das alte Jahr hat mir heute einen Brief geschrieben

von Christoph Sauer

Nun haste dich, so über Nacht,
Ganz heimlich aus dem Staub gemacht,
Mit großem Knall und derben Possen
Dich anderweitig wohl verschossen:
Das Neue Jahr, das reizte dich,
Es lud dich ein und geizte nich’,
Versprach dir Reichtum und Vergnügen
Und Im-Siebten-Himmel-Fliegen.
Das alles klingt ja auch ganz schick –
Und doch, denk einmal kurz zurück:
Wie war es denn, das möcht ich fragen,
Als wir noch in der Kiste lagen –
Da war ich jung und morgenschön –
Du wolltest nie was andres seh’n
Und gabst mir täglich das Versprechen,
Etwaige Mängel abzuschwächen.
Das ist noch gar nicht lange her –
Was täuscht’ ich mich in dir so sehr:
Du schwimmst wie einst, es war zu ahnen,
In lang vertrauten Wohlfühl-Bahnen
Und mühst dich auch, mit mancher List,
Ein Mensch zu sein, der du nicht bist.
Ich bin ergraut, hab müde Augen,
Die kaum mehr noch zum Schreiben taugen.
Nur mehr ein Tipp, der ist nicht neu:
Bleib einfach nur dir selber treu –
Und hör aufs Herz, sein leises Schlagen,
Das wird dich gut durchs Leben tragen.
Vergiss mich nicht, du, ist das klar?
Es grüßt dich schön:
das Alte Jahr!

www.christophsauer.info

Das Glück ist ein Vogerl

 von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Neues Jahr, neues Glück! Und so wären wir auch schon mitten im Thema. Glück kommt selten allein, behauptete der Kabarettist Eckhart von Hirschhausen bereits 2009, dennoch bis heute ist der Glücksboom auf dem Büchermarkt ungebrochen, wie die Stapel an Lebenskünstlerliteratur und Glücksratgebern beweisen. Ob Dalai Lama, Murphy oder Hirschhausen: Jeder verkauft seine eigene Version vom Glück und findet massenweise Käufer, die so ihrem persönlichen Glück auf die Sprünge zu helfen wollen.

Gilt das auch für die Musikbranche? Wenn ja, wie definieren die einzelnen Textdichter Glück? Begeben Sie sich mit mir auf zugegebenermaßen nicht  sehr ergiebige Spurensuche durch das letzte Jahrhundert. Fangen wir im Fin de siecle an. Da hatten die Karl Haffner und  Richard Genée, die Librettisten von Johann Strauß, herausgefunden, dass das Glück im Vergessen läge. Wer kennt sie nicht, die berühmte Arie aus der Fledermaus: „Glücklich ist, wer vergisst, was nicht mehr zu ändern ist…“?  Ein Zitat, das zum geflügelten Wort wurde und auch hundert Jahre später als Aufforderung gilt, sich mit dem Unabänderlichen abzufinden.

Und auch Alexander von Bizcó ging das Thema, wie es sich für einen Wiener gehört, eher heiter-philosophisch an. In dem Lied „Das Glück ist ein Vogerl“, das er anfangs 20. Jahrhunderts schrieb, geht es um die Flüchtigkeit des Augenblicks. „Das Glück ist ein Vogerl“ ist ein Satz, der Einzug in den täglichen Sprachgebrauch der Österreicher gefunden hat  und vor dem sogar die Lotteriewerbung nicht halt macht.

Nun aber ein Sprung die in jüngere Vergangenheit. Wer erinnert sich noch an den fröhlich-naiven Ohrwurm von Salvatore Adamo aus den Siebzigern? „Ein kleines Glück wird einmal groß. Wenn du nur warten kannst, dann fällt es auch in deinen Schoß…“ Oder an Reinhard Meys Lied „What a lucky man you are“? Hier  besingt Reinhard Mey das überbordende Glück, das ihm seine Familie bescherte. Herbert Grönemeyer widmet den Song „Glück“ seiner verstorbenen Frau. „Seit ich dich kenne, trag ich Glück im Blick.“ Und auch Hartmut Engler, Sänger von Pur, kriegt Glücksgefühle, wenn er an seine Liebste denkt: „Hör gut zu, du bist mein Glück und ich sing dir meine Lieder…“  Welche Frau könnte da widerstehen? Die Toten Hosen kommen ebenso wenig am Thema vorbei und begeben sich auf eine eher theoretische Glückssuche. „Wir sind auf dem Weg zurück, auf dem Weg zurück zum Glück.“

Abschließend noch eine Kurve nach Wien und zur Liebe. Nicht nur für Fans der Strottern, zwei geniale Musiker, die dem Wienerlied eine neue, zeitgemäße Dimension verleihen, ist die  gleichnamige CD „Das größte Glück“.  Den Titelsong, der von Franz Paul Fiebrich stammt, wurde zur gleichen Zeit wie „Das Glück is a Vogerl“ geschrieben.   „Wia schee war’, wann auf der Wöt nua die Liab wohnen tät…“ Die Sehnsucht nach Liebe und Glück ist vermutlich so alt wie die Menschheit selbst. 

Ach ja, was ich noch sagen wollte: Viel Glück im neuen Jahr! Und solltet Ihr noch andere Lieder zum Thema kennen, dann lasst es mich bitte wissen.

Ge-o-dichte – neu aufgelegt

Dan The Man

Passauf! Man plant dich abzuzocken,
will Chamlos dir dein Geld entlocken!
Sie mögen dich am Zahltag nur:
Fahr lieber in die Schweiz zur Chur!

Die Kreide lässt du einfach liegen?
Da muss ich dich wohl strengstens Rügen!

Der Wasserspender ist geborsten!
Kommt schnell! Sonst muss ich bald verDorsten…

Der Kardinal hört keinen Reim?
Steckt ihn ins Tauberbischofsheim!

Der Wasserspender ist geborsten!
Kommt schnell! Sonst muss ich bald verDorsten…

Ihr könnt schon mal das Schwert bringen!
Ich muss heut noch mit Gärtringen…

Und Flensburgfräulein noch so sehr:
Der Ritterhude kommt nicht mehr!
Der Ritter fiel in einem Streite:
Man Buxtehude in die Seite
und schlug ihn furchtbar, bis er starb!
Nun Rendsburgfräulein nach dem Grab…

Und Flensburgfräulein noch so sehr:
Der Ritterhude kommt nicht mehr!

Wenn Erfurtzt, werden alle wach:
Er hat zu wenig Eisen, ach!

Ich streit’ mit keinem feinen Pinkel,
steig’ lieber auf und Reit im Winkl…

Ach, fahrt doch nicht mit solcher Schnelle,
sonst landet ihr noch in der Celle!
(Zumal ihr nach Promille stinkt,
wenn man euch voller Weinheim bringt…)

Heiko Wohlgemuth

Vom Lachen tun die Wangen weh
wenn ich solch lust’ge Wörthersee

Es macht mir keine große Sorg’
wenn ich ‘nen Reim bei Göteborg

Dan The Man

Du willst mit deutschen Dichtern protzen?
Nümbrecht, und falls die Leute kotzen,
ist klar: Bei diesen “Denklingen”
soll lieber der Heinz Schenk singen ;-)

Günter
Beim Arzt
“Trink ich vom Roten reichlich,
so krümmt mein ganzer Leipzig.”

Claudia Karner
Gleich geht’s los!
Es sprach Theodorakis: Mann!

Nach ein, zwei Ouzo Pakistan!

Reimquax
Üble Unterstellung
Woher wohl der Iwan den Porsche hat?
Ich würde mal sagen: er Stalingrad.

Paraguay am Rhein
Wat solle mir noch lang he stonn?
Dä Zoch, dä kütt nit. L’Asunción.

Keine Bewegung!
Scheu steht am See die Frau vom Yeti –
wenn ich jetzt in den Serengeti.

Norbert Tefelski

Ende 1
Karoline reibt sich
mit Gift ein und entLeipzig

Ende 2
Weil er sterbenskrank wurd’
ist nun auch der Frankfurt

Ende 3
Der Bestatter zählt sein Geld
bis er schließlich sElberfeld

Alternative für Wasserscheue
Wassertreten bis zu’n Waden
das ist fast so schön Wiesbaden

Anna (3.2.2011)
Knusperhäuschen unemanzipiert:
Du, Gretel, bist mal ganz still
Gemacht wird das, was Huntsville

Personalquartier:
Die Köchin wohnt mit Blick nach draußen
Im Keller muss der Oberhausen

Wer wird Millionär:
Der Küchenjunge stöhnt im Brass: Eh
Wie ich diese Tallahassee

Reimquax (2.2.2011)
Ein Franke im Urlaub
Des Spannjen is a grouser Shit:
nur Hundewoschd, wohin Madrid.

Claudia Karner:
Blaues Wunder
Die Mutti strahlt den Vati an.
Wie schön ist’s, wenn der Vatikan.

Archipoeta:
Karneval
Wenn Määnz es im Büddschee mol knapp hat,
find’ Fasenacht ganz ohne Kapstadt.

Unbekannter Kerl
Wenn du ihn die Kammer lässt,
halt lieber deinen Hammerfest!

Almabtrieb in Südtirol
Die Kuh will partout nicht ins Ennetal?
Na wenn schon, das ist doch dem Senegal.

Hunde unter sich
Der Einbrecher wird sicher schnell matt –
renn du hinterher,  ich Belgrad!

Claudia Karner:
Ein Bayer freut sich
Es is‘ fei gut,
schlaf i Beirut!

Georg Bungter:
Wintersport
Sie lief dem Dackel hinterher –
sie liebte ihren Val d‘ Isère

Arizona
Verdient der Bauer nie nix,
nützt ihm das ganze Phoenix

Nepal-TV
Der Schnitt ist fertig. Fast. Un nu?
Ich hab jetzt Pause. Kathmandu.

Nochmal Wintersport
Der Schlitten läuft so gut wie nie,
das ist ja beinah schon Vichy!

Stuttgart 21
Isch etz der Protescht vorbei?
Awa! Ette! Nix! Hanoi!

Maik Brandenburg
(falls es nicht ubedingt hinten stehen muss)
Klemmwitz
Wir konnten gar nicht lachen.
Kansas noch mal machen?

Edith:
Orientalisches Mahl
Doch, doch – das Lamm ist lecker.
Wer sagt denn, dass ich Mekka?

Barbara Berrien:
vorm Spiegel der Damentoilette:
Was machste fürn Gewese
um deine Blankenese….?

Verdauung:
Es findet,ist der Mensch satt,
das weitere im Darmstadt

Urlaub mit Meckermann (Burkhard Ihme – Celler Schule 1997)

wer übrigens die Klaviernoten möchte, um diesen Song aufzuführen, findet sie hier

Mein Mann und ich, wir waren heuer wieder auf Ibiza,
denn vergangnes Jahr in Nizza
war das Wetter viel zu schön.
Die Kinder sind wie jedes Jahr bei Onkel Paul in Bochum.
Wir schicken sie dort hoch, um
mal was anderes zu sehn.

Und so sagten wir uns: Fahren
wir doch zu den Balearen,
denn seit sieben Jahren waren
wir nicht dort.
Und mit großem Marschgepäck er-
klommen wir den Doppeldecker,
und dann flogen wir mit Mecker-
mann vor Ort.

Ich sag ja nichts, wenn ab und zu ein Luftloch etwas jäh is,
doch mein Mann und ich, wir kamen aus dem Ärgern nicht mehr raus:
Da freut man sich seit Wochen auf den Blick auf die Ägais,
und dann sieht man nichts als Wolken. Wolken ham wir auch zu Haus.

Nach der Landung auf lbiza teilten wir uns eine Taxe
mit zwei Damen aus Bad Bracksee
und zwei Herrn aus Liebenzell.
Der Taxifahrer drehte noch zwei kurze Ehrenrunden,
und nach knapp dreiviertel Stunden
warn wir endlich im Hotel.

Doch der Service war noch schlechter
als in Overath und Vechta,
und auch der war schon in Echter-
dingen mies.
Die Matratzen hart wie Steine!
Selbst das Gastehaus in Peine
war dagegen noch das reine
Paradies.

Die Gardinen waren grau. Man konnte nur den großen Baukran
und zwei Bagger, doch kein Meer und keine Abendsonne sehn.
Mein Mann und ich, wir schaun uns sowas immer sehr genau an,
damit wir nichts vergessen, wenn wir uns beschweren gehn.

Denn es gelten als Kriterien für die idealen Ferien
nicht nur Sonne und bakterien-
freies Wasser im Absinth.
Wir wolln nicht nur auf allen Meeren Sekt und Kaviar verzehren,
nein, wir wolln uns auch beschweren,
wenn der Zahnputzbecher rinnt.

Und wir schaun in alle Ritzen,
und wir machen uns Notizen,
die beim Reklamieren nützen
als Beweis:
Alte Laken auf den Betten,
kein Papier in den Toiletten,
der Wein zu kalt und die Kroketten
viel zu heiß …

Vor zwei  Jahren in Barletta war vier Wochen schlechtes Wetter,
und die Steaks in der Taverne waren zu Briketts verkohlt,
die Lassagne war zu fett, da tobten wir wie Rachegötter.
Kurz gesagt: wir haben uns so gut wie nie zuvor erholt.

Mein Mann schafft als Erfinder in der Autoindustrie, da
kann er höchstens hin und wieder
in der Kneipe sich beschwern.
Doch am Arbeitsplatz, da hält er brav den Mund. Man wird ja älter,
und als kleiner Angestellter
engagiert man sich nicht gern.

Und drum fahren wir nach Nizza,
nach Mallorca und Ibiza
und notieren jeden Schnitzer
voller List.
Denn zu Hause muß man schweigen,
vor dem Chef sich stumm verneigen,
doch im Urlaub kann man zeigen,
wer man ist!

Ja, im Urlaub kann man sich als Mensch von Grund auf neu begreifen,
wenn man endlich alle Skrupel, alle Scheu beiseite schiebt.
Nicht mehr vor dem Meister kneifen,
sondern selber jemand schleifen,
mit dem Liftboy diskutieren
und beim Kellner reklamieren,
nicht mehr betteln, nicht mehr beten,
nicht mehr buckeln, sondern treten!
Darum sind wir auch im Ausland so beliebt.
Denn Meckermann machts möglich, daß man ohne Heuchelein
einmal tief im Herzen fühlt: Hier bin ich Mensch, hier darf ich schrein!

richtig schön aua: Augenreime
:-) Mitmachen erwünscht!

Und noch mehr Augenreimgedichte. Damit keiner so viel scrollen muss, mache ich es jetzt wie bei den Blindgedichten – die neuen nach oben.
Wie sie funktionieren  und warum sie so schön weh tun, ist ja inzwischen offenkundig klar 🙂

31..1.2011
Claudia Karner
Wo die Liebe hinfällt
Er ist Zeuge Jehova,
und er stammt aus Hannover
und seit gestern ihr Lover.

28.1.2011
Claudia Karner (Celler Schule 2006)
Es hieß anno dazumale
Schlussverkauf. Jetzt heißt es Sale.

Barbara Berrien schreibt

Es sprach entzückt die English Queen
Mylord,Ihr seid hübsch anzusehen!-
Eventuell zeigt nach dem tea
Ihr mir von Euch ein wenig mehr?
Der Lord jedoch sprach pityful
My Queen,I´m sorry,ich bin schwul!
Da sprach die Queen: your life is over!
und warf den Armen in den Tower.
Dort fing er mit nem Guardian
bald eine heisse Liebschaft an;
Der öffnete ihm leis die Türe
und floh mit ihm nach Worcestershire.


Neinkob schreibt
Es reimahnte der Französischlehrer:
Das findet ihr sogar im Pons!
Das weiß doch nicht nur die Bohème!
Gewürzgurken SIND Cornichons.
…mit euch hab ich nichts als Probleme!

Peter schreibt
blindgedichtliches Weiterspinnen von Claudia Carner 26.01.:
„Es geht auch ohne EUR,“
das dachte der VoyEUR so.
„Nur wenn ich mit ihr dance
hab ich ne echte Chance.“

Claudia Karner (Celler Schule 2006)
Augen zu und durch
Erst traf er Beate
und dann die Renate
zu einem Blind Date.

Maik Brandenburg (Celler Schule 2010):
Über den Handel mit Drogen
Fehlt eine Tranche
in dieser Branche
dann gibt’s Revanche
das ärgert manche.

Claudia Karner (Celler Schule 2006):
Welche Plage
dieser Tage!
So viel Schnee vor der Garage!

Archipoeta schreibt:
Ich habe ein Rennrad, ein schnelles,
und fahr damit gern nach Bruxelles.
Ich war auch schon mal in Vincennes –
das lohnt sich nicht, Leute, ich kenn es.
Da rennen, so wie auch in Pau,
nur Pferde, ich weiß es genau.
Ich war auch schon mal in Limoges,
da wars mir zu kalt und da zog es.
Doch wenn ich mich heute beeile,
dann schaff ichs vielleicht bis Marseille.
Denn bin ich erst mal in Orange,
dann ists um den Rest mir nicht bange –
es sei denn, ich gönn mir in Nîmes
für zwischendrin mal was Intimes.
(Die Dame stammt zwar aus Valence,
doch in Nîmes, da wohnt und da pennt se.)
Und dann schreib ich über das Ganze
das Augengedicht “Tour de France”!

Anna Winkels (Celler Schule 1998)
Ein kurzer Traum vom Tête-à-tête:
Der Schwule starrt ins Dekolleté
und wär für nen Moment gern Hete.

Peter Heske schreibt:
Es greift ins Portemonnaie

so wie Finanzbankenhaie
die Frau aus dem Rotlichtmilieu,
ist Mann mit ihr erstmal im Heu.

Claudia Karner (Celler Schule 2006)
Dienstagmorgen-Betrachtung:
Eine schiefe Perspektive:
wenig Schwung und gar kein Drive!


Beschwerde an Herrn Gott

Ich beschwer‘ mich über’n Winter
ich hätte ihn gern hinter
mir. Und außerdem
wär‘ mir mehr Geld sehr angenehm.
Ich will in diesem Jahr verreisen
und will die besten aller Speisen
und will, dass alle Leut‘ mich preisen.
Und feiern will ich, nur noch feiern!
So frag‘ ich ohne rumzueiern:
Machst du das für mich wahr??

Hallo? War mir klar.
Darum, Herr Gott, auch wenn’s dich trifft:
Siehe Überschrift!!

(Maik Brandenburg)