Thomas Quasthoff macht KEINE KUNST

Von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

„Ich wollte schon immer mal ein Chanson singen“, sagt Thomas Quasthoff, der gefeierte Star, der auf allen Opernbühnen dieser Welt zu Hause war, ehe er 2012 aus gesundheitlichen Gründen seinen Rückzug bekannt gab. Nun ist Quasthoff dorthin zurückgekehrt, wo für ihn alles begann: auf die Kleinkunstbühne. Gemeinsam mit dem Kabarettisten Michael Frowin und dem Pianisten Jochen Kilian macht er nun „KEINE KUNST“, so der Titel des Programms, mit dem er beim Salzburger Kabarett-Festival MotzArt seine Österreich-Premiere feierte. Hier kann er sich auch seinen lang gehegten Wunsch erfüllen. Für seine Chanson-Premiere wählte der große kleine Bassbariton „Hauptbahnhof“ von Pigor & Eichhorn. Darin besingt er variantenreich den Hauptbahnhof von Paris. Um am Ende draufkommen zu müssen, dass es dort gar keinen Hauptbahnhof gibt. Kunst im weitesten Sinn ist das Motto, um das sich der Abend dreht, in der Quasthoff und Frowin ihre Sangesfreude, ihre schauspielerische Wandlungsfähigkeit, ihren mitunter bitterbösen Humor und ihre enorme Bühnenpräsenz unter Beweis stellen. Und wie sie das machen, ist auch Kunst.

Nach der frenetisch beklatschten Vorstellung freue ich mich über das Wiedersehen mit Michael Frowin im Arge-Beisl. Auch schon wieder drei Jahre her, dass ich ihn, den Leiter des Theaterschiffes, bei einer Premiere in Hamburg getroffen habe. Eines meiner Lieder wird heute noch in dem Kabarettprogramm  der Drama-Queens „Versprochen!“ gespielt. Die Zusammenarbeit mit Quasthoff habe auf einer Filmgala in Berlin mit dem branchenüblichen Satz: Wir sollten mal was zusammen machen! begonnen, erzählt mir Frowin. Und Quasthoff unterhält  laut und polternd die Runde, zu der sich auch der Chansonnier Georg Clementi und der Kabarettist Jochen Malmsheimer gesellt haben, mit Schnurren aus seinem Leben. Zum Beispiel aus der Zeit,  als er noch beim NDR als Moderator arbeitete und einmal Peter Kraus in ärgste Bedrängnis brachte, als er absichtlich einen Kugelschreiber auf den Boden warf und  Kraus in seinen knallengen Jeans sich danach bücken musste. Was dann passierte, sei der Fantasie des Lesers überlassen. 

Drei ExCELLEnte in der Berliner Distel

von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

„Fang nichts mit deinem Pianisten an”, lautet der gut gemeinte, bio-graphisch angehauchte Rat der Musikkabarettistin, die sich Sylvia – Die Unvollendete nennt und als “Sächsin in the City” (nicht nur) den Berlinern im Kabarett DISTEL zeigt, was eine freche Chansonette mit Hang zu den 1920er-Jahren drauf hat. Dass sie bildhübsch, blitzgescheit und äußerst charmant ist, davon ist nicht nur Musenmutti Edith Jeske überzeugt. Nun lässt sich Sylvia aber doch auf einen Pianisten ein, und zwar auf Tilman Lucke. Lucke, ebenso wie Sylvia Absolvent der Celler Schule, Förderpreis-träger des Troubadours 2013 und Schwabe in Berlin, hat sich als politi-scher Nachwuchs-Kabarettist mit Programmen wie “Bildungslucke” und “Fünf Prozent Würde” einen Namen gemacht. 

Seit sechzig Jahren wird im legendären Kabarett DISTEL in der Fried-richstraße 101, das 1953 auf Beschluss des Ostberliner Magistrats gegründet wurde, um als Waffe im Klassenkampf eingesetzt zu werden, gestichelt. Wegen ihrer raffiniert verpackten System-Kritik wurde die DISTEL der Regierung bald ein Dorn im Auge. Nur der großen Beliebtheit beim Publikum und dem Geschick der Direktoren, Autoren und Darsteller war es zu danken, dass die DISTEL nicht geschlossen wurde. Seit 1991 ist die DISTEL ein privates Theater, in dem nach klassischer Kabarett-Tradition hemmungslos gespottet, seziert und verrissen werden darf.  

Als die DISTEL nach einem jungen, frischen Format suchte, fiel die Wahl von Sven Laude, dem Assistenten der Geschäftsführung, auf Sylvia und Tilman. “Die neue Studio-Bühne bietet Raum für Kreativität und Experiment, und so entstand die Idee zu “Frisch gepresst”, der Late-Night-Redaktion”, erzählt Sylvia. “Tilman und ich ergänzen uns gut.” An ihren ersten beiden Abenden, die am 24. und 25.Januar jeweils um 21.30 Uhr über die Bühne gehen, holen sich die beiden Lennart Schilgen ins Boot. Lennart ist ebenfalls ein Kollege der Celler Schule und Singer-Songwriter. Er heimste 2013 den 1. Preis beim Potsdamer Chanson-Festival ein und verwies dabei Georg Clementi mit seinen Zeitliedern knapp auf Platz 2.  “Lennart ist einfach gut und passt zum frischen Format”,schwärmt Sylvia.

Das Programm, kurz umrissen: “Es gibt einen Schwerpunkt, der ergänzt wird mit weiteren Themen aller Art, ähnlich wie bei einem bunten Magazin. Themen, die uns interessieren, wütend machen und amüsieren”, so die Unvollendete. “Daraus machen wir Texte, Lieder und Videos. Die Show ist ein Experiment. Ob  es gelingt, hängt auch vom Publikum ab. ”Frisch gepresst ist halb gewonnen, heißt ein altes Sprichwort. In diesem Sinne: Toi, toi, toi!

Mensch, ging das aber schnell…

Von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

„Mensch, ging das aber schnell… „, räsoniert Stephan Sulke in einem seiner Lieder. „Wumm-di-bumm – Halbzeit um, Mensch ging das aber schnell!“ Am 27. Dezember, feiert der Chansonnier seinen 70. Geburtstag. Und noch immer sitzt ihm der melancholische Schalk im Nacken. „Du guckst in den Spiegel und denkst, wo ist die Zeit geblieben? Aber der Spiegel lügt nicht. Du bist ein junger Mann in einem alten Körper geworden, auch wenn du noch immer ganz passabel Tennis spielst und die Treppe hoch läufst oder dir Frauen auch in Begleitung ihrer Männer schöne Augen machen.“?

Als Sohn Berliner Emigranten in Shanghai geboren und in der Schweiz aufgewachsen, startete Sulke seine Karriere als Liedermacher und Chansonnier 1963 in Paris. Unter dem Pseudonym Steff veröffentlichte er seine erste Single „Mon Tourne-Disque“, für die er den Titel „Bester Nachwuchskünstler“ einheimste und von keinem Geringeren als Maurice Chevalier ausgezeichnet wurde. Nach einigen Jahren in den USA starte Sulke Anfang der 1970er Jahre unter eigenem Namen seine Karriere. Rasch wurde er eine große Nummer im deutschsprachigen Raum, melancholisch-poetisch, schnoddrig-lakonisch, nicht so verbissen wie seine Liedermacherkollegen Wader, Wecker und Degenhardt, auch nicht so schwiegermutterkompatibel wie Reinhard Mey. Mein absolutes Lieblingslied aus dieser Zeit: Der Mann aus Russland. Sulke schrieb auch die Texte für Katja Ebsteins LP „He du da“ und Erika Pluhars LP „Beziehungen“ und landete 1982 mit „Uschi, mach kein’ Quatsch“ den größten kommerziellen Erfolg. Dabei war dieser Song nur als schnelle Trotzreaktion auf pseudoemanzipierte Zicken gedacht.

1987 zog sich Stephan Sulke vom Showbiness zurück, weil er zuviel Leere und zuviel Ego ortete, machte Bilder, Skulpturen und glücklose Geschäfte. „Der Heimwehkoller nach Musik“, O-Ton Sulke, trieb ihn 1999 wieder zurück, um wenige Jahre danach, wieder abzutauchen. Gern vergleicht sich der Künstler mit einem Löwen, der erst wieder seinen Hintern hebt, wenn er Hunger hat – Hunger aufs Singen. Vor zwei Jahren kam er mit der CD „Enten züchten hätte ich sollen“ wieder aus der künstlerische Versenkung hervor und ging zur Freude seiner langlebigen Fans auch auf Tour. Seit 2005 firmiert Sulke beim Lied- und Chansonwettbewerb Der Troubadour in  Stuttgart, als Schirmherr.

Die Themen für seine Songs scheinen dem Meister der leisen Töne noch immer nicht auszugehen. Auf die Reporterfrage: „Wie entstehen Ihre Lieder?“, antwortete er einmal: „Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht. Es ist ein wundersames Geheimnis, diese Muse… kommt, geht, plötzlich da, dann wieder weg. Ich weiß nur eins: Die Idee ist 10 Prozent vom Song, die restlichen 90 Prozent sind Schleifarbeit. Rotwein hilft, aber nur, wenn er gut ist.“

Pläne für heute und überhaupt?  „Nein, ich nehme den Tag wie er kommt.“ Dann bleibt mir nur noch eines: So wie der Mann aus Russland das Glas zu heben, Stephan Sulke zuzuprosten und „Za sdarowje, sa wasche sdarowje i blagabalutschje“ zu rufen.

„Ich will schreiben, bis ich 105 Jahre alt bin…“

von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Wo nimmst du eigentlich die Ideen für deine Lieder her, werde ich hin und wieder gefragt. Das ist ganz unterschiedlich. Manchmal ist ein Erlebnis, das ich am eigenen Leib verspürt habe, manchmal eine Alltagsbeobachtung, manchmal ein Wort oder ein Reim, der mich zu einer Sprachbastelei animiert, manchmal im wahrsten Sinn des Wortes Erlesenes. Zu dem Lied „Lea“, das ich für Georg Clementi schrieb und von einem verliebten Hundenarren in der Midlife-Crisis erzählt, inspirierte mich meine Lieblingskolumnistin Marga Swoboda.

„Ich will gegen Zynismus und Menschenverachtung leise Töne setzen“, war ihr Credo. Wie keine andere schaffte es Marga Swoboda, mit ihren täglich erscheinenden Miniaturen, die unter dem Titel „ Tag für Tag“ und ihren Künstlerporträts, die in der Kronenzeitung eine Millionenleserschaft berühren. „ Texte voll Charme, Geschichten mitten aus dem Leben, messerscharf beobachtet und so mitreißend erzählt, als säße man am Küchentisch zuhause gegenüber“,  wie ihre Kollegin Conny Bischofsberger es beschrieb.

Auch ich gehöre zu den Marga-Süchtigen. Manche Artikel riss ich aus der Zeitung und hob sie auf, wie die Huldigung an Cornelia Froboess, die anlässlich des 70. Geburtstags am 27.  Oktober erschien. Er liegt noch auf meinem Schreibtisch, sollte er doch als Inspiration für einen möglichen Blogbeitrag dienen. „Die wunderbaren Jahre mit dem Mädchen, das alle liebten“, titelte Marga Swoboda in „Tag für Tag“, dem Anlass entsprechend im X-large Format. „Es war eine verdammt schöne Zeit, sich schon im Sandkasten zu wünschen, einmal wie Conny zu werden – Sexappeal und Musik wie frisch und sündenfrei vom Baum gefallen. Heute ist Conny  – in goldgrüner Schrift bitte! – siebzig. Und deshalb drücke ich die Knöpfe der Jukebox. Conny und Peter Kraus und Peter Weck und Peter Alexander. Goldene Zeit. Egal, wie naiv sie war. Damals wollte niemand gaga sein, um zu träumen. Nur Sonne, Mond und Sterne und Conny…“

„Ich will schreiben, bis es die Finger zulassen und bis ich 105 Jahre alt  bin“, hat Marga Swoboda einmal gesagt. Es war ihr nicht vergönnt. Sie starb am 20. November viel zu früh im Alter von 58 Jahren. „Only the good die young“, sang Billy Joel. Ein ziemlich schwacher Trost!

 

Doch darauf hereingefallen!

 

von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

 Nun sind sie also doch darauf hereingefallen, die Juroren des Troubadour 2013, allen voran Katja Ebstein, Urgestein des deutschen Schlagers („Wunder gibt es immer wieder!). Auf Tilman Luckes lammfrommes Unschuldslächeln, mit dem er von der Bissigkeit seiner politischen Couplets und Chansons ablenken will. Dabei hatte er alle ausdrücklich davor gewarnt:  Fallen Sie nicht darauf herein! So steht’s auch schwarz auf weiß im Programheft. Aber es hat nichts genützt. Am vergangenen Wochenende wurde der Schwabe aus Berlin, so Luckes Eigendefinition, mit dem 1. Förderpreis geehrt, dem kleinen Bruder des Troubadours sozusagen. Politisches Kabarett  (u. a. in der renommierten Distel in Berlin) macht Tilman Lucke schon seit acht Jahren und ist somit eigentlich dem künstlerischen Nachwuchsalter entwachsen, wie er findet. Gefreut über den Preis hat sich er sich trotzdem.

Freuen kann sich auch die Celler Schule, dass wieder zwei ExCELLEnte beim Troubadour, dem deutschsprachigen Chanson- und Liedwettbewerb, der heuer zum  neunten Mal im Ballsaal des Hotel Le Meridien in Stuttgart über die Bühne ging, von sich reden machten. Lennart Schilgen aus Berlin ersang sich den 3. Förderpreis. Wie unterschiedlich die Geschmäcker der  Juroren  bei den diversen Wettbewerben sind, zeigt folgendes: Lennart Schilgen, „nur“ Förderpreisträger beim Troubadour  2013 gewann im vergangenen Jahr den 1. Preis beim Potsdamer Chansonfestivals und verwies dort den Troubadour 2012, Georg Clementi, auf Platz 2. Der heurige Preisträger ist der in der Schweiz geborene Roger Stein. „Lieder ohne mich“ nennt er seine Songs, die zwischen Panik und Poesie changieren. DIE ZEIT schrieb: „So ein Mann kommt einem sonst nicht unter.“

Der Troubadour ist nicht nur mit 5000 Euro dotiert, er beinhaltet auch ein Konzert im Rahmen des Chansongfestes im Renitenztheater in Stuttgart im darauf folgenden Jahr. Am 24. Oktober ist es so weit: Da wird Georg Clementi gemeinsam mit Sigrid Gerlach-Waltenberger (Akkordeon) und Tom Reif (Gitarre) seine Zeitlieder zum Besten geben. „Lieder, die so berührend sind, dass die Zeit stillsteht“, wie ein Journalist vermerkte. Hingehen und Augen und Ohren machen!

Die Welt ist schön, Milord!

von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Am 10. Oktober 2013 jährt sich der Todestag von Edith Piaf, der wohl berühmtesten französischen Sängerin, zum fünfzigsten Mal. Auch nach einem halben Jahrhundert sind ihre Chansons wie „Je ne regrette rien“ und „Milord“ unvergessen. „Milord“ stammte aus der Feder von Georges Moustaki, der mit diesem Lied seine Karriere startete. Weil es Ende der Fünfziger Jahre und  Sechziger Jahre üblich war, englische und französische Hits ins Deutsche zu übertragen, wurde „Milord“ auch  übersetzt, und zwar von Ernst Bader, einem der erfolgreichsten heimischen Textdichter seiner Zeit.

Schlussendlich sang aber nicht Edith Piaf „Die Welt ist schön, Milord“, sondern die aus Ägypten stammende, in Frankreich lebende Dalida, die bereits mit der Bader-Übersetzung „Am Tag, als der Regen kam“ (Original: Le jour, où la pluie viendra) einen Riesenerfolg landete. Den Grund dafür beschrieb Ernst Bader in seinen Erinnerungen, die 1974 anlässlich seines 70. Geburtstag als Buch unter dem Titel „Die Welt ist schön, Milord“ erschienen, so:

„Eigentlich hätte Edith Piaf das Lied singen sollen. Tagelang wanderte ich gegen Mittag zur Rue Lannes, um der Künstlerin Deutschunterricht zu geben. Aber es wollte und wollte nicht klappen. Edith war wohl eine zu romanische Person, um einen nur einen Funken Gefühl  für germanische Buchstabenzusammensetzungen aufzubringen. Sie lachte nur. „Mon dieu, mon dieu, mon dieu, lass mir mein Glück nur einen Tag, mon dieu“ – so hieß unter anderem ein Titel, den sie auf deutsch für die Schallplatte singen sollte. Aber das einzige, das sie wirklich gut aussprach, war: „Mon dieu!“ Bei einem anderen Text schüttelte sie sich vor Vergnügen und meinte: „Monsieur Badderr, ich glaube, Sie wollen mir Chinesisch beibringen.“ Als sie schließlich gar keine Lust mehr zum Lernen hatte, rief sie: „Ein Wort spreche ich perfekt deutsch: Merssedess! Kommen Sie, wir fahren spazieren mit meinem neuen Auto.“ Dann setzten wir uns in den Wagen und kutschierten vergnügt durch Paris.“ 

Vor einer Deutschland-Tournee versuchte Ernst Bader noch einmal seiner berühmten Schülerin Sprachunterricht zu geben. Kurz darauf erkrankte Edith Piaf schwer und starb im 48. Lebensjahr, und zwar am 10. Oktober 1963 in Plascassier an der Côte d’Azur (und nicht – wie auf dem Totenschein steht – am 11. Oktober in Paris). 40.000 Fans kamen auf den Friedhof Père Lachaise, um für immer Abschied von „La Môme“ zu nehmen.

Edith Piaf war nur eine der über sechzig Künstler, für die Ernst Bader arbeitete. „Es ist nicht übertrieben, wenn ich sage: Es gibt keinen Star der Fünfziger und Sechziger Jahre, für den ich nicht irgendwann ein Lied getextet hätte“, schrieb er in seinen Erinnerungen. „Ich war der unbekannte Vater vieler bekannter Kinder.“ Aber das ist eine andere Geschichte… 

Zur Erinnerung an Paul Kuhn

Von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Am 23. September starb im Alter von 85 Jahren Paul Kuhn. Ein Grund, wieder einmal in der musikalischen Mottenkiste zu kramen. Paul Kuhn, ein gebürtiger Wiesbadener, war ein höchst vielseitiger Künstler, laut FAZ Deutschlands bester Jazzer, Pianist, Arrangeur, Bandleader und TV-Entertainer. Berühmt gemacht hat ihn aber ein kleines Liedchen: „Es gibt kein Bier auf Hawaii“. Die Single hat mittlerweile schon 50 Jahre zwischen den Rillen, den Refrain singen aber noch heute die Bierzeltbesucher unisono aus tausend Kehlen: „Es gibt kein Bier auf Hawaii, es gibt kein Bier. Drum fahr’ ich nicht auf Hawaii, drum bleib’ ich hier. Es ist so heiß auf Hawaii, kein kühler Fleck! Und nur vom Hulahula geht der Durst nicht weg!“ Entstanden ist das Lied, das der hawaiianischen Tourismusbehörde zum späteren Ärgernis gereichte, vermutlich in einer Bierlaune. Geschrieben hat den Text Wolfgang Neukirchner, Essener Verwaltungsrichter und ein Freund Paul Kuhns, der es allerdings vorzog, sich hinter blumigen Pseudonymen wie Josua Röckelein und Adolf von Kleebsattel  zu verschanzen. 

Kuhn hatte schon neun Jahre zuvor mit  „Der Mann am Klavier“ (Geb’n Se dem Mann am Klavier noch ein  Bier, noch ein Bier…), geschrieben von Horst-Heinz Henning,  einen Hit gelandet.  „Es gibt kein Bier auf Hawaii“ wurde aber sein größter kommerzieller Erfolg. Das Lied erreichte Platz 5 der deutschen Hitparade. Als Kuhn gefragt wurde, wie er, der Jazz-Pianist, so etwas singen hätte können, antwortete er: „Wegen der Straßenbahn.“ Große Augen beim Gegenüber. „Nach dem Krieg musste ich Straßenbahn fahren. Ich wollte aber lieber Cadillac fahren.“ Den kriegte er dann auch.

Paul Kuhn, dessen Gesicht eine unverwüstliche Lebenslandschaft aus Verschmitztheit, Melancholie und Altersgelassenheit war, blieb bis ins hohe Alter künstlerisch aktiv. Noch vor zwei Jahren sagte er in einem Interview: „Ich mache  weiter, bis der liebe Gott mir beim Klavierspielen auf die Finger klopft und sagt: Jetzt reicht’s.“  Am vergangenen Montag war es dann soweit. Dabei hätten wir dem Mann am Klavier so gern noch ein Bier gegeben. Und noch eins und noch eins…

 

 

Ein September voll Musik

Von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Der Tag fängt ja gut an! Neuigkeiten von Stefan Waldow! „Herrlich! Der Sommer gibt dieses Wochenende eine Zugabe und ich spiele passend dazu gleich auf zwei Open Air-Konzerten“, schreibt der Hamburger Singer-Songwriter, einst mein Banknachbar in der Celler Schule.  Am Samstag, 7. September tritt er beim BaDaBoom, dem größten Straßenmusikfestival des Nordens, in der Neumünsteraner Innenstadt als Solist auf, am Tag darauf spielt er mit seiner Band im ehemaligen Lichtwärterhäuschen an Isebekkanal, wo sich jetzt das Ufer-Cafe befindet.

Auch sonst hält der September für Stefan Waldow noch eine Menge Erfreuliches bereit. Zum Beispiel das Gastspiel im Logensaal der  Hamburger Kammerspiele mit Felix Oliver Schepp, der 2012 den Nachwuchspreis des Deutschen Chansonpreises gewonnen hat, oder das Doppelkonzert mit dem Berliner Liedermacher Andreas Albrecht in der Musikschule Neumünster am 28.  September.

„Wo geht die Reise hin?“ fragt Stefan in einem seiner wunderbaren Songs, der auch auf der neuen Homepage zu hören ist. Eines ist sicher: Ende September nach Kopenhagen. Dorthin macht das Veranstalter-Team der sonntäglichen Konzertreihe Sängerknaben & Sirenen im Hamburger Gängeviertel, dem er seit 2009 angehört,  einen „Betriebsausflug“. Das Gängeviertel präsentiert sich im  Rahmen eines Kulturaustauschprogramms unter dem sperrigen Motto SEparAtED.  Eine Delegation des Viertels ist bereits vor Ort und organisiert dort einen Monat lang diverse Ausstellungen und Diskussionen.

Zuletzt lässt Stefan noch seinen größten Wunsch aus dem Sack: Ein volles Haus bei seinem Konzert mit Band  im Stellwerk im Harburger Bahnhof am 8. November. Diesen Termin jetzt schon mal vormerken, kann auf keinen Fall schaden!

Von Nanas und Nananas

Claudia Karner (Celler Schule 2006)

 

Na so was! Die Silbe „na“   – beliebig oft aneinandergereiht –  ist, ein gern verwendetes Stilmittel in der deutsch- und englischsprachigen Liedern, egal ob am Anfang, in der Mitte oder am Schluss. Man denke an das „Nananana“ in Michael Holms „Tränen lügen nicht“, an „Nanananananana“ in „Hey Jude“ von den Beatles  „Nana nanana“ in „Life is life“, dem Hit der österreichischen Gruppe Opus. Und auch Marianne Rosenberg kam in „Er gehört zu mir“ nicht an der Silbe vorbei: „Nie vergess ich unsern ersten Tag, nananananana…“  Ein Nana (oder mehrere) machen eben Stimmung und gute Laune, überfordern weder Texter noch Zuhörer und bergen einen großen Mitsingfaktor in sich.

Nana ist im Französischen auch die äußerst saloppe Bezeichnung für Frau, und so nannte die französische Bildhauerin Niki de Saint Phalle die riesigen, quietschbunten Polyester-Figuren, mit denen in Hannover das Ufer an der Leine aufgehübscht wurde, und die  trotz anfänglichem Protestgeschrei nun zu den Wahrzeichen der Stadt zählen. Ohne Nanas geht es natürlich auch nicht in dem Hannover-Musical Kröpcke, das im Februar 2013 Premiere hatte, und in dessen Mittelpunkt Anna Blume (Ja, die aus dem Kurt-Schwitters-Gedicht!) steht. Thomas Martin, ein Musiker, den ich vor drei Jahren in Berlin kennen lernte, hat mir davon erzählt. „Es ist eine freie Produktion engagierter Musiker und Schauspieler aus Hannover. Drei Songs habe ich komponiert, die übrigen Songs stammen von Dirk Grothe, der auch die Texte schrieb und Regie führte. Noch ist Kröpcke ein Geheimtipp, aber der Start im Frühjahr des Jahres verlief sehr erfolgreich.“ Die Herbsttermine sind bereits fixiert. Ausgebrütet wurde das Projekt in der Kleinkunstbühne Lohengrin. Benannt ist die kunterbunte Hannover-Revue allerdings nach einem berühmten Platz im Herzen der Stadt, der wiederum so wie ein Kaffeehaus benannt ist, das nach einem Kellner benannt ist. Alles klar?

Nanas für Augen und Ohren: Neulich legte ich die CD „Zwieback für die Seele“  von Thomas Franz, einem ExCELLEnten von 2013, die er mir in Springe mit auf den Weg gab, ein. Und was hörte ich nach einigen Gitarrentakten schon beim ersten Song: „Nana, nanana“. Der Rest ist eine andere Geschichte.

 

 

So klingt der Sommer

von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Sommer! Nun ist doch tatsächlich eingetroffen, was sich Rudi Carrell schon vor Jahren gewünscht hat und keiner mehr so recht geglaubt hat: Wann wird’s mal wieder richtig Sommer?  Der Song hieß im Original  „City of New Orleans“ und wurde von dem amerikanischen Folksänger Arlo Guthrie gesungen Thomas Woitkewitsch, Haus- und Hoftexter von Rudi Carrell und Hermann van Veen, hat den deutschen Text  verfasst. „Und was wir da für Hitzewellen hatten!/ Pulloverfabrikanten gingen ein./Denn es gab bis zu 40 Grad im Schatten. /Wir mussten mit dem Wasser sparsam sein.“ Ein Lied, das in Folge auf Grund der Schlechtwetterlage  im Juli und August zu einem Dauerbrenner auf regionalen Radiostationen wurde.

Aber in diesem Jahr ist alles ganz anders. Dieses Jahr hat sich Cluesos Wunsch „Wir wollen Sommer“ erfüllt. Es gibt Sommer, Sonne, Sonnenschein, wie es Buddy in seinem One-Hit-Wonder „Ab in den Süden“ beschwor, auch vor der Haustür. „38 Grad heiß, überall fließt der Schweiß. Ich sterbe gleich ./ So schmeckt der Sommer./ Meine Haut ist verbrannt, ich bin trotzdem entspannt und chill am Strand./So schmeckt der Sommer.“ So ist der „Somma im Kiez“, den Culcha Candela besingen. Die Band Spider Murphy Gang beschrieb schon Jahre zuvor  in dem Song „Sommer in das Stadt“,  was ein ausgeflippter Münchner bei Temperaturen über 30 Grad macht. „I renn nackert durch den Englischen Garten, sitz high auf dem Monopteros. I kauf ma a Maß am Chinesischen Turm und flanier mit dir auf der Leopoldstraß.“

Sommer 2013: Sicherlich gibt es auch heuer wieder eine ganze Menge Jungs, die an einem Tag im August jenen unvergesslichen Augenblick erleben, den Peter Maffay  in dem Lied „Und es war Sommer“ so romantisch umschreibt: „..als Mann sah ich die Sonne aufgeh’n.“  Und sollte es irgendwann doch noch zu einem Temperatursturz kommen, gibt es Trost von den Wise Guys: „Es ist Sommer, egal ob man schwitzt oder friert. Sommer ist, was in deinem Kopf passiert.“

Und jetzt Badehose einpacken, und dann nüscht wie raus zum … (Namen des Sees Ihrer Wahl einsetzen!)

 

Celler Schule 2013: „Was hier für Talente herumschwirren…“

Von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

 

Heuer kam nichts dazwischen: Keine MarilleClaudia Karner und Thomas Woitkewitsch beim Abschlussfest der Celler Schule 2013nernte bei Freundin Inge im Burgenland, kein Schrammelklang im Waldviertel, kein Tollwood-Festival in München. Also, rein in den Zug und ab nach Springe, zum Abschlussfest der Celler Schule 2013, wo es nach zwei intensiven Wochen in der Talenteschmiede JeskeReitz wieder eine Menge zu feiern gab. Und zum Schauen und Hören auch. „“Kinder, was hier für Talente herumschwirren!““, begeisterte sich mein Tischnachbar Thomas Woitkewitsch, der Grandseigneur der Liedtexterei, seit zehn Jahren hochgeschätzter Dozent in  der Celler Schule. Einen Satz hat er allen ExCELLEnten auf den Weg mitgegeben. „“Wenn zum Schluss alle heulen, ist es gut gelaufen!““

Tobias Reitz führte charmant durch den Abend (Was kann der Mann eigentlich nicht?), und für die  Musenmuddi, die ihren Klassiker „Rinnsteinprinzessin“ zum Besten gab,  hatte er eine besondere Überraschung parat: das nie übergebene Doppel-Platin für den Song „Wieder zurück“, den Edith Jeske Ende der 90er für Wolfgang Petry geschrieben hatte. Von den ExCELLEnten  gab es neben einem  originellen Geschenk, einer Flasche Reimgold Brillant, ein Ständchen aller Teilnehmer. Bei der Parodie auf Michael Holms „Tränen lügen nicht“ spürte man: Hier ist wieder ein excellenter Jahrgang am Moussieren.

Die Nacht verging wie im Railjet. Plötzlich war es vier Uhr morgens, und der Saal im Lutherheim hatte sich schon gelichtet. Übrig geblieben war ein  Fähnlein Nimmermüder, darunter Silke Frost, Axel Paetz, Lennart Schilgen und Thomas Franz (für mich  d i e  Entdeckung des Abends), die sich mit Singen und Spielen die drohenden Ermüdungserscheinungen vertrieben.  Wie schön, dass ich dabei sein durfte. Danke an euch alle! Während sich die Berliner Gruppe mit Tilman Lucke, Michael Feindler und  Lennart Schilgen zu Fuß bei Sonnenaufgang auf den Weg zum Bahnhof machte, um den ersten Zug zu erreichen, nahm mich Anna Brandt gemeinsam mit Silke im Auto mit. Es war kurz vor sechs, als wir in Hannover ankamen. Die ersten Trödler bauten an der Leine ihre Flohmarkstände rund um die bunten Nanas von Niki de Saint Phalle auf. „“Kommst du nächstes Jahr wieder?““ fragte mich Anna beim Aussteigen. Ich schüttelte bedauernd den Kopf. „Sieben Stunden im Zug, das ist mir einfach zu weit.“

Vor ein paar Tagen gab Tobi den Termin für das Abschlussfest im nächsten Jahr bekannt. Naja, bis zum 25. Juli 2014 kann ich’s mir ja noch einmal überlegen…

 

Zum 80. Geburtstag von Michael Heltau

Von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Er ist einer der größten österreichischen Künstler, obwohl er gar nicht in Österreich geboren wurde, sondern im bayrischen Ingolstadt, und im Salzkammergut aufwuchs. Trotzdem gilt er  längst als zutiefst wienerisch, weil er diese Stadt von Anfang an umarmte, wie sie ihn seit vielen Jahren zurück umarmte. Heute feiert  Schauspieler, Entertainer und Chansonnier Michael Heltau seinen 8o. Geburtstag.

Heltau spielte alle Klassiker dieser Welt, Hamlet, Romeo, Wallenstein, Mackie Messer, den Zerrissenen und Anatol, ehe er Mitte der Siebziger Jahre das Chanson für sich entdeckte, allem voran  Jacques Brel, genial ins Deutsche übertragen von Werner Schneyder. Mittlerweile feierte er mit dem 33. Bühnenprogramm, das den  Titel „Es ist immer jetzt!“ trägt, Triumphe und lässt dabei sein Publikum, das in all die Jahre begleitete hat, ganz schön alt aussehen, wie ich im vergangenen Mai im Burgtheater feststellte.

Gern erinnere ich mich an den Liedercircus, eine  höchst erfolgreiche Fernsehshow, wo  Michael Heltau vier Jahre lang – von  1976 bis 1979  – als Conferencier in Frack und Zylinder Sängern, Liedermachern und Chansonniers wie Reinhard Mey, Konstantin Wecker, Margot Werner und Mort Shuman den roten Teppich legte. (Das ist mittlerweile so lange her, dass sich sogar das Internet ausschweigt.) Damals erwachte bei Heltau die Lust, selbst Chansons zu singen. Im Klappentext der LP Himmelhochjauchzend, zu Tode betrübt – Wienerische Lieder, die 1979 erschien, schrieb André Heller: „Das Wienerische hat in ihm den Meister eines lang verwaisten Faches gefunden: singender Schauspieler schmerzlicher Zwischentöne. Österreich ist arm an weltmännischen Figuren, Michael Heltau ist eine von ihnen.“ Dieser Satz hat auch 34 Jahre später noch seine Gültigkeit. Genau so wie der Ausspruch seines Tapezierers, den mir Heltau als Widmung in eine Biographie von Jacques Brel schrieb: „Das Leben ist voll von einfachen Lösungen.“ Oder der Satz: „Nach dem Auftritt brauche ich Menschen, die mir schonungslos was Nettes sagen.“ Zum Glück tun das seine Fans heute noch.

Auf die Reporterfrage nach seinem Herzenswunsch zum 80. Geburtstag antwortete der Doyen des Wiener Burgtheaters: „„Ich werde  mich hüten, mir etwas zu wünschen. Das könnte ja etwas weniger Tolles sein, als ich jeden Tag erlebe. Mein Leben war und ist von vielen glücklichen Umständen geprägt. Warum soll ich mir da noch mehr wünschen?““

Dann wünsche halt ich ihm was: „Alles Gute zum Geburtstag!“

 

 

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