Fritz Löhner-Beda im Porträt

Von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Sie sind das Obst der deutschen Einheit. Aber warum Bananen, ausgerechnet Bananen? „Die Banane ist eine Hoffnung für viele und eine Notwendigkeit für uns alle“, sagte Konrad Adenauer einst im Wirtschaftswunderland. Die Aussage muss sich wohl ins kollektive Gedächtnis der Deutschen gegraben haben. Wie ließe es sich sonst erklären, dass einen Tag nach dem Mauerfall am 9. November 1989 in den westdeutschen Supermärkten alle krummen Dinger schlagartig ausverkauft waren? Die Banane – das Luxussymbol der Ossies!

Dabei hatte schon in den 1920-Jahren die Tropenfrucht Furore gemacht. Josephine Baker brachte nur mit einem Bananenröckchen bekleidet die Männer in Paris, Berlin und Wien zur Raserei, und Fritz Löhner-Beda, einer der genialsten Textdichter seiner Zeit, setzte dem gelben Früchtchen mit dem Lied „Ausgerechnet Bananen“ ein literarisches Denkmal.

WAS MACHST DU MIT DEM KNIE, LIEBER HANS?

Fritz Löhner-BedaFriedrich Löhner wurde am 24. Juni 1883 als Bedrich Löwy im böhmischen Wildenschwert geboren. Die gutbürgerliche jüdische Familie zog vier Jahre später nach Wien. Beda bedeutet auf Tschechisch Fritz. So riefen ihn seine Eltern, und diesen Namen nahm er auch als Pseudonym an, als er als Gymnasiast seine ersten Gedichte veröffentlichte. 1908 promovierte Löhner zum Doktor der Rechte, übte seinen Beruf allerdings nie aus. Er hatte schon früh schriftstellerische Ambitionen und liebte die Unterhaltung, die sogenannte leichte Muse. Beda schrieb Gedichte und Kabarett-Sketche und machte sich auch bald als Schlagertexter einen Namen. Die Texte bestachen durch feine Ironie, charmante Zweideutigkeiten und höchste Reimkunst. Zur raschen Verbreitung trugen die neuen Medien Radio und Tonfilm  bei, und die Comedian Harmonists, die erste Boygroup der Welt, machten sie zu Hits mit ungeahntem Haltbarkeitsdatum. Wer kennt nicht „Was machst du mit dem Knie, lieber Hans!“ (Musik: Richard Fall), „O Donna Clara“ (Musik: Jerzy Petersbursky ) und „Ausgerechnet Bananen“ (Musik: Irving Cohn). Dieses Lied war eine äußerst freie Übertragung des englischen Songs „Yes, we habe noch Bananas“. Dass all diese Lieder in den 1990er Jahren ein Revival erlebten, ist nicht zuletzt Max Raabe und dem Palast-Orchester zu verdanken.

DEIN IST MEIN GANZES HERZ

Entscheidend für die steile Karriere von Löhner-Beda war die Begegnung mit dem Operettenkomponisten Franz Lehár. Dem ersten gemeinsamen Werk „Der Sterngucker“ war zwar kein Erfolg beschieden. Aber schon beim zweiten Anlauf schafften Lehár und Löhner-Beda, der Ludwig Herzer als Co-Autor ins Boot holte, mit „Friederike“ einen Sensationserfolg. Den größten Triumph erreichte das Trio mit „Land des Lächelns“ (1929). „Dein ist mein ganzes Herz“ wurde zum berühmtesten aller Lieder, die der Startenor Richard Tauber sang. Löhner-Beda widmete es seiner Frau Helene. Um in Lehárs Nähe zu sein, kaufte er sich in Bad Ischl die Villa Felicitas, die ehemalige Villa von Katharina Schratt. Dort pflegte der damalige Kaiser Franz Josef, wenn er in Bad Ischl auf Sommerfrische war, zu einem Gugelhupf und mehr einzukehren. (Übrigens: Zur Zeit steht die Villa wieder zum Verkauf frei!)

Auch viele dieser Operettenklassiker feiern wieder ein Revival. Im vergangenen Jahren erschienen CDs der Startenöre Jonas Kaufmann („Du bist die Welt für mich“) und Piotr Bezcala („Mein ganzes Herz“), die Werke von Franz Lehàr und somit auch Fritz Löhner- Beda zum Inhalt haben.

FREUNDE, DAS LEBEN IST LEBENSWERT!

Mit dem Komponisten Paul Abraham schrieb Löhner-Beda 1930 „Victoria und ihr Husar“, 1931 „Die Blume von Hawaii“, 1932 „Ball im Savoy“ und 1934 mit Franz Lehár „Giuditta“. Daraus stammt das Lied „Freunde, das Leben ist lebenswert!“. Es sollte die letzte Operette der beiden sein. Löhner-Beda erkannte nicht die tödliche Gefahr, die von Hitler, den er spöttisch den Tapezierer nannte, ausging. Freunde drängten ihn, das Land zu verlassen, doch er blieb. Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 war es für Flucht zu spät. Mit dem 1. Prominenten-Transport wurde er in das KZ Dachau und dann nach Buchenwald deportiert. Unter den Häftlingen befand sich auf der Komponist  Hermann Leopoldi. Im KZ schrieben die beiden das Buchenwaldlied, eine Lagerhymne, die die Häftlinge beim täglichen Appell singen mussten. Ein Lied, von dem Löhner-Beda sagte, es wäre sein bestes gewesen.

EINMAL KOMMT DER TAG, DANN SIND WIR FREI!

Währenddessen hatte sein Name schon aufgehört zu existieren. Er wurde in das „Lexikon der jüdischen Musik“ aufgenommen und durfte, obwohl die Lieder und Operetten gespielt wurden, nicht mehr in den Programmen, Notenheften und Schallplattenetiketten aufscheinen. Löhner-Beda hoffte bis zuletzt auf Lehárs Fürsprache. Umsonst! Er starb am 4. Dezember 1942 in Auschwitz, ohne vom Tod seiner Frau und seiner beiden Töchter, die in einem KZ in Minsk ums Leben gekommen waren, erfahren zu haben. Weil er zu langsam arbeitete, wurde er von einem Mithäftling erschlagen. Die offizielle Todesursache lautete Altersschwäche. „Denn einmal kommt der Tag, dann sind wir frei“ – diese Zeile aus dem Buchenwaldlied ging für Fritz Löhner-Beda nicht in Erfüllung.

…UND PFEIFEN AUF DIE SITTSAMKEIT!

Wer mehr über das tragische Leben und das Werk von Fritz
Löhner-Beda wissen will, kann dies in zwei Biographien nachlesen: „Kein Land des Lächelns“ von Barbara Denscher und „Dein ist mein ganzes Herz“ von Günther SchwarbergCharles Lewinksy verwandelte Bedas Leben in das berührende Theaterstück „“Freunde, das Leben ist lebenswert“. Christoph-Wagner-Trenkwitz, Chefdramaturg an der Wiener Volksoper, brachte den Gedichtband „Wie man sich trefft im Ampezzotal“ heraus, der längst vergriffene Texte von Beda beinhaltet.

Heuer setzten das Salzburger Vokalensemble Auftakt und der Wiener Schauspieler Alfred Pfeifer ein Herzensprojekt von mir in die Tat um. „…und pfeifen auf die Sittsamkeit!“ heißt die heiter-frivole Hommage an den verehrten Meister. Das Besondere an der CD: Einen Tonträger, der ausschließlich Werke von Fritz Löhner-Beda beinhaltet, gab es noch nie. „…und pfeifen auf die Sittsamkeit!“ – so heißt auch das Bühnenprogramm, das am 11. November wieder im kleinen theater in Salzburg zu sehen ist.

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Bernd Meinunger im Porträt

von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Er ist eine Hälfte des erfolgreichsten Komponisten-Textdichter-Duos beim Eurovision Songcontext. Achtmal landeten seine Lieder unter den ersten fünf. Mit „Ein bisschen Frieden“, gesungen von der 17-jährigen Nicole,  katapultierte sich Bernd Meinunger Bernd Meinungergemeinsam mit dem Komponisten Ralph Siegel  1982 in Großbritannien in den Schlagerolymp und bescherte Deutschland den allerersten Sieg beim Eurovison Songcontest, der damals noch Grand Prix Eurovision de la Chanson hieß. Der Siegertitel 1982 entstand, so geht die Mär, weil Siegel  – dem Zeitgeist entsprechend – unbedingt ein Lied über den Frieden machen wollte, Meinunger aber eigentlich nicht. Um dann im Laufe der Diskussion einzulenken: „Höchstens ein bisschen Frieden“. Damit war der Titel, die sogenannte „Zeile“, gefunden. Und Meinunger schwört, dass die Geschichte kein bisschen erfunden ist.

VOM WEIZEN ZUM HIMBEEREIS

Bernd Meinunger wurde am 30. September 1944 in Meiningen (Thüringen) geboren. Genau zehn Jahre später als Udo Jürgens. Da ist es nicht verwunderlich, dass der 70. Geburtstag, den Meinunger im vergangenen Jahr feierte, fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand. Schließlich ließ alle Welt Udo hochleben. Ein Umstand, der den Jubilar nicht störte, denn er steht nicht gern im Rampenlicht. Im Alter von fünf Jahren war Bernd mit seiner Mutter in die gerade gegründete Bundesrepublik Deutschland übersiedelt, wo der Vater lebte. Musikalische Ambitionen zeigten sich schon bald. Schon als Teenager wirkte Meinunger in verschiedenen Bands mit, unter anderem  mit den Red River Boys. 1966, während der Bundeswehrzeit, schrieb er Text und Melodie für seinen ersten Titel, der auf Schallplatte erschien: Chu Chu“.  Die Musik trat in den Hintergrund, als Meinunger  in München Volkswirtschaft studierte, wo er  seine Dissertation über die Handelsbeschränkungen des Weltweizenmarktes schrieb. Anschließend arbeitetete er zehn Jahre lang  in der Wirtschaftsforschung. Erst mit  33 Jahren startete er als Textdichter  durch, und zwar „Himbeereis zum Frühstück“. Das Lied war die deutsche Version des amerikanischen Songs „Standing in the Crossfire“ der Bellamy Brothers. In Deutschland machten es ebenfalls zwei Brüder zum Hit: Hoffmann und Hoffmann.

DSCHINGHIS KHAN UND EIN BISSCHEN FRIEDEN

1979 landete Meinunger seinen ersten Welterfolg: „Dschinghis Khan“, interpretiert von der gleichnamigem  Gruppe  Dschinghis Khan landete beim ESC  – Uuuuh, aaaah! –  in Jerusalem auf Platz  4. „Das Schönste ist, wenn man aus dem Nichts einen Hit schreibt“, so der Textdichter, „am besten für eine Band, die noch niemand kennt.“ Zwischen ihm und dem Komponisten Ralph Siegel entwickelte sich eine kongeniale Partnerschaft. Siebzehnmal seit 1978 traten die beiden gemeinsam beim Eurovision Song Contest an. Achtmal kamen sie unter die besten fünf, ihr Sieg 1982 mit „Ein bisschen Frieden“ ist legendär. Aber auch die Zweiplatzierungen, etwa Katja Ebsteins „Theater“ (1980), Lena Valaitis’ „Johnny Blue“ (1981) und „Lass die Sonne in dein Herz“ von Wind (1987) sind noch immer in den Köpfen der Deutschen.  

Bernd Meinunger hat mehr als 4600 Lieder geschrieben, die veröffentlicht und  350 millionenfach verkauft wurden, und erhielt an die 400 Gold- und Platin-Auszeichnungen. Neben dem Textdichten frönt er noch einer Leidenschaft, dem Golf. Auf dem Green traf er auch Hansi Hinterseer. Die Folge: Fast 100 Lieder in 20 Jahren!  Bernd Meinunger, der mit seiner Frau Barbara  in München lebt,  hat für beinahe jeden deutschsprachigen Künstler gearbeitet, der in den vergangenen 40 Jahren in den Hitparaden vertreten war, so zum Beispiel  Peggy MarchPeter AlexanderAndrea Berg, Rex GildoStefanie Hertel, die Kastelruther SpatzenMireille MathieuVicky LeandrosPeter Maffay, Semino Rossi und Wolfgang Fierek. Nur zwei große deutschsprachige Künstler fehlen ihm auf seiner langen Liste: Udo Jürgens und Howard Carpendale.  Und falls Sie auf einem Plattencover auf  klingende Namen wie John O’Flynn, Jim Leary, O. Pinion und Gunter Johansen stoßen: Auch hier steckt Bernd Meinunger dahinter.

VON DEUTSCHLAND NACH SAN MARINO

Anfang des 21. Jahrhunderts kam das Kreativ-Duo Siegel/Meinunger  in Deutschland irgendwie aus der Mode. 2005 wollte es Meinunger  noch einmal wissen und schrieb mit dem Komponisten David Brandes unter dem Pseudonym John O’Flynn den Song „Run & Hide“ , holte sich aber keine Lorbeeren. Die Sängerin Gracia landete auf dem letzten Platz – was nicht unbedingt an mangelnder Qualität des Songs gelegen haben dürfte, sondern an einem handfesten Skandal, der seinerzeit durch die Presse rauschte……….
Ralph Siegel scheint noch immer dem Songcontest verfallen zu sein. Er versucht seit Jahren  sein Glück mit anderen Nationen, darunter Malta, Bosnien und Herzegowina und San Marino – für das letztgenannte Land  heuer schon zum vierten Mal. Dieses Mal holte er wieder  John O’Flynn  ins Boot, der sich die Zeilen für  „Chain of Lights“  einfallen ließ. „Es wäre ein Traum, ins Finale kommen“, meinte Siegel vor wenigen Tagen. Dieser Traum ging nicht in Erfüllung. Für Anita Simoncini & Michele Perniola, beide erst 16 Jahre alt,   aus San Marino, war am Donnerstag in der Vorentscheidung Endstation.

Die Herren Siegel und Meinunger können sich also am 23. Mai die Übertragung in der Wiener Stadthalle ganz entspannt anschauen.  Den Grand Prix-Urgesteinen sei ein bisschen Frieden gegönnt. 

 

 

Camillo Felgen im Porträt

von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Schnee von vorvorgestern: Am 13. März 1965, also vor genau fünfzig Jahren, landeten die Beatles auf dem Flughafen in Salzburg. 5000 Fans standen auf dem Rollfeld (ja, das durfte man damals noch!), um The Fab Four willkommen zu heißen. Nach der Pressekonferenz ging es dann weiter in den Wintersportort Obertauern, wo die Dreharbeiten für die Agenten-Parodie „Help!“ stattfanden. Drei Songs auf der gleichnamigen LP kennen wahre Beatles-Fans heute noch auswendig: Help, Ticket to ride und Yesterday. „Hi-Hi-Hilfe!“ hieß die deutsche Fassung des Films. Apropos Deutsch: Haben Sie sich schon mal gefragt, wer eigentlich für Paul McCartney, John Lennon, George Harrison und Ringo Starr die deutsche Übersetzung von I want to hold your hand schrieb? Es war Camillo Felgen.

Camillo Felgen
Camillo Felgen

TAUSENDSASSA AUS LUXEMBURG

Camillo Felgen wurde als Camille Jean Nicolas Felgen am 17. November 1920 in in Tetingen in Luxemburg geboren. Nach Volksschule und Gymnasium besuchte er die Lehrerbildungsanstalt und war als Volksschullehrer und Dolmetscher tätig. Danach studierte Felgen Schauspiel, Gesang und Oper in Brüssel und Lüttich, schloss das Studium 1949 ab und widmete sich der leichten Muse. Seinen ersten internationalen Plattenerfolg hatte er bereits zwei Jahre später mit „Bonjour les amis“. Dieses Lied wurde später die Erkennungsmelodie für den französischen Sender von Radio Luxemburg. Als Camillo Felgen 1958 zum ersten deutschsprachigen Programmleiter von Radio Luxemburg, dem ersten Privatsender Europas und Vorläufer von RTL, berufen wurde, erfand  er das Radio neu. Mit seiner sonoren Stimme, seiner charmanten Art zu moderieren und seiner Improvisationskunst begeisterte er Millionen von deutschsprachigen Hörern und vor allem Hörerinnen. Felgen traf den Nerv der Zeit. Seine Hitparade wurde Kult. „Die großen Acht“, eine Sendung, in denen er Neuerscheinungen aus aller Welt vorstellte, galt als Erfolgsbarometer für die Plattenindustrie. Das sonntägliche Wunschkonzert ist für viele heute noch unvergessen. In den 1960er und 1970er Jahren stand Radio Luxemburg – zumindest akustisch – für ein vereintes Europa. Der Fernempfang über Kurz- und Mittelwelle machte die Diskussionen über offene Grenzen und Zusammengehörigkeit obsolet. Kaum zu glauben: Es gab sogar spezielle Kofferradios mit der „Radio Luxemburg-Taste“. Mit einem Klick zum richtigen Sound, hieß die Devise.

JEAN NICHOLAS ALS PSEUDONYM

Camillo Felgen erfand den Werbeslogan „Die fröhlichen Wellen von Radio Luxemburg“ und war maßgeblich an der Schaffung des „Goldenen Löwen von Radio Luxemburg“ beteiligt, einer Auszeichnung für nationale und internationale Künstler. Auch als Sänger war er erfolgreich. Der Bariton vertrat zwei Mal  Luxemburg beim Grand Prix Eurovision de La Chanson, dem Vorläufer des Eurovision Song Contests, und erreichte 1962 mit  dem französischen Lied Petit Bonhomme den dritten Platz. 1968 verließ Camillo Felgen den Radiosender, denn es lockte ein neues Medium, das Fernsehen. Wetten, dass Sie seinen Nachfolger kennen? Es war – Richtig! – Frank Elstner.  Felgen wechselte zum WDR  und moderierte er von 1965 bis 1973 125 Mal die legendäre Fernsehsendung „Spiel ohne Grenzen“. Dazwischen fand das Multitalent Zeit, für sich und andere Liedtexte zu schreiben. Für sein Pseudonym Jean Nicholas nahm er Anleihe bei seinem zweiten und dritten Vornamen. Er schrieb auch unter Lee Montague,was mitunter zur Verwirrung führte. 2000 Lieder sind es im Laufe seines Lebens geworden. Einer seiner größten Hits  war Sag warum?. Die Single verkaufte sich 800.000 mal. An diesen Erfolg kam nur der Titel Ich hab’ Ehrfurcht vor schneeweißen Haaren  heran, das im Original von Bobbejaan gesungen wurde.  Dieser unverwüstliche Evergreen aus dem Jahr 1961 treibt noch heute ungezählten Müttern und Großmüttern die Tränen in die Augen.

KOMM, GIB MIR DEINE HAND!

In den 1960er Jahren war  so es durchaus üblich, fremdsprachige, meist englische Lieder ins Deutsche zu übertragen. So schrieb Felgen für Connie Francis den Hit Schöner, fremder Mann (während die Originalversion Someone else’s boy in den USA floppte), für Peter Alexander Ich zähle täglich meine Sorgen (Original: Heartaches by the number), für Rolf Paulsen Bonanza und für die Beatles  Komm gib mir deine Hand (I want to hold your hand) und Sie liebt dich (She loves you). Der Produktionsleiter des deutschen Plattenvertriebs war der Überzeugung, dass die Beatles in Deutschland nur Erfolg hätten, wenn es auch eine deutschsprachige Fassung gäbe. Felgen flog nach Paris, wo er im Nobel-Hotel „Georges V“ John Lennon und Paul McCartney traf.  Ihm blieben nicht einmal 24 Stunden Zeit, um die Texte zu verfassen und mit den zwei Pilzköpfen die Songs phonetisch einzustudieren. Fast wäre das Unterfangen gescheitert, zu sehr plagten sich John und Paul mit der deutschen Aussprache. Am 29. Januar 1964 wurden im Pariser Tonstudio Pathé Marconi die neuen Texte aufgenommen und über die Original-Musikspuren gelegt. Nicht einmal eine Woche später, am 4. Februar 1964, erschienen die Aufnahmen als Komm, gib mir deine Hand/Sie liebt dich  liebt Dich (Odeon 22671) und erreichten einen fünften  beziehungsweise siebten Rang der deutschen Hitparade.. Letztendlich war die englischsprachige Originalfassung erfolgreicher. Sie war die acht Wochen auf Platz 1 und wurde  im April 1964 von „O my Darling, Caroline“ von Ronny verdrängt. Heute werden die beiden Songs als Kuriosum gewertet. Sie sind die einzigen Lieder, die die Beatles in Deutsch aufgenommen haben und obendrein die einzigen, die außerhalb von London  entstanden sind.

1987 zog sich Camillo Felgen offiziell aus der Medienwelt zurück. Sich auf seinen Lorbeeren ausruhen, wollte der Radiopionier auch im fortgeschrittenen Alter nicht. Er schrieb französische und deutsche Chansons,  spielte Theater und wirkte in Filmen mit, u. a. in  Andy Bauschs „Le Club des Chômeurs“.  2004 drehte der luxemburgische Filmemacher eine Dokumentation über seinen Landsmann unter dem Titel  „Monsieur Warum“  – als kleine Anspielung an dessen größten Erfolg „Sag warum“. Ein Jahr später, am 17. November 2005, verstummte die wunderbare Stimme von Camillo Felgen für immer.

Auch fast zehn Jahre nach seinem Tod scheint er unvergessen zu sein. So betreibt Meike Konrad aus Offenbach im Internet eine liebevoll gestaltete Fanseite, um das Andenken an jenen Mann zu bewahren, der den Beatles Sätze wie O du bist so schön, schön wie ein Diamant. Ich will mit dir gehen. Komm gib mir deine Hand in den Mund gelegt hat. Übrigens: Im Original ist der Text auch nicht besser!

 

 

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Hans Fritz Beckmann im Porträt

Von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Es gibt Tage, da denkt man: „Welt, lass mich in Ruhe“, wie DIE ZEIT vor kurzem titelte. Tage, an denen man alles außen vor lassen möchte und sich nur eines wünscht: „Ich wollt’, ich wär ein Huhn! Ich hätt’ nicht viel zu tun. Ich legte jeden Tag ein Ei, und sonntags auch mal zwei…“ Diesen unausrottbaren Ohrwurm sang 1936 der UFA-Traumpaar Lilian Harvey und Willy Fritsch in dem Film  „Glückskinder“. 73 Jahre später fand er sich in derselben Interpretation in dem Oscar-preisgekrönten amerikanischen Streifen „Inglorious Basterds“  wieder. Geschrieben hat das Lied einer der erfolgreichsten Textdichter des jungen deutschen Tonfilms, Hans Fritz Beckmann, die Melodie stammt von Peter Kreuder.

VON BERLIN NACH BUENOS AIRES UND RETOUR

Hans Fritz Beckmann wurde am 6. Januar 1909 in Berlin-Schöneberg geboren. „Mein Vater war Offizier, meine Mutter nicht  – diese Veranlagung habe ich auch dann von meiner Mutter geerbt“, so beschrieb Beckmann augenzwinkernd seine Eltern. Auch mit dem zweiten Mann seiner Mutter, mit dem die Familie 1920 nach Argentinien auswanderte, hatte der Junge keine rechte Freude. Er hatte schon damals literarische Ambitionen, sollte aber nach dem Willen des Stiefvaters Buchhalter werden. Als er sich widersetzte, verfrachtete dieser den 19-jährigen kurzerhand mit einer nur halbbezahlten Schiffspassage auf einen Dampfer Richtung Deutschland. Das fehlende Geld musste sich Hans auf der Überfahrt als Schiffsjunge verdienen. 1928 nach Berlin zurückgekehrt schlug sich er als Gelegenheitsarbeiter und Eintänzer durch. Tangotanzen hatte er in Buenos Aires gelernt, und dieser Tanz war in Deutschland groß in Mode. In einem Tingel-Tangel-Varieté sah ihn der Kabarettist und Conferencier Erich „Elow“ Lowinksy und holte ihn 1932 als zweiten Mann in sein berühmt-berüchtigtes  „Kabarett der Namenlosen“. Das war ein ziemlich mieser Job, denn dort durften nur die Untalentiertesten auftreten, die dann gnadenlos verrissen und vom Publikum ausgebuht wurden. (Kommt Ihnen das irgendwie bekannt vor?) In dieser Zeit schrieb Beckmann seine ersten Chanson-Texte und landete 1934 in Trude Hesterbergs Kabarett „Musenschaukel“, wo er den Komponisten Theo Mackeben kennenlernte, der damals in der Schlagerwelt schon eine große Nummer war. Was für ein Glück, dass Mackeben dringend einen neuen Autor suchte. Sein bisheriger Autor Felix  Joachimson (später: Felix Jakobson) war jüdischer Abstammung und musste aus politischen Gründen Deutschland verlassen.

SO ODER SO IST DAS LEBEN

Hans Fritz Beckmann mit dem Komponisten Peter Kreuder (links)
Hans Fritz Beckmann mit dem Komponisten Peter Kreuder (links)
Quelle: privat, mit freundlicher Genehmigung

Mit  dem Lied So oder so ist das Leben aus dem Film „Liebe, Tod und Teufel“, gesungen von Brigitte Horney, gelang Beckmann schnell der Durchbruch. Die Platte, bei der Deutschen Grammophon aufgenommen, wurde zu einem Sensationserfolg. Über Nacht hatte sich Beckmann in der Branche einen Namen gemacht, und viele Komponisten rissen sich um seine Texte. Er schrieb nicht nur für Theo Mackeben, sondern auch für Peter Kreuder, Friedrich Schröder und Peter Igelhoff. Kein Star der 1930er und 1940er Jahre, der nicht einen Titel von Beckmann im Repertoire gehabt hätte. Viele der Lieder sind zu Evergreens geworden: Lilian Harvey und Willi Fritsch sangen in dem Film „Die sieben Ohrfeigen“  Ich tanze mit dir in den Himmel hineinJohannes Heesters in „Gasparone“ Ich werde jede Nacht von Ihnen träumen, Hans Albers  in „Wasser für Manitoga“ Goodbye Johnny, Lizzi Waldmüller in  „Bel Ami“ Du hast Glück bei den Frau’n, Bel Ami“ sowie  Willi Forst„Gnädige frau, wo war’n Sie gestern?, Marika Röck  in „Hallo Janine“ Musik, Musik, Musik (besser bekannt unter dem Titel Ich brauche keine Millionen), Zarah Leander in „Es war eine rauschende Ballnacht“ Nur nicht aus Liebe weinen, Johannes Heesters in „Immer nur du“ Man müsste Klavier spielen können, Evelyn Künneke in „Karneval der Liebe“ Haben Sie schon mal im Dunkeln geküsst? und Margot Hielscher in dem gleichnamigen Film Frauen sind keine Engel. Neben den Liedtexten, über 958 sind bei der GEMA registriert, schrieb Beckmann auch eine beachtliche Zahl von Filmdrehbüchern. Hier seien nur einige aufgezählt:  „Kleiner Mann – ganz groߓ (1938), „Hallo Janine“ (1939) und „Traummusik“ (1940).

LIEBER GOTT, LASS DIE SONNE WIEDER SCHEINEN

Nach Kriegsende wurde es stiller um den einstigen Hans-Dampf-in-allen-Gassen. Beckmann eröffnete in Berlin ein Kabarett, das aber schon nach kurzer Zeit wieder geschlossen wurde, und versuchte sich als Lyriker. Trotz heftigen Bemühens konnte er nicht mehr an seine alten Erfolge anschließen, obwohl er alles tat, um sich auf veränderten Publikumsgeschmack und das Zwei-Minuten-Dreißig-Diktat der Musikboxen einzustellen. Er schrieb weiterhin Filmmusiken, aber ohne echtes Hitpotential. In Erinnerung geblieben ist das Lied „Lass die Sonne wieder scheinen“ aus dem  gleichnamigen Film, für das Beckmann 1955 gemeinsam mit Franz Marischka das Drehbuch verfasste. Die kleine Cornelia sang das Titellied, zu dem Papa Gerhard Froboess die Musik geschrieben hatte: „Lieber Gott, lass die Sonne wieder scheinen für Mama, für Papa und für mich. Alle Leute, die großen und die kleinen, haben Sehnsucht nach Sonne wie ich…“

ABSCHIEDSBRIEF IM MÜNCHNER STAMMLOKAL

Für Beckmann hatte die Sonne nicht mehr dieselbe Strahlkraft wie in den Dreißiger- und Vierzigerjahren. Er arbeitete als Synchronautor für Hollywood-Filme, wurde 1958 Produzent bei der Plattenfirma Ariola und freute sich, als die Nostalgiewelle der Sechziger Jahre seine Evergreens wieder nach oben spülte. Das große Revival der Lieder der 1930er und 1940er Jahre, das von Max Raabe und seinem Palastorchester in den 1990er Jahren eingeläutet wurde, konnte er leider nicht mehr erleben.  Am 25. April 1975  – da war Hans Fritz Beckmann gerade mal 66 Jahre alt  – verlor er den Kampf gegen den Lungenkrebs. Seinen Freunden, darunter dem Komponisten Friedrich Hollaender, hatte er in seinem Stammlokal, dem legendären Max II, einen Abschiedsbrief hinterlassen. 

„Beckmanns Texte kann man auch in gedruckter Form als amüsante, manchmal satirisch-geschliffene, in jedem Fall aber als den Intellekt ansprechende Gebrauchslyrik begreifen“, schrieb Jens Uwe Völmeke  anlässlich des 100. Geburtstags in einem Artikel des Sikorski Magazins. „Damit ist Beckmann seinem persönlichen Wunschtraum, einmal ein bedeutender Literat zu werden, vielleicht näher gekommen als er es selbst jemals geglaubt hätte. Ein ‚Literat’ des deutschen Schlagers war er auf alle Fälle.“

 

Wolfgang Hofer im Porträt

Von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Zwei Seelenverwandte: Udo Jürgens und sein Textdichter Wolfgang Hofer

Zwei Seelenverwandte: Udo Jürgens und sein Textdichter Wolfgang Hofer

Am 17. Februar feiert Wolfgang Hofer, einer der großen zeitgenössischen Textdichter  und Hitschreiber von Udo Jürgens, seinen 65. Geburtstag. Was läge da näher als den gebürtigen Linzer, der in den 70er Jahren als Liedermacher erfolgreich war, zu fragen: Fängt tatsächlich erst mit 66 das Leben an? Das etwas andere Porträt.

Noch mehr Musical, das wär‘ schon was!“

Im Internet lässt sich nicht sehr viel über Sie finden. Kollegen Ihres Kalibers haben eine umfassende Homepage. Stehen Sie lieber in der 2. Reihe als im Rampenlicht und wollen eigentlich von den Medien verschont bleiben?

Anfang der 70er stand ich für ein einige Jahre durchaus im Rampenlicht, nachdem ich als dahergelaufener Ösi Heino von Platz eins der ZDF-Hitparade verdrängt hatte. Mein Lied vom Trödler Abraham hatte einen außergewöhnlichen Text, und so fragten die Kollegen, ob ich auch für sie schreiben würde. Über Peter Kraus und Michael Schanze, die ich von gemeinsamen Auftritten kannte, kam ich auch zu Aufträgen für Fernsehshows. Das ging später bis „Flitterabend“, „Bambi“ und „Wetten dass…“ Irgendwann war für die Bühne einfach keine Zeit mehr. Für eine Homepage fehlen mir die Lust und die Eitelkeit.

Stammen Sie aus einem künstlerischen Elternhaus? Welche Musik wurde im Hause Hofer gehört?

Mein Vater war Buchhalter, meine Mutter hatte eine poetische Ader, die blieb aber privat. Als Kind habe ich alles gehört, was das Radio an Schlager und früher Popmusik hergab. Ich habe auch Beatles- und Rolling-Stones-Texte aus der Bravo ausgeschnitten.

Wie verlief Ihre Schullaufbahn?

Ich war ein Einser-Schüler, der im Gymnasium zum Rebellen mutierte. Als Rädelsführer der klasseneigenen OAS (Organsiation académique de sabotage) hatte ich etliches auf dem Gewissen, auch eine ziemlich satirische Maturazeitung. Dank meiner schulischen Leistungen blieben mir aber Sanktionen weitgehend erspart.

Wann machte sich Ihr dichterisches Talent zum ersten Mal bemerkbar?

Im zarten Alter von sieben Jahren habe ich einen Familienausflug in Gedichtform für die Nachwelt festgehalten. Leider hat die Nachwelt das Werk verschlampt.

War das Studium der Nachrichtentechnik nur ein Vorwand, um aus der Provinz nach Wien zu kommen?

Erwischt! Zu Hause in Linz konnte man damals nur Sozialwissenschaften studieren. So kam ich als Bastler auf die Idee, Nachrichtentechnik zu belegen, ein Teilgebiet der Elektrotechnik. Und das gab es nur in Wien! Das Studium habe ich nicht abgeschlossen. Ich war zu viel mit der Musik beschäftigt, habe jeden Tag im Keller des Studentenheims mit der Gitarre komponiert und geübt.

Wann  entstand der Wunsch, Liedermacher zu werden? Gab es Vorbilder?

In meiner Gymnasialzeit waren Protestsongs angesagt, ausgehend von amerikanischen Songwritern wie Bob Dylan, Joan Baez & Co.  Also schrieb ich unter der Schulbank weltverbessernde englische Lieder und gründete mit Schulkollegen eine Folklore-Band. Nach der Matura gingen wir auseinander, jeder in eine andere Stadt. In Wien gab es eine Nachwuchsförderung durch den Österreichischen Rundfunk ORF, und ich wurde bei einem bunten Abend im Studentenheim begutachtet und für tauglich befunden. So entstanden erste professionelle Aufnahmen im Rundfunk-Tonstudio.

Sie haben als Sänger Ihren Nachnamen abgelegt.  Wegen Wolfgang Ambros’ „Hofer“? Oder kam der erst später?

Ich fand damals, mit dem Namen „Hofer“ kann man Tiroler Freiheitskämpfer werden, aber kein Schlagersänger. Wolfgang Ambros hat seinen Hofer erst kurz darauf „die Leich‘ massakrier’n“ lassen.

Ihre Karriere als Liedermacher und Sänger begann sehr vielversprechend. Warum haben Sie damit aufgehört? Haben Sie das jemals bereut?

Warum: Siehe oben! Bereut: Nein.

Wann gingen Sie nach München?

Ich ging von Wien zuerst nach Hessen, weil in Frankfurt meine Plattenfirma ansässig war. Eine Villa im Taunus konnte ich mir nicht leisten, also habe ich in Hanau gewohnt. Da gibt es übrigens einen Stadtteil namens „Wolfgang“. Passt doch, oder? Später zog ich nach München, da riecht’s mehr nach Heimat.

Wie schafften Sie es,  für Udo Jürgens zu arbeiten? Was war das erste Lied, das Sie für ihn schrieben?

Ich war als Sänger im Management von Hans Beierlein, der auch Udo betreut hat. Da lag es nahe, mich nach Kitzbühel zu schicken  „…und jetzt schreibt mal was zusammen!“ So stand ich dann mit Herzklopfen vor einer riesigen Villa, und es begann eine wundervolle und anstrengende Zusammenarbeit. Der erste Text, den ich für Udo schrieb, hieß „Mein Klavier“. Insgesamt sind es über 100 gemeinsame Lieder. Genau weiß ich die Zahl noch nicht, mit meiner Datenbank bin ich erst beim Buchstaben K.

Was sind die bekanntesten Lieder und  was Ihre liebsten?

„Buenos Dias, Argentina,“ „Liebe ohne Leiden“, „Mein Bruder ist ein Maler“, „Alles im Griff auf dem sinkenden Schiff“ und „Mit 66 Jahren…“ Lieblingslied ist schwer, vielleicht „Merry Christmas allerseits“, weil es doch recht originell ist.

Wie war die Zusammenarbeit mit Udo Jürgens? Sie haben bis zuletzt für ihn geschrieben. Die meisten Texte von  „Mitten im Leben“ sind von Ihnen. 

Die Zusammenarbeit war geprägt von einer Seelenverwandtschaft – nicht nur, weil wir beide Österreicher sind – von gegenseitigem Respekt und von höchster Akribie. Wir haben Worte oft x-mal umgedreht, bis wir zufrieden waren. Genauso ist Udo mit seinen Melodien verfahren, deshalb kamen ja auch große Lieder dabei heraus und nicht irgendwelche Allerweltschlager. Udo war ein Arbeitstier wie ich, aber am Abend war Schluss – da gab es früher Rot- und in den letzten Jahren Weißwein und ein entspanntes Essen. Nach dem obligatorischen Wodka Tonic sind wir hie und da doch wieder an den Flügel. „Buenos Dias, Argentina“ ist um drei Uhr nachts entstanden. Und wenn ich nicht mein Diktiergerät hätte laufen lassen, hätten wir uns am nächsten Tag vielleicht nicht mehr erinnert…

Wie geht es Ihnen jetzt – wenige Wochen nach seinem Tod?

Es ist alles ganz unwirklich. Ich habe noch seine Stimme im Ohr, wenn er auf den Anrufbeantworter gesprochen hat: „Jaaa, Udo hier…“ Und es ist eine brutale Erkenntnis: Letztlich bleibt auch vom größten Helden neben dem Ruhm nur eine Handvoll Asche.

Sie erleben das typische Schicksal eines Textdichters.  Alle kennen Ihre Lieder, die wenigsten wissen, dass sie von Ihnen stammen.  Ärgert Sie das? Oder freuen Sie sich im Stillen, wenn Ihnen ein „maßgeschneiderter“ Text gelingt?

Ich freu mich laut, wenn mir ein Text gelingt. Und das ist zum Glück nicht selten. So kann ich als graue Eminenz gut im Hintergrund leben. Die meisten kriegen ja eh raus, was ich mache. Wie mein Fischhändler auf dem Viktualienmarkt. Der hat mich bei der Geburtstagsgala im Fernsehen gesehen und dann ganz geschickt ein Gespräch eingefädelt, um Gewissheit zu haben.

Von Ihnen stammt auch der Hit von Margot Werner „So ein Mann“ und „Lass mein Knie, Joe“, gesungen von Wenke Myrhe. Für wen haben Sie noch geschrieben?

Hier ein kleines ABC meiner Künstler (Sänger und TV-Moderatoren): Dieter Thomas Heck mit Wolfgang HoferSalvatore Adamo, Tom Astor, Peer Augustinski, Roy Black, Gilbert Bécaud, Vivi Bach, Lill Babs, Gerhard Bronner, Axel Bulthaupt, Howard Carpendale, Costa Cordalis, Dorthe, Deutsche Fußball-Nationalmannschaft, The Eagles Charity Project, Thomas Gottschalk, Rex Gildo, Gitti & Erica, Hanne Haller, Heino, Dieter Hallervorden, Hansi Hinterseer, Eva Hermann, Chris Howland, Sigi Harreis, Bata Illic, Udo Jürgens, Jenny Jürgens, Harald Juhnke, Roland Kaiser, Peter Kraus, Johanna von Koczian, Daliah Lavi, Jürgen von der Lippe, Bruce Low, Martin Lauer, Mireille Mathieu, Nana Mouskouri, Wencke Myhre, Jürgen Marcus, Marianne und Michael, Carmen Nebel, Marianne Rosenberg, Iwan Rebroff, Dunja Rajter, Ilja Richter, Carolin Reiber, Harald Schmidt, Bud Spencer, Bobby Solo, Ingrid Steeger, Dietmar Schönherr, Michael Schanze, Sabine Sauer, Vico Torriani, Lena Valaitis, Margot Werner, Stefan Waggershausen, Günter Wewel

Sie arbeiten in München in einer Werbeagentur und werden im Februar 65. Denken Sie an die Pension oder an neue Projekte?  Nach eigener Aussage ist ja mit 66 noch lang noch nicht Schluss.

Die Werbeagentur ist eine Ente. Rente kommt für mich nicht in Frage. Keine Kreuzfahrten, Kegeltouren, Kaffeekränzchen, lieber Arbeit, da bleibt man ewig 66!

Was möchten Sie noch gerne schreiben? Und für wen?

Letztes Jahr lief in Wien mit großem Erfolg das Musical Der Besuch der alten Dame nach Friedrich Dürrenmatt. Premiere hatte das Stück bei den Thunerseespielen in der Schweiz, in diesem Jahr geht es nach Tokio. Ich habe die Songtexte geschrieben. Noch mehr Musical, am liebsten mit Pia Douwes und Uwe Kröger in den Hauptrollen, das wär schon was!

Abschließend möchte ich Sie noch um ein paar  private Infos bitten. Was  neugierige Leut’ halt so wissen wollen: Verheiratet? Kinder? Katze? Hund?

Privates ist tabu. Nur so viel: Ich bin glücklich mit einer eleganten, rheinischen Frohnatur verheiratet, lebe trotz Weißwein gesund, wohne mitten in München in der vierten Etage, nehme statt dem Lift die Treppe und brauche keine Tabletten.

Herzlichen Dank für das Interview!

PS: Wolfgang Hofer hat einen Fan besonderer Art. Tina betreibt  unter dem Namen „Wolfgang – The early Years“ auf Facebook eine öffentlich zugängliche Fanseite, die dem Sänger Wolfgang gewidmet ist. Die ist mehr als nur einen Blick wert.

 

 

Stille Nacht: Joseph Mohr im Porträt

Von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Kleine Vorbemerkung: In der Serie „Wer schrieb eigentlich…?“ stelle ich Textdichter des 20. Jahrhunderts vor. Aus gegebenem Anlass mache ich heute eine Ausnahme und porträtiere jenen Mann, der der Welt das berühmteste Weihnachtslied aller Zeiten beschert hat. (Auch wenn er schon im 19. Jahrhundert gelebt hat.)

ERST SINGEN, DANN DIE GESCHENKE!

„Stille Nacht, heilige Nacht! Alles schläft, einsam wacht nur das traute hochheilige Paar…“ Es ist ein ehernes Familiengesetz: Erst nach dem kollektiven Absingen von „Stille Nacht“ (zumindest der ersten Strophe!) vor dem im Kerzenschein erstrahlenden Weihnachtsbaum dürfen die Geschenke ausgepackt werden. Zu verdanken haben wir das Joseph Mohr. Er hatte den Einfall zu „Stille Nacht“ – vor fast 200 Jahren.

Jpseph MohrJoseph Mohr wurde unter keinem guten Stern geboren. Er kam am 11. Dezember 1792 in der Stadt Salzburg als uneheliches Kind der Strickerin Anna Schoiber zur Welt. Sein Vater Franz Mohr war ein ehemaliger Soldat aus dem Lungau, dem südlichsten Bezirk im Land Salzburg. Der kleine Joseph wuchs in ärmlichsten Verhältnissen auf. Zum Glück erkannte ein Domvikar das musikalische Talent des Buben und nahm ihn unter seine Fittiche. Er ermöglichte ihm den Besuch eines Gymnasiums und in weiterer Folge ein Theologiestudium. 1815 wurde Joseph Mohr zum katholischen Priester geweiht. Dafür brauchte er allerdings als unehelich Geborener vom Papst eine Ausnahmegenehmigung. Seine erste Anstellung führte ihn nach Mariapfarr, in die Heimatgemeinde seines Vaters. Dort hatte er auch den genialen Einfall zu jenem Gedicht, das in der Vertonung von Franz Xaver Gruber den Siegeszug um die ganze Welt antreten sollte.

EIN LIED GEHT UM DIE WELT

Im Jahre 1817 verschlug es Mohr nach Oberndorf. Als kurz vor Weihnachten 1818 die Orgel in der St. Nikolaus-Kirche streikte, bat er den Organisten Franz Xaver Gruber, der als Lehrer in der Nachbargemeinde Arnsdorf arbeitete, das sechsstrophige Gedicht „Stille Nacht“ zu vertonen. Gruber schrieb zwei Solostimmen mit Gitarrenbegleitung. Bei der Christmette erklang das Lied zum ersten Mal. Mohr sang Tenor und spielte Gitarre, Gruber sang Bass. Der Tiroler Orgelbauer Carl Mauracher, der die Oberndorfer Orgel kurze Zeit später reparierte, nahm die Noten mit in seine Heimat und verhalf so dem Lied zum Siegeszug zuerst  nach Tirol (1819), dann nach Deutschland, dann nach Amerika (1938).

SOZIALES ENGAGEMENT IN WAGRAIN

Mohr blieb bis September 1819 in Oberndorf und wechselte dann häufig seine Dienstorte, bis er 1837 Pfarrer von Wagrain wurde. Schon in Oberndorf hatte er für die Armen stark gemacht, in Wagrain konnte er sein soziales Engagement fortsetzen. Er veranlasste den Neubau der Schule, gründete einen Ausgleichsfonds, um auch den Kindern mittelloser Eltern den damals kostenpflichtigen Schulbesuch zu ermöglichen und kümmerte sich um die bedürftige, alte Bevölkerung. Auf seine Initiative geht auch das später geschaffene Armen- und Altenheim zurück. Von dem Erfolg seines Liedes erfuhr er genau wenig wie Franz Xaver Gruber. Die Urheberschaft wurde auf Grund eines Autographs erst 1854 nachgewiesen. Mohr starb im Alter von 56 Jahren am 4. Dezember 1848 an Tuberkulose  und fand auf dem Friedhof in Wagrain seine letzte Ruhestätte. Heute erinnert der Name der Volksschule an den großen Wohltäter.

STILLE NACHT DAS GANZE JAHR

Die Stille-Nacht-Gesellschaft mit Sitz in Oberndorf hat sich zur Aufgabe gemacht, die Entstehung des Liedes zu erforschen und die authentischen Fassungen zu verbreiten. In vier Jahren gibt es etwas ganz Besonderes zu feiern: 200 Jahre „Stille Nacht“. Drei Museen in Oberndorf, Arnsdorf und Hallein  machen das Lied zum Dauerthema. Die Entstehungsgeschichte von „Stille Nacht“ wurde mehrmals verfilmt, 1997 unter dem Titel „Das ewige Lied“ mit Tobias Moretti in der Rolle von Joseph Mohr. Auch das Fernsehen kommt nicht daran vorbei. Zauberhafte Weihnacht im Land der Stillen Nacht heißt die neueste Produktion, die am 20. Dezember in ORF 2 und am 26. Dezember auf 3 SAT ausgestrahlt wird. Moderator Harald Krassnitzer über das Lied der Lieder: „’Stille Nacht’ gehört einfach zur Kultur der Österreicher. Mich fasziniert vor allem die Weltreise, die dieses Lied gemacht hat.“

 

 

Michael Kunze im Porträt

Von Claudia Karner (Celler Schule 206)

Wer schrieb eigentlich „Ich war noch niemals in New York, ich war noch niemals auf Hawaii, ging nie durch San Francisco in zerriss’nen Jeans…“? Na, Udo Jürgens, wer sonst, werden Sie jetzt vermutlich sagen. Falsch! Es war sein Haus- und Hoftexter Michael Kunze, der ihm viele Hits, darunter „Griechischer Wein“, „Ein ehrenwertes Haus“ und „Heute beginnt der Rest meines Lebens“ auf den Leib schrieb und dem dabei das typische Textdichter-Schicksal widerfuhr. „Das Publikum identifiziert gewöhnlich den Sänger mit dem, was er singt, den Texter nimmt es gar nicht wahr. Das hat mich nie gestört. Ich bin so eine Art Ghostwriter, der den Interpreten die Sprache gibt“, sagte Michael Kunze in einem Interview  in der FAZ. „Udo Jürgens und ich, wir waren ein eingespieltes Team. Mit ihm zusammen am Klavier war mir die liebste Arbeit. Einmal hat Udo gesagt: ‚Oft stört der Text die Musik oder umgekehrt. Wenn aber ein guter Text und die passende Melodie zusammenkommen, löst das die stärkten Emotionen aus’.“ Schade, dass Udo Jürgens bei der Fernsehshow anlässlich seines 80. Geburtstags für seinen langjährigen Textdichter nur in einen Halbsatz übrig hatte.

DU BIST ALLES, WAS ICH HABE AUF DER WELT…

Michael Kunze
Foto: Alexander Christoph Wulz

Geboren wurde Michael Kunze am 9. November 1943 in Prag, wo sein Vater als Journalist beim Prager Tagblatt arbeitete. Nach der Rückkehr der Familie nach Deutschland wuchs er im Schwarzwald auf und besuchte in München das Gymnasium. Als Teenager entdeckte er die Liebe für den Rock’n’Roll, lernte Gitarre spielen und schrieb die ersten Lieder. Nach dem Abitur mit der Durchschnittsnote 1,0 studierte Kunze Jura, ein Studium, das er, wenn erst auch viele Jahre später, summa cum laude beendete. Die Dissertation über einen Hexenprozess aus dem Jahre 1600  („Der Prozess Pappenheimer“) erregte großes Aufsehen in Fachkreisen und wurde Grundlage für seinen Erfolgsroman  „Straße ins Feuer“. Doch erst mal wollte der junge Kunze Liedtexte schreiben. Da die ersten Versuche nicht besonders erfolgreich waren, entschloss er sich, selbst zu produzieren. In einer Schwabinger Musikkneipe entdeckte er 1969 den 17jährigen Peter Maffay, für den er das Lied „Du“ schrieb. „Du bist alles, was ich habe auf der Welt. Du bist alles, was ich will…“ Durchaus möglich, dass sich Kunze beim Schreiben dieses Textes von seiner Jugendliebe Roswitha inspirieren ließ, die er mit 17 Jahren im Schulbus kennengelernt hatte und ihn noch heute als Ehefrau durchs Leben begleitet.

KEINE ANGST VOR GEFÜHLEN

Von da an ging es aufwärts. Sehr steil sogar. Insgesamt sind es 4000 Titel geworden, darunter an die 300 Hits. „Einige davon finde ich heute noch gut“, sagt Kunze. Sein Erfolgsrezept: „Ich hatte nie Angst vor Gefühl, vor Einfachheit. Angst hatte ich vor Lügen und Klischees. In der Branche wusste man bald, für die richtigen breiten Schlager bin ich nicht der Richtige. Durchgesetzt haben sich meine Texte, weil sie etwas anders waren als das übliche Schlager-Einerlei.“ Und so schrieb er u. a. für Peter Alexander („Die kleine Kneipe“), Jürgen Drews („Ein Bett im Kornfeld“), Die Münchner Freiheit („Ohne dich schlaf ich heut Nacht nicht ein“), Gitte Haenning („Freu dich bloß nicht zu früh“), Mary Roos („Aufrecht geh’n“), Juliane Werding („Stimmen im Wind“) und Gilbert Becaud („Desirée“).

1974 wagte Michael Kunze den Sprung über den Großen Teich, gründete in den USA die Retorten-Gruppe Silver Convention und erfand den sogenannten Munich Sound. Auf Grund der sensationellen Erfolge in den USA  mit „Fly, Robin, Fly“ – der Song wurde Nummer 1 in den Billboard Charts –   und Penny Mc Leans „Lady Bump“, die Kunze unter dem Pseudonym Stephan Prager schrieb, arbeitete er mit Stars der amerikanischen Musikszene und produzierte Alben mit Herbie Mann, Julio Iglesias und Sister Sledge. 1976 wurde er als erster Deutscher gemeinsam mit dem Komponisten Sylvester Levay mit einem Grammy ausgezeichnet. In Deutschland wählte ihn die Jury der Goldenen Europa zum „Mann des Jahres 1976“. Das Pendeln zwischen den Kontinenten und Druck der amerikanischen Plattenfirma gingen Kunze an die Substanz. Ende der 1970er Jahre zog er die Notbremse. Er löste Silver Convention auf, kündigte alle Verträge und nahm sich Auszeit, um den Roman „Straße ins Feuer“ zu schreiben. 

MUSICAL- UND STORY-ARCHITEKT

In den 80er Jahren entdeckte Michael Kunze eine neue künstlerische Welt: das Musical. Er übertrug mit großem Erfolg die Musicals des weltbekannten Engländers Andrew Lloyd Webber wie „Evita“, „Cats“, „Das Phantom der Oper“ und „Sunset Boulevard“ ins Deutsche und verhalf so diesen Werken in seiner Heimat zum Durchbruch. Gleichzeitig machte er sich einen Namen in dieser Branche. Es folgten die deutsche Adaptierungen (Die Bezeichnung „Übersetzung“, hört Kunze nicht gern) von  „A Chorus Line“, „Der kleine Horrorladen“, „Der Glöckner von Notre Dame“, „Der König der Löwen“, „Mamma Mia!“ und „Aida“.
Mit dem Komponisten Sylvester Levay, mit der sich bereits zu Zeiten des „Munich Sound“ die Lorbeeren geteilt hatte, begann Michael Kunze eigene Musicals zu schreiben und zu produzieren. Er startete 1990 mit „Hexen, Hexen“ und landete  zwei Jahre später mit „Elisabeth“, der Geschichte der österreichischen Kaiserin fernab vom picksüßen Sissi-Kitsch, trotz anfänglicher Kritikerschelte einen Welterfolg. „Elisabeth“ wurde vier Jahre lang in Folge in Wien gespielt. O-Ton Michael Kunze, der sich als Story-Architekt verstanden wissen will:  „Seit zwanzig Jahren vergeht kaum ein Tag, an dem nicht irgendwo in der Welt „Elisabeth“ aufgeführt wird. Das ist nicht ohne Ironie. Ich wollte die Geschichte der unglücklichen Kaiserin als zeitgemäßes, emotionales Musiktheater erzählen, ohne dabei zum Broadway zu schielen. Dass das dem Wiener Publikum gefiel, konnte ich allenfalls hoffen. An einen Welterfolg dachte ich wirklich nicht.“

ICH WAR NOCH NIEMALS IN NEW YORK

Weitere Erfolgs-Produktionen aus Kunzes Kreativ-Werkstatt:  „Mozart! – das Musical“ (1996), „Tanz der Vampire“ (1997),  „Rebecca“ (2006), „Marie-Antoinette“ (2006) und „Moses“ (2013). Im Oktober 2015 soll die Uraufführung des Pop-Oratoriums „Luther“ folgen. „Ich war noch niemals in New York“, jenes Musical, zu dem Michael Kunze Titel und Titelsong lieferte, stammt allerdings nicht aus dessen Feder. Es ist eine Kompilation von 23 Udo-Jürgens-Liedern, die der österreichische Dramatiker Gabriel Barilly nach einer Idee von der Bestellser-Autorin Hera Lind in eine flotte, familientaugliche Story à la Traumschiff packte.

56 Goldene Schallplatten, 23 Platin-Schallplatten, ein Grammy, der Echo für das Lebenswerk,  die Goldene Feder des Deutschen Textdichter-Verbandes  und der Deutsche Musikautorenpreis – die Liste von Kunzes Auszeichnungen ist lang. „Michael Kunze ist ein echtes Universaltalent, der ein wahrhaft umfassendes Gesamtwerk vorweisen kann. Musical, Oper, Schlager, Theater, Literatur, Film und Fernsehen – überall fühlt sich Michael Kunze gleich wohl“, so die Würdigung der Jury des Musikautorenpreises 2010. „Da er der meistgenannte Autor bei „Die besten Jahrhundert-Hits“des ZDF ist, kann man davon ausgehen, dass fast jeder sofort ein paar Zeilen seiner Lieder auswendig aufsagen kann.“ Diese zum Beispiel: „Ich war noch niemals in New York, ich war noch niemals auf Hawaii…“ Welche Zeile kriegen Sie nicht mehr aus dem Ohr?

 

Fred Jay im Porträt

von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

„Dankeschön, es war bezaubernd. Dankeschön, wenn wir auch auseinander gehn, gibts doch ein Wiedersehn…“ Wer kennt nicht diesen einschmeichelnden Ohrwurm, den Peter Alexander bis in die 1990er Jahre als Schlusslied seiner großen Samstagsabend-Shows sang? Diese Zeilen schrieb 1935 ein 21-jähriger Jura-Student jüdischer Abstammung, der davon träumte, Schlagertexter zu werden, in einem Wiener Kaffeehaus in sein schwarzes Notizbuch. Zwei Jahre später wurde das Lied von Harry’s Tanzorchester unter der Leitung von Heinz Sandauer und der Sängerin Gloria Astor auf Platte aufgenommen, und ganz Wien sang begeistert mit. Der Verfasser des Liedes war Friedrich Alex Jacobson, der sich Jahre später als Fred Jay einen internationalen Namen als Textdichter machte.

Fred JayWHAT I AM LIVING FOR?

Fred Jay wurde als Friedrich Alex Jacobson am 24. Juli 1914 in Linz geboren und absolvierte in Wien ein Jura-Studium. Auf Grund seiner jüdischen Herkunft musste er 1938 nach Paris flüchten und kam nach einem längeren Aufenthalt in einem französischen Lager dank eines lebensrettenden Visums in die USA. In New York fand er nicht nur eine spätere Ehefrau Mary, sondern auch einen Job bei dem Radiosender The Voice Of America. Schnell erlernte er die anglo-amerikanische Ausdrucksweise und schrieb unter dem neuen Namen Fred Jay nun auf Englisch Songtexte. Dem Song „What Am I living for?“ verhalf Ray Charles, der damals noch am Beginn seiner Karriere stand, zum Erfolg. „The Wedding“, gesungen von Julie Rogers, wurde  mehr als 7 Millionen Mal verkauft und wurde auch in der deutschen Version Wenn die Glocken hell erklingen“, gesungen von Lys Assia, ein Hit.

ICH WEISS, WAS ICH WILL

Seine Frau Mary war die treibende Kraft, dass er 1963 mit seiner Familie nach Europa zurückkehrte. Fred Jay arbeitete bei „The Voice of America“ in München und wurde in weiterer Folge Programmdirektor des Senders Rias in Berlin, der Heimatstadt seiner Eltern. Dem Schreiben von Songtexten galt noch immer seine große Leidenschaft. Bei Peter Meisel, Verleger, Produzent und Talent-Scout (er ent-  deckte u.a. Manuela, Marianne Rosenberg, Drafi Deutscher, Juliane Werding, Bernd Clüver und später Die Prinzen) fand er ein offenes Ohr. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten.  „Diese Welt“, ein Lied, das er für Katja Ebstein schrieb, landete 1971 auf dem 3. Platz beim Eurovision Contest. Das war der Beginn einer beispiellosen Karriere. Der Spätzünder wurde Haus- und Hofschreiber für  Howard Carpendale. 87 Titel, darunter „Du fängst den Wind niemals ein“, Deine Spuren im Sand“ und die deutsche Übersetzung von „Ti amo“ gehen auf Jays Konto. Für Christian Anders verfasste er 52 Lieder, darunter „Es fährt ein Zug nach Nirgendwo und „Geh nicht vorbei“, für Jürgen Marcus 27, darunter „Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben“ und „Ein Festival der Liebe“. Von der englischen Übersetzung „When a child was born“, gesungen von Johnny Mathis, wurden am ersten Tag der Veröffentlichung unglaubliche 221.000 Platten verkauft, was im Guiness-Buch der Rekorde verewigt wurde. Boney M. nahmen das Lied in ihr Christmas-Album auf. Für die Retortengruppe von Frank Farian lieferte Jay 36 Titel auf Englisch. „Ra-Ra-Rasputin“ verkaufte sich zwischen Rio de Janeiro und Moskau 7,5 Millionen Mal. Das Lied, das er  gemeinsam mit Udo Jürgens schrieb, war auch sein Lebensmotto: „Ich weiß, was ich will!“ Im Alter von fast siebzig Jahren war für Dr. Friedrich Alex Jacobson alias Fred Jay der Traum, den er schon als Wiener Student geträumt hatte, in Erfüllung gegangen.

DANKE SCHÖN, ES WAR BEZAUBERND

Fred Jay wurde als hochgebildeter, belesener Intellektueller, voll altösterreichischem Charme beschrieben. Und er war mit einer für seine Branche untypischen Eigenschaft ausgestattet, der Bescheidenheit. Obwohl er der erfolgreichste deutschsprachige Textdichter seiner Zeit war, trat er nie ins Rampenlicht. Es holte sich nicht einmal seine Goldenen Schallplatten ab. 1985, zwei Jahre nachdem sein letztes Lied veröffentlicht worden war und er sich aus dem Schlagerbusiness zurückgezogen hatte, kehrte er mit seiner Familie nach Amerika zurück. In Conneticut, wo sein Sohn Michael als Kardiologe arbeitete, fand er seinen Altersitz. Drei Jahre später, am 27. März 1988, starb er im 74. Lebensjahr. So unspektakulär wie er gelebt hatte, war auch sein letzter Abschied: eine kleine Friedhofskapelle, an die zwanzig Trauergäste, ein schlichter Holzsarg. Es gab keine Reden. Aber es erklang Musik: Danke schön, es war bezaubernd.

FRED-JAY-PREIS

Fred Jay lebt nicht nur in seinen Liedern weiter. Seine Witwe Mary Jay-Jacobson stiftete in Erinnerung an den großen Textdichter 1989 den Fred-Jay-Preis, der mit 15.000 Euro dotiert ist. Er steht unter der Schirmherrschaft der GEMA-Stiftung und wird alljährlich an einen Künstler verliehen,  der sich um die Schaffung und Förderung deutscher Texte verdient macht. Die Wahl des Fred-Jay-Preisträgers, der durchaus auch weiblich sein darf, trifft, auf Wunsch von Mary Jay-Jacobson, die 2002 verstarb, die Jury des Deutschen Musikautorenpreises. 2014 konnte sich Dota Kehr über die Auszeichnung freuen, die bei der Preisverleihung den Liedermacher  Christoph Stählin zitierte: „Mit Kunst nicht zielen! Wenn man getroffen hat, wird man es schon merken.“

Bruno Balz im Porträt

von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

„Kann denn liebe Sünde sein? Darf es niemand wissen, wenn man sich küsst, wenn man einmal alles vergisst vor Glück? … Liebe kann nicht Sünde sein. Und wenn sie’s wär, wär’s mir egal. Lieber will ich sündigen mal als ohne Liebe sein.“ Wer hat nicht schon bei den ersten fünf Worten die sinnliche  Alt-Stimme von Zarah Leander im Ohr? Das Lied stammt aus dem Ufa-Film „Der Blaufuchs“, der 1938 in Düsseldorf zum ersten Mal über die Leinwand flimmerte, und ist bis  heute  unvergessen. Den Textdichter, der Zarah Leander den Text auf den Leib schrieb und sie zum Star des UFA-Films machte, kennen hingegen nur wenige. Es war Bruno Balz, dessen dramatische Lebensgeschichte das Lied in einem anderen Licht erscheinen lässt.

Bruno Balz

TEXTDICHTER, EINE NEUE BERUFSBEZEICHNUNG

Bruno Balz, am 2. Oktober 1902 in Berlin-Prenzlauer Berg geboren, schrieb schon als kaufmännischer Lehrling Gedichte, mit denen er an Zeitungswettbewerben teilnahm. Bereits damals wusste er, was er werden wollte: Textdichter. Das war eine Berufsbezeichnung, die es bis dato noch gar nicht gab. Balz, so sagt man, habe den Begriff erfunden. Im Laufe seines Lebens verfasste er mehr als 1000 Liedtexte und prägte wie kein anderer die deutsche Musik- und Schlagerkultur. Für rund 170 Filme lieferte der Berliner die passenden Schlager, darunter auch für den allerersten deutschen Tonfilm „Dich hab’ ich geliebt“. In dem polnischen Komponisten Michael Jary (eigentlich: Maximilian Jarcyik) fand er einen kongenialen Partner. Gemeinsam mit Zarah Leander waren sie ein unschlagbares Team, das in der Szene als „Trio infernal“ bekannt war. Balz schrieb aber nicht nur für Zarah Leander, sondern alle Größen der Zeit: für Leo Slezak „Auf der Heide blüh’n die letzten Rosen“ (1935) – in den Augen von  Herbert von Karajan das schönste Volkslied des 20. Jahrhunderts, für Heinz Rühmann „Ich brech die Herzen der stolzesten Frau’n“ (1938) und „Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern“ (1939), für Rosita Serrano „Roter Mohn (1938), für Johannes Heesters, Willi Forst, Ilse Werner und Marika Rökk.

ICH WEISS, ES WIRD NOCH MAL EIN WUNDER GESCHEH’N

Wegen seiner Homosexualität, die damals nach § 175 des Strafgesetzbuches unter Strafe stand (der sogenannte Schwulen-Paragraf wurde erst 1994 in Deutschland abgeschafft), kam Balz während des Nazi-Regimes auf die Rosa Liste Berlin. Er musste acht Monate in das Gefängnis Plötzensee und wurde, weil ein homosexueller Textdichter nicht in das geltende Weltbild passte, nach seiner Entlassung mit einer blonden Bäuerin aus Pommern namens Selma zwangsverheiratet. Balz durfte nur mehr anonym arbeiten. Sein Name wurde gänzlich ausradiert und verschwand von allen Filmabspannen. Aber seine Texte sollten das deutsche Volk trotzdem bei Laune halten. 1941 wurde er erneut in Gestapo-Haft genommen und schwer gefoltert. Zarah Leander und Michael Jary intervenierten, und Balz musste innerhalb von 24 Stunden für den Film „Die große Liebe“ zwei Lieder für Zarah Leander schreiben, die nachträglich in den schon fertiggestellten Film „Die große Liebe“ eingebaut wurden. Balz fielen, wie durch ein Wunder, die Texte für „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh’n“ und „Davon geht die Welt nicht unter“ ein. Das rettete ihn vermutlich vor dem Transport ins Konzentrationslager. Mit 27 Millionen Zuschauern wurde „Die große Liebe“ nicht nur der wichtigste Propagandastreifen der NS-Zeit, sondern der erfolgreichste deutschsprachige Film aller Zeiten.

Bitterböse Ironie des Schicksals: Nach Kriegsende wurde der Textdichter von den Allierten wegen dieser als Durchhaltelieder deklarierten Lieder angeklagt. Er geriet unter Beweisnot und musste sich gegen seinen Willen als Homosexueller, der zur Zwangsehe verpflichtet wurde, outen. Bruno Balz wurde freigesprochen und konnte seine Karriere fortsetzen. Seine ungeliebte Frau Selma hielt aus Statusgründen an der Ehe fest, auch als er 1960 den Maler Jürgen Draeger kennen lernte, mit dem ihn von da an eine lebenslange Beziehung verband.

WIR WOLLEN NIEMALS AUSEINANDERGEH’N

Auch Weihnachten ging nicht spurlos an Bruno Balz vorbei. 1958 bat ihn der amerikanische Komponist Irving Berlin „White Christmas“ ins Deutsche zu übertragen. In der Interpreation von Bing Crosby wurde dieses Lied zur meistverkauften Single aller Zeiten. Bruno Balz machte aus „I’m dreaming of a white Christmas“ Bruno Balz kurzerhand „Süß klingt der Engel Chor: Weihnacht“. Zwei Jahre später entstand „Wir wollen niemals auseinandergehn“. Balz hatte den Text für Zarah Leander geschrieben, die 1942 in ihre schwedische Heimat zurückgekehrt war und jetzt in Deutschland ein Comeback feiern wollte, die Melodie komponierte Michael Jary. Er war es auch, der durchsetzte, dass die 17-jährige Heidi Brühl das Lied interpretierte und nicht Zarah Leander. Obwohl es der größte Hit wurde, den Balz und Jary mitsammen schufen, ging die fast 30-jährige Freundschaft der beiden in die Brüche. Von wegen: „Wir wollen niemals auseinander gehen!“ Balz zog sich ins Privatleben zurück. Dieser Erfolg, so dachte er, wäre nicht mehr zu toppen. Wie man sich doch täuschen kann! 1967 suchte der Sänger und Manager Wolfgang Roloff, besser bekannt unter dem Namen Ronny, ein Lied für einen kleinen holländischen Jungen namens Heintje. In Balz’ Schreibtischlade lag seit Jahren ein auf  einem Tonträger bis dato unveröffentlichtes Lied, das der Startenor Beniamino Gigli ohne großen Erfolg 1941 in einem italienischen Film gesungen hatte. Balz überließ Rolloff den Text. Der Rest ist Geschichte. Wenn Heintje „Mama“ schmetterte, flossen nicht nur die Tränen von Millionen Frauen, sondern auch die Tantiemen. So viel, dass Balz mit dem Geld ein SOS-Kinderdorf errichten ließ.

BRUNO-BALZ-ARCHIV IN BERLIN

Bruno Balz starb am 14. März 1988 im 85. Lebensjahr und wurde auf dem Friedhof in Berlin-Wilmersdorf begraben, wo auch Robert Biberti, Sänger der Comedian Harmonists, und der Komponist Theo Mackeben ihre letzte Ruhe fanden. In einem Nachruf schrieb die FAZ: „“Bruno Balz hatte einen Hauptanschluß an die unterschwelligen seelischen Bedürfnisse seiner Zeitgenossen: er beherrschte die Kunst, in einer Liedzeile das, was jeden bewegte, wie in einer Schlagzeile zusammenzufassen. Witz, Charme, Gefühl, Sentimentalität, alles stand ihm zu Gebote, das Geflüster so unfehlbar wie das Pathos. Auf seine Weise war er – nehmt alles nur in allem – ein Genie.““ Balz legte testamentarisch fest, das bis zehn Jahre nach seinem Tode keine privaten Details aus seinem Leben veröffentlicht werden durften. „Niemand kennt mich. Zehn Jahre nach meinem Tod werden auch meine Lieder vergessen sein““, meinte er. Doch er sollte nicht Recht behalten. Universalerbe und Nachlassverwalter wurde sein Lebensgefährte Jürgen Draeger, der nun bemüht ist, Balz seine Geschichte wiederzugeben. Er tut dies mit viel Liebe und Akribie. Anlässlich des 100. Geburtstags erschien eine Doppel-CD unter dem Titel „Der Wind hat mir ein Lied erzählt“, die 36 Original-Titel von Bruno Balz enthält – ein Best of aus mehr dreißig Jahren. Das Booklet illustrierte Jürgen Draeger. Auf einer umfassenden Homepage kann man in das Werk von Bruno Balz eintauchen. Seit 2011 befindet in der Oranienburger Straße 21 in Berlin, direkt am Monbijou-Park das Bruno-Balz-Archiv, das nach Voranmeldung öffentlich zugänglich ist. Darin befindet sich  historisches Mobilar aus den 1930er Jahren, darunter der Barschrank, den Zarah Leander Bruno Balz geschenkt hat.

Das Porträt, das Bruno Balz als 33jährigen zeigt und von dem Fotografen Walter Jaeger stammt, wurde uns vom Bruno-Balz-Archiv dankenswerterweise zur Verfügung gestellt.

Hans Bradtke im Porträt

Von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

 

Wenn man auf Google „Pack die Badehose ein“ eintippt, spuckt die Suchmaschine in 0,31 Sekunden unglaubliche 625.000 Ergebnisse aus. Auch heute, mehr als sechzig Jahre nach der Veröffentlichung des Liedes, ist diese Textzeile in unseren Köpfen, und Werbeleute bedienen sich noch immer gern und ungeniert der vier Zeilen, um Ferienregionen, Hotels, Bademode und Freiluft-Events  anzupreisen. Wer aber den unvergesslichen Sommerhit mit Volksliedcharakter geschrieben hat, das weiß kaum jemand. Es war der Berliner Textdichter Hans Bradtke.

„UND DANN NÜSCHT WIE RAUS NACH WANNSEE!“

Der Geistesblitz ereilte Hans Bradtke bei der morgendlichen Rasur. Noch mit Seifenschaum im Gesicht schrieb er die ersten Zeilen nieder. Eine Viertelstunde dauerte es, bis die Lobeshymne auf das beliebte Strandbad Wannsee fertig war. Der Komponist Gerhard Froboess  ließ sich dann eine pfiffige Melodie dazu einfallen. Eigentlich war das Lied für die Schöneberger Sängerknaben gedacht. Weil es aber den Verantwortlichen nicht so recht gefiel, sprang Cornelia, die siebenjährige Tochter des  Komponisten, ein. Sie soll zu ihrem Vater gesagt haben: „Dicker, lass mich det mal singen!“ Und das tat die kleine Cornelia dann auch wirklich, und zwar 1950 bei der öffentlichen RIAS-Berlin-Sendung von Hans Rosenthals „Mach mit“ im Titanis-Palast. Cornelia Froboess wurde zum Inbegriff der kessen Berliner Göre und zum ersten Kinderstar Deutschlands. „Pack die Badehose ein“ schlug ein wie eine Wasserbombe. Flugs entstand eine internationale Version (ohne Berliner Schnauze), eine holländische für ein Mädchen namens Helentche und eine österreichische für Leila Negra. In der Sowjetzone Deutschlands hingegen wurde das Lied im Oktober 1951 vom Volksbildungsministerium verboten mit der Begründung, die Lieder wären geeignet, von der Erfüllung des Fünfjahresplanes abzulenken.

VOM KARIKATURISTEN ZUM TEXTDICHTER

„Pack die Badehose an…“ war für Hans Bradtke der Beginn einer großen, wenn auch ungeplanten Textdichter-Karriere. Geboren am 21. Juli 1920 in Berlin, wollte er nach dem Abitur Kunst studieren, entschied sich aber dann – als Zugeständnis an die Eltern – für die Architektur. Nach dem Krieg arbeitete Bradtke als Pressezeichner und Karikaturist, u. a. für die Zeitschrift „Hör zu“ und illustrierte die Umschläge der Notenblätter des Musikverlags „Melodie“ von Froboess & Budde in Berlin-Grunewald. Als er sich die Texte unter den Noten einmal genauer besah, entrüstete sich der Künstler: „Mit solchem Zeug kann man Geld verdienen?“ Von da an machte Bradtke selbst solches Zeug, schriebDER SPIEGELim  August 1952 in einem Artikel, der Cornelia Froboess gewidmet war. Die Berliner Göre hatte es dank der „Badehose“ auf das Titelblatt geschafft.

Bradtkes Texte spiegelten auf amüsante Weise den Zeitgeist wieder quer durch die Jahrzehnte. Schnell avancierte der Berliner zum Hitschreiber für Vico Torriani („Sieben Mal in der Woche möchte ich ausgehen“, 1957 und „Kalkutta liegt am Ganges“,1960), Bill Ramsey („Pigalle“, 1961 und „Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett“, 1962), Chris Howland („Hämmerchen-Polka“, 1961), Cornelia Froboess und Peter Kraus („Lady Sunshine und Mister Moon“, 1961),Nana Mouskouri („Weiße Rosen aus Athen“, 1962), Gerd Böttcher („Für Gabi tu ich alles“, 1962), Cliff Richard („Rote Lippen soll man küssen“, 1963) und Wenke Myhre („Er steht im Tor“, 1969, und „Ein knallrotes Gummiboot“, 1970). Ein Riesenwurf gelang ihm mit „Sommerwind“, en Lied, das von Grethe Ingmann gesungen wurde. 1965 übertrug Johnny Mercer ein bekannter Songwriter der USA –  aus seiner Feder stammt „Moon River“, der Titelsong aus  dem  Film „Frühstück bei Tiffany’s“ – den Text ins Englische. Frank Sinatra machte die Cover-Version „Summerwind“ zum Welterfolg. 1963 übersetzte Bradtke den Bob-DylanSong „Blowin‘ in the Wind“ für Marlene Dietrich ins Deutsche. Aus dem Chanson von Gilbert Becaud „Et maintenant“ machte er 1961 „Was wird aus mir“,  für Joe Dassin schuf er 1969 die deutsche Fassung von „Champs Elyssées“ und für Johanna von Koczian 1977  „Das bisschen Haushalt…sagt mein Mann“.

DIE KENNT JEDER! LAUTER HITS AUS EINER FEDER

An die 2800 Lieder hat Hans Bradtke geschrieben, darunter eine Vielzahl an unvergesslichen Ohrwürmern. 1985 brachte er unter dem Titel „Die kennt jeder! Lauter Hits aus einer Feder“ eine Doppel-LP mit den größten Hits heraus. „Mein Vater war ein unheimlich kreativer Mensch“, erinnert sich Tochter Barbara Berrien (Celler Schule 2011), die ein gutes Stück vom Talent ihres Vaters vererbt bekam. „Er konnte gar nicht anders als sich ständig etwas auszudenken und das dann auch umzusetzen. Wenn er nicht textete, malte er, zeichnete oder bastelte er irgendwas. Er war äußerst gutherzig, gesellig, großzügig und ungemein humorvoll – ein richtiger Familienmensch mit einem großen, vielfältigen Freundeskreis, vom Regierungssprecher bis zum Sylter Krabbenfischer war da alles dabei.“ Trotz seiner Liebe zu Sylt blieb Bradtke ein überzeugter Berliner: „Wer mal am Kurfürstendamm seinen Kaffee trank, den zieht es immer wieder hin“, schrieb er 1960 für die Drei Travellers. Das traf auch auf ihn zu. Seine Lieblingscafés waren das legendäre Cafe Möhring und das Cafe Kranzler am Tauentzien.

Hans Bradtke starb am 12. Mai 1997 in seinem Haus in Berlin-Dahlem. Mitten aus dem Leben, so wie er es sich gewünscht hatte. Seine Tochter erinnert sich: „Mein Vater starb einfach so, saß nett gestylt und ausgehbereit auf dem Bettrand, wollte sich ein Taxi bestellen und wurde vom lieben Gott abgeholt.“ Auf dem Waldfriedhof Dahlem am Hüttenweg in Berlin fand er seine letzte Ruhe. Dort, wo auch der  Dichter Gottfried Benn, Blandine Ebinger, Chansonsängerin  und Ex-Frau des Komponisten Friedrich Holländer, der Sänger Bully Buhlan und der Entertainer Harald Juhnke begraben sind.

EHRENLEUCHTTURMWÄRTER

Das zeichnerische Talent hat Hans Bradtke nie ganz vernachlässigt. Seine heiter-poetischen Bilder wurden in Ausstellungen in Berlin, Lugano,  Zürich, Keitum/Sylt, Nizza und Paris gezeigt. Von ihm stammt auch der Pegasus, das  GEMA-Logo, und das Design für die Goldene Feder, die Auszeichnung des Deutschen Textdichterverbandes. Dem langjährigen Mitglied des Aufsichtsrates der GEMA und Ehrenmitglied des Deutschen Textdichterverbandes wurde 1970 das Bundesverdienstkreuz  der Bundesrepublik Deutschland verliehen. „Zu recht, denn seine Schlagerlyrik ist ein Kapitel deutscher Kulturgeschichte – kein großes, aber ein schönes“, schrieb Rüdiger Falksohn 1998 in „Deutsche Jahre“, einer Spezialausgabe des SPIEGEL. Fast noch stolzer war Bradtke über  die Ernennung zum Ehrenleuchtturmwärter, die ihm für die Bemühungen um den Erhalt des Leuchtturms Roter Sand zuteil wurde. Sylt war nicht nur für ihn,  sondern auch für seine Frau Renate und die Kinder Peter und Barbara, zur zweiten Heimat geworden.

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Kurt Feltz im Porträt

Von Claudia Karner (Celler 2006)

Kleine Vorbemerkung: Wir wissen es längst –  Das Leben ist nicht fair und die Textdichterei ein unbedankter Beruf. Während sich der Interpret  im Scheinwerferlicht sonnen darf und mit Lorbeeren überhäuft wird, findet der Schöpfer des Liedtextes oft nur in Kleinschrift auf dem Plattencover Erwähnung. Damit ist nun Schluss. In meiner neuen Reihe „Wer schrieb eigentlich…?“ werde ich Textdichter und Textdichterinnen auf das Podest heben, die im vergangenen Jahrhundert  Lieder schufen, deren Titel und Hooklines als geflügelte Worte Eingang in den allgemeinen Sprachschatz fanden. Beginnen wir mit  Der Theodor im Fußballtor.

DER THEODOR, DER THEODOR…

 der steht bei uns im Fußballtor. Wie der Ball auch kommt, wie der Schuss auch fällt, der Theodor, der hält. Ja, unser Theodor, der Held, der hält.“ Diese Zeilen sind auch heute noch – im Zeitalter eines Manuel Neuer – im kollektiven Gedächtnis der deutschsprachigen Fußballfans gespeichert. 1948 wurde die Torwart-Hymne geschrieben, und zwar von Kurt Feltz, dem späteren Schallplattenproduzenten, Verleger und Textdichter in Personalunion, „dem ultimativen Schlagerfürsten Kölns“, wie ihn der Journalist Joe Scevardo bezeichnete. Komponiert wurde das Lied von Werner Bochmann. Der Theodor“ wurde ursprünglich von Margot Hielscher mit  eher geringem Erfolg besungen. Zum Kassenschlager wurde das Lied erst, als es der Wiener Burgschauspieler Theo Lingen in dem gleichnamigen Film interpretierte und als rasender Reporter das Match zwischen Schienbein 04 und  den Meniskuskickers kommentierte.

Kurt Feltz, geboren 1910 in Krefeld geboren, startete bereits in jungen Jahren  mit seinem Schulfreund Ralph Maria Siegel, dem Vater von Ralph Siegel, seine musikalische Karriere. Gemeinsam schrieben sie das Libretto zu der Jazz-Operette „Der Mann im Frack“. Nach dem Abitur zog Feltz nach Köln und arbeitete beim dortigen Rundfunk. Aus dieser Zeit stammt das Karnevalslied „Wer soll das bezahlen?“ (Musik: Jupp Schmitz), ein Lied, das bis heute nichts an Aktualität verloren hat. 1938 schrieb Feltz das Libretto  für  Fred Raymonds Operette „Saison in Salzburg“ , und so erfuhr alle Welt, dass die Salzburger Nockerln süß wie Liebe und zart  wie ein Kuss sind, worüber sich die Tourismusmanager heute noch freuen. Nach dem Krieg arbeitete Feltz wieder beim Rundfunk und inszenierte 60 Operetten.

KURT FELTZ ALIAS ANDRÉ HOFF

Ende der 1950er Jahre avancierte Kurt Feltz zum Haus- und Hofdichter der Plattenfirma Polydor, wo eine gedeihliche Zusammenarbeit mit den Komponisten Werner Scharfenberger, Charly Niessen, Erwin Halletz und Heinz Gietz entstand. Seine Doppelrolle als Textdichter (Feltz nahm für sein Pseudonym André Hoff beim Mädchennamen seiner Frau Cornelia als Anleihe) und leitender Rundfunkangestellter beim NWDR brachte ihm harsche Kritik bei den Konkurrenten und eine Titelgeschichte beim Spiegel ein. Es wurde ihm  vorgeworfen, er würde seine Position beim Radio ausnützen und vermehrt seine Kompositionen spielen lassen beziehungsweise Hits aus eigener Feder (unter verschiedenen Pseudonymen) produzieren, um entsprechend mehr Tantiemen zu kassieren. Als Konsequenz wurde beim NWDR eine Quote für Feltz-Schlager eingeführt.

Vierzig Jahre lang war Kurt Feltz einer der erfolgreichsten Schlagertexter und Produzenten in Deutschland und schrieb für Stars wie Caterina Valente, Peter Alexander, Bill Ramsey und Gus Backus. Über 3500 Lieder stammen aus seiner Feder, darunter: „Man müsste noch mal zwanzig sein“ (1953 für Willy Schneider), „Die süßesten Früchte (1953 für Peter Alexander), Ganz Paris träumt von der Liebe (1956 für Caterina Valente), „Musik liegt in der Luft (1957 für Caterina Valente), Kriminaltango (1959 für das Hazy Osterwald Sextett), „Souvenirs“ (1959 für Bill Ramsey), „Heißer Sand“ (1961 für Mina), „Vom Stadtpark die Laternen (1963 für Gitte Haenning und Rex Gildo), „Barcarole in der Nacht“ (1963 für Connie Francis), „Delilah“ und „Der letzte Walzer“ (1968 für Peter Alexander), Rote Rosen (1973 für Freddy Breck) und
„Immer wieder sonntags“ (1973 für Cindy und Bert“.Feltz schrieb auch Drehbücher für Musikfilme mit Peter Alexander, Peter Kraus, Caterina Valente und Hazy Osterwald. Die Erkennungsmelodie für die Fernsehserie „Musik ist Trumpf“ mit Peter Frankenfeld stammte ebenfalls von ihm, und zwar aus dem gleichnamigen Film mit Hazy Osterwald.  Er war auch im Aufsichtsrat der GEMA tätig und engagierte sich in der Versorgungsstiftung der deutschen Textdichter.

ES GEHT ALLES VORÜBER

Seine letzten Lebensjahre verbrachte der Schlagermillionär in Morcote im Tessin –  als Nachbar von Peter Alexander und Catarina Valente. Den Erfolg seines letzten Nummer-Eins-Hits „Adios amor“, gesungen von Andy Borg, der sich 2,5 Millionen Mal verkaufte, konnte er nicht mehr miterleben. Kurt Feltz starb am 2. August 1982 während eines Urlaubs auf Mallorca an einem Herzversagen. Genau an diesem Tag stellte Andy Borg „Adios Amor“ in der ZDF-Hitparade vor. Auf Feltz’s’ Grabstein auf dem Friedhof von Morcote sind die Textzeilen verewigt, die Lale Andersen unsterblich gemacht hatte:  „Es geht alles vorüber, es geht alles vorbei. Auf jeden Dezember folgt wieder ein Mai“.