Daumen drücken für die Celler Schule beim
Deutschen Chansonpreis…..!

cropped-logo_chansonfest3_2014_web-copy

Um das deutschsprachige Chanson zu fördern, verleihen Das Schiff und die Produktionsfirma Theaterplatz zusammen mit der BGFG zum bereits dritten Mal den Deutschen Chanson-Preis“ und den „Deutschen Chansonpreis Nachwuchspreis“ Am Dienstag, 19. Mai findet zunächst der Nachwuchswettbewerb „Deutscher Chansonpreis“ statt – und zwar auf dem Theaterschiff in Hamburg. Um 19.30 Uhr treten die Finalisten und Finalistinnen an, um Jury und Publikum zu überzeugen: Nisse Barfuss, Peter Fischer, Matthias Lüke, Lukas Meister, außerdem Masha Potempa, Lennart Schilgen und Christin Henkel – alle drei Absolventen der Celler Schule.

Am Mittwoch, 20. Mai um 19.30 Uhr folgt dann die Gala zum Wettbewerb: den ersten Teil des Programms bestreitet der Gewinner (oder die Gewinnerin) des Nachwuchswettbewerbs, der zweite Teil gehört Tim Fischer, dem der Deutsche Chansonpreis verleihen wird. Sein Begleiter und Komponist vieler Chansons ist Rainer Bielfeldt. Und der eine oder andere Text von Edith Jeske wird wohl auch dabei sein….

Der Fred-Jay-Preis 2015 für Marcel Brell:
ein Highlight für die Celler Schule

Diesmal war es sogar eine dreifache Preisverleihung, denn neben dem Fred-Jay-Preis wurde erstmalig der Radiokulturpreis vergeben. Er ging an zwei Radiosender: BR-Klassik und Radio Fritz. Die Laudatio hielt Dr. Ralf Weigand (Mitglied des Aufsichtsrats der GEMA). Er dankte den Vertretern beider Sender dafür, dass sie zuweilen auch Wege abseits des Mainstreams einschlagen, ließ aber auch durchblicken, dass nach oben noch einiges an Platz sei. Ein guter Start allemal für diesen Preis, der sowohl Sendern als auch der GEMA eine Stärkung der positiven Öffentlichkeitswirkung verspricht.

Und dann der – herbeigefieberte – Fred Jay-Preis. Beinahe ein Klassentreffen unserer Absolventen aus 19 Jahren. Viele reisten an, um mit Marcel Brell zu feiern und ihm zu gratulieren.

Jacobson Reitz BRell 2-002 05.05.2015 22-15-49Tobias Reitz stellte in seiner Laudatio die Biografien von Marcel Brell und Fred Jay einander gegenüber – mit verblüffenden Übereinstimmungen. Ganz nebenbei lernte man mehr über diesen Autor. Für Marcel hatte Tobias eine Sampler-CD mit lauter Liedern von Fred Jay aufgetrieben. 

 

AMichael Jay Jacobson red-002 12.05.2015 14-44-24uch Michael Jacobson, Sohn von Fred Jay, zeigte sich begeistert – sowohl vom Preisträger als auch vom Laudator.
Ausdrücklich hob er erneut den Grundgedanken des Fred-Jay-Preises hervor: „Die Auszeichnung soll einem Textdichter oder einer Textdichterin einen Schub geben, eine Hilfe zum Erfolg sein, eine Anerkennung am Anfang der Karriere, wo auch das Geld am meisten gebraucht wird“.

In diesem Sinne freuen wir uns auf Marcels nächstes Album, an dem die Arbeit jetzt beginnt.
Und wer die wunderbare Laudatio von Tobias Reitz in voller Länge lesen möchte, findet sie auf der Webseite des Deutschen Textdichterverbandes.

Thomas Woitkewitsch schreibt:
dass Marcell als Mensch und als Künstler ausgezeichnet ist, habe ich in Springe schon mehrfach erleben können.
Jetzt wurde er in Berlin mit dem Fred-Jay-Preis ausgezeichnet. Warum? Das hat unser Freund Tobi in seiner Laudatio mit wunderbaren Worten ausführlich begründet.
Ich behaupte nur: Das hat er verdient! Mehr als…
Mit freudigen Grüßen
Thomas

 

 

Camillo Felgen im Porträt

von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Schnee von vorvorgestern: Am 13. März 1965, also vor genau fünfzig Jahren, landeten die Beatles auf dem Flughafen in Salzburg. 5000 Fans standen auf dem Rollfeld (ja, das durfte man damals noch!), um The Fab Four willkommen zu heißen. Nach der Pressekonferenz ging es dann weiter in den Wintersportort Obertauern, wo die Dreharbeiten für die Agenten-Parodie „Help!“ stattfanden. Drei Songs auf der gleichnamigen LP kennen wahre Beatles-Fans heute noch auswendig: Help, Ticket to ride und Yesterday. „Hi-Hi-Hilfe!“ hieß die deutsche Fassung des Films. Apropos Deutsch: Haben Sie sich schon mal gefragt, wer eigentlich für Paul McCartney, John Lennon, George Harrison und Ringo Starr die deutsche Übersetzung von I want to hold your hand schrieb? Es war Camillo Felgen.

Camillo Felgen
Camillo Felgen

TAUSENDSASSA AUS LUXEMBURG

Camillo Felgen wurde als Camille Jean Nicolas Felgen am 17. November 1920 in in Tetingen in Luxemburg geboren. Nach Volksschule und Gymnasium besuchte er die Lehrerbildungsanstalt und war als Volksschullehrer und Dolmetscher tätig. Danach studierte Felgen Schauspiel, Gesang und Oper in Brüssel und Lüttich, schloss das Studium 1949 ab und widmete sich der leichten Muse. Seinen ersten internationalen Plattenerfolg hatte er bereits zwei Jahre später mit „Bonjour les amis“. Dieses Lied wurde später die Erkennungsmelodie für den französischen Sender von Radio Luxemburg. Als Camillo Felgen 1958 zum ersten deutschsprachigen Programmleiter von Radio Luxemburg, dem ersten Privatsender Europas und Vorläufer von RTL, berufen wurde, erfand  er das Radio neu. Mit seiner sonoren Stimme, seiner charmanten Art zu moderieren und seiner Improvisationskunst begeisterte er Millionen von deutschsprachigen Hörern und vor allem Hörerinnen. Felgen traf den Nerv der Zeit. Seine Hitparade wurde Kult. „Die großen Acht“, eine Sendung, in denen er Neuerscheinungen aus aller Welt vorstellte, galt als Erfolgsbarometer für die Plattenindustrie. Das sonntägliche Wunschkonzert ist für viele heute noch unvergessen. In den 1960er und 1970er Jahren stand Radio Luxemburg – zumindest akustisch – für ein vereintes Europa. Der Fernempfang über Kurz- und Mittelwelle machte die Diskussionen über offene Grenzen und Zusammengehörigkeit obsolet. Kaum zu glauben: Es gab sogar spezielle Kofferradios mit der „Radio Luxemburg-Taste“. Mit einem Klick zum richtigen Sound, hieß die Devise.

JEAN NICHOLAS ALS PSEUDONYM

Camillo Felgen erfand den Werbeslogan „Die fröhlichen Wellen von Radio Luxemburg“ und war maßgeblich an der Schaffung des „Goldenen Löwen von Radio Luxemburg“ beteiligt, einer Auszeichnung für nationale und internationale Künstler. Auch als Sänger war er erfolgreich. Der Bariton vertrat zwei Mal  Luxemburg beim Grand Prix Eurovision de La Chanson, dem Vorläufer des Eurovision Song Contests, und erreichte 1962 mit  dem französischen Lied Petit Bonhomme den dritten Platz. 1968 verließ Camillo Felgen den Radiosender, denn es lockte ein neues Medium, das Fernsehen. Wetten, dass Sie seinen Nachfolger kennen? Es war – Richtig! – Frank Elstner.  Felgen wechselte zum WDR  und moderierte er von 1965 bis 1973 125 Mal die legendäre Fernsehsendung „Spiel ohne Grenzen“. Dazwischen fand das Multitalent Zeit, für sich und andere Liedtexte zu schreiben. Für sein Pseudonym Jean Nicholas nahm er Anleihe bei seinem zweiten und dritten Vornamen. Er schrieb auch unter Lee Montague,was mitunter zur Verwirrung führte. 2000 Lieder sind es im Laufe seines Lebens geworden. Einer seiner größten Hits  war Sag warum?. Die Single verkaufte sich 800.000 mal. An diesen Erfolg kam nur der Titel Ich hab’ Ehrfurcht vor schneeweißen Haaren  heran, das im Original von Bobbejaan gesungen wurde.  Dieser unverwüstliche Evergreen aus dem Jahr 1961 treibt noch heute ungezählten Müttern und Großmüttern die Tränen in die Augen.

KOMM, GIB MIR DEINE HAND!

In den 1960er Jahren war  so es durchaus üblich, fremdsprachige, meist englische Lieder ins Deutsche zu übertragen. So schrieb Felgen für Connie Francis den Hit Schöner, fremder Mann (während die Originalversion Someone else’s boy in den USA floppte), für Peter Alexander Ich zähle täglich meine Sorgen (Original: Heartaches by the number), für Rolf Paulsen Bonanza und für die Beatles  Komm gib mir deine Hand (I want to hold your hand) und Sie liebt dich (She loves you). Der Produktionsleiter des deutschen Plattenvertriebs war der Überzeugung, dass die Beatles in Deutschland nur Erfolg hätten, wenn es auch eine deutschsprachige Fassung gäbe. Felgen flog nach Paris, wo er im Nobel-Hotel „Georges V“ John Lennon und Paul McCartney traf.  Ihm blieben nicht einmal 24 Stunden Zeit, um die Texte zu verfassen und mit den zwei Pilzköpfen die Songs phonetisch einzustudieren. Fast wäre das Unterfangen gescheitert, zu sehr plagten sich John und Paul mit der deutschen Aussprache. Am 29. Januar 1964 wurden im Pariser Tonstudio Pathé Marconi die neuen Texte aufgenommen und über die Original-Musikspuren gelegt. Nicht einmal eine Woche später, am 4. Februar 1964, erschienen die Aufnahmen als Komm, gib mir deine Hand/Sie liebt dich  liebt Dich (Odeon 22671) und erreichten einen fünften  beziehungsweise siebten Rang der deutschen Hitparade.. Letztendlich war die englischsprachige Originalfassung erfolgreicher. Sie war die acht Wochen auf Platz 1 und wurde  im April 1964 von „O my Darling, Caroline“ von Ronny verdrängt. Heute werden die beiden Songs als Kuriosum gewertet. Sie sind die einzigen Lieder, die die Beatles in Deutsch aufgenommen haben und obendrein die einzigen, die außerhalb von London  entstanden sind.

1987 zog sich Camillo Felgen offiziell aus der Medienwelt zurück. Sich auf seinen Lorbeeren ausruhen, wollte der Radiopionier auch im fortgeschrittenen Alter nicht. Er schrieb französische und deutsche Chansons,  spielte Theater und wirkte in Filmen mit, u. a. in  Andy Bauschs „Le Club des Chômeurs“.  2004 drehte der luxemburgische Filmemacher eine Dokumentation über seinen Landsmann unter dem Titel  „Monsieur Warum“  – als kleine Anspielung an dessen größten Erfolg „Sag warum“. Ein Jahr später, am 17. November 2005, verstummte die wunderbare Stimme von Camillo Felgen für immer.

Auch fast zehn Jahre nach seinem Tod scheint er unvergessen zu sein. So betreibt Meike Konrad aus Offenbach im Internet eine liebevoll gestaltete Fanseite, um das Andenken an jenen Mann zu bewahren, der den Beatles Sätze wie O du bist so schön, schön wie ein Diamant. Ich will mit dir gehen. Komm gib mir deine Hand in den Mund gelegt hat. Übrigens: Im Original ist der Text auch nicht besser!

 

 

MerkenMerken

MerkenMerken

Hans Fritz Beckmann im Porträt

Von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Es gibt Tage, da denkt man: „Welt, lass mich in Ruhe“, wie DIE ZEIT vor kurzem titelte. Tage, an denen man alles außen vor lassen möchte und sich nur eines wünscht: „Ich wollt’, ich wär ein Huhn! Ich hätt’ nicht viel zu tun. Ich legte jeden Tag ein Ei, und sonntags auch mal zwei…“ Diesen unausrottbaren Ohrwurm sang 1936 der UFA-Traumpaar Lilian Harvey und Willy Fritsch in dem Film  „Glückskinder“. 73 Jahre später fand er sich in derselben Interpretation in dem Oscar-preisgekrönten amerikanischen Streifen „Inglorious Basterds“  wieder. Geschrieben hat das Lied einer der erfolgreichsten Textdichter des jungen deutschen Tonfilms, Hans Fritz Beckmann, die Melodie stammt von Peter Kreuder.

VON BERLIN NACH BUENOS AIRES UND RETOUR

Hans Fritz Beckmann wurde am 6. Januar 1909 in Berlin-Schöneberg geboren. „Mein Vater war Offizier, meine Mutter nicht  – diese Veranlagung habe ich auch dann von meiner Mutter geerbt“, so beschrieb Beckmann augenzwinkernd seine Eltern. Auch mit dem zweiten Mann seiner Mutter, mit dem die Familie 1920 nach Argentinien auswanderte, hatte der Junge keine rechte Freude. Er hatte schon damals literarische Ambitionen, sollte aber nach dem Willen des Stiefvaters Buchhalter werden. Als er sich widersetzte, verfrachtete dieser den 19-jährigen kurzerhand mit einer nur halbbezahlten Schiffspassage auf einen Dampfer Richtung Deutschland. Das fehlende Geld musste sich Hans auf der Überfahrt als Schiffsjunge verdienen. 1928 nach Berlin zurückgekehrt schlug sich er als Gelegenheitsarbeiter und Eintänzer durch. Tangotanzen hatte er in Buenos Aires gelernt, und dieser Tanz war in Deutschland groß in Mode. In einem Tingel-Tangel-Varieté sah ihn der Kabarettist und Conferencier Erich „Elow“ Lowinksy und holte ihn 1932 als zweiten Mann in sein berühmt-berüchtigtes  „Kabarett der Namenlosen“. Das war ein ziemlich mieser Job, denn dort durften nur die Untalentiertesten auftreten, die dann gnadenlos verrissen und vom Publikum ausgebuht wurden. (Kommt Ihnen das irgendwie bekannt vor?) In dieser Zeit schrieb Beckmann seine ersten Chanson-Texte und landete 1934 in Trude Hesterbergs Kabarett „Musenschaukel“, wo er den Komponisten Theo Mackeben kennenlernte, der damals in der Schlagerwelt schon eine große Nummer war. Was für ein Glück, dass Mackeben dringend einen neuen Autor suchte. Sein bisheriger Autor Felix  Joachimson (später: Felix Jakobson) war jüdischer Abstammung und musste aus politischen Gründen Deutschland verlassen.

SO ODER SO IST DAS LEBEN

Hans Fritz Beckmann mit dem Komponisten Peter Kreuder (links)
Hans Fritz Beckmann mit dem Komponisten Peter Kreuder (links)
Quelle: privat, mit freundlicher Genehmigung

Mit  dem Lied So oder so ist das Leben aus dem Film „Liebe, Tod und Teufel“, gesungen von Brigitte Horney, gelang Beckmann schnell der Durchbruch. Die Platte, bei der Deutschen Grammophon aufgenommen, wurde zu einem Sensationserfolg. Über Nacht hatte sich Beckmann in der Branche einen Namen gemacht, und viele Komponisten rissen sich um seine Texte. Er schrieb nicht nur für Theo Mackeben, sondern auch für Peter Kreuder, Friedrich Schröder und Peter Igelhoff. Kein Star der 1930er und 1940er Jahre, der nicht einen Titel von Beckmann im Repertoire gehabt hätte. Viele der Lieder sind zu Evergreens geworden: Lilian Harvey und Willi Fritsch sangen in dem Film „Die sieben Ohrfeigen“  Ich tanze mit dir in den Himmel hineinJohannes Heesters in „Gasparone“ Ich werde jede Nacht von Ihnen träumen, Hans Albers  in „Wasser für Manitoga“ Goodbye Johnny, Lizzi Waldmüller in  „Bel Ami“ Du hast Glück bei den Frau’n, Bel Ami“ sowie  Willi Forst„Gnädige frau, wo war’n Sie gestern?, Marika Röck  in „Hallo Janine“ Musik, Musik, Musik (besser bekannt unter dem Titel Ich brauche keine Millionen), Zarah Leander in „Es war eine rauschende Ballnacht“ Nur nicht aus Liebe weinen, Johannes Heesters in „Immer nur du“ Man müsste Klavier spielen können, Evelyn Künneke in „Karneval der Liebe“ Haben Sie schon mal im Dunkeln geküsst? und Margot Hielscher in dem gleichnamigen Film Frauen sind keine Engel. Neben den Liedtexten, über 958 sind bei der GEMA registriert, schrieb Beckmann auch eine beachtliche Zahl von Filmdrehbüchern. Hier seien nur einige aufgezählt:  „Kleiner Mann – ganz groߓ (1938), „Hallo Janine“ (1939) und „Traummusik“ (1940).

LIEBER GOTT, LASS DIE SONNE WIEDER SCHEINEN

Nach Kriegsende wurde es stiller um den einstigen Hans-Dampf-in-allen-Gassen. Beckmann eröffnete in Berlin ein Kabarett, das aber schon nach kurzer Zeit wieder geschlossen wurde, und versuchte sich als Lyriker. Trotz heftigen Bemühens konnte er nicht mehr an seine alten Erfolge anschließen, obwohl er alles tat, um sich auf veränderten Publikumsgeschmack und das Zwei-Minuten-Dreißig-Diktat der Musikboxen einzustellen. Er schrieb weiterhin Filmmusiken, aber ohne echtes Hitpotential. In Erinnerung geblieben ist das Lied „Lass die Sonne wieder scheinen“ aus dem  gleichnamigen Film, für das Beckmann 1955 gemeinsam mit Franz Marischka das Drehbuch verfasste. Die kleine Cornelia sang das Titellied, zu dem Papa Gerhard Froboess die Musik geschrieben hatte: „Lieber Gott, lass die Sonne wieder scheinen für Mama, für Papa und für mich. Alle Leute, die großen und die kleinen, haben Sehnsucht nach Sonne wie ich…“

ABSCHIEDSBRIEF IM MÜNCHNER STAMMLOKAL

Für Beckmann hatte die Sonne nicht mehr dieselbe Strahlkraft wie in den Dreißiger- und Vierzigerjahren. Er arbeitete als Synchronautor für Hollywood-Filme, wurde 1958 Produzent bei der Plattenfirma Ariola und freute sich, als die Nostalgiewelle der Sechziger Jahre seine Evergreens wieder nach oben spülte. Das große Revival der Lieder der 1930er und 1940er Jahre, das von Max Raabe und seinem Palastorchester in den 1990er Jahren eingeläutet wurde, konnte er leider nicht mehr erleben.  Am 25. April 1975  – da war Hans Fritz Beckmann gerade mal 66 Jahre alt  – verlor er den Kampf gegen den Lungenkrebs. Seinen Freunden, darunter dem Komponisten Friedrich Hollaender, hatte er in seinem Stammlokal, dem legendären Max II, einen Abschiedsbrief hinterlassen. 

„Beckmanns Texte kann man auch in gedruckter Form als amüsante, manchmal satirisch-geschliffene, in jedem Fall aber als den Intellekt ansprechende Gebrauchslyrik begreifen“, schrieb Jens Uwe Völmeke  anlässlich des 100. Geburtstags in einem Artikel des Sikorski Magazins. „Damit ist Beckmann seinem persönlichen Wunschtraum, einmal ein bedeutender Literat zu werden, vielleicht näher gekommen als er es selbst jemals geglaubt hätte. Ein ‚Literat’ des deutschen Schlagers war er auf alle Fälle.“

 

Mark Scheibe am digitalen Lagerfeuer

von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Mark Scheibe
Mark Scheibe, der Hit-Experimentierer  Foto: Monic Johanna Wollschläger

Schreiben ist ein einsamer Job. Das wissen wir alle. Und dass die Inspiration nicht immer dann kommt, wenn man sie braucht, leider auch. Der Sänger, Pianist, Texter und Komponist Mark Scheibe (Celler Schule 2013), hatte im vergangenen Oktober eine geniale Idee. Der gebürtige Bremer, der seit 2001 in Berlin lebt, startete via Facebook ein Hit-Experiment und bat dort um eine inspirierende Wortspende. Viele FB-Freunde nahmen diese Idee begeistert auf und warfen Mark dreizehn Tage lang verbale Hölzchen zu, aus denen er innerhalb eines Tages ein komplettes Lied fabrizierte. Kaum zu glauben: Am nächsten Morgen stand im Internet bereits ein Video von dem fertigen Song, den Mark Scheibe zum Piano oder zum flugs produzierten Playback sang. Insgesamt dreizehn Lieder entstanden so in Rekordzeit. Die Ideenlieferanten sind im Abspann der Videos namentlich erwähnt.

„Es bildete sich eine bemerkenswerte Gemeinschaft. Je länger das Hit-Experiment ging, desto tiefgehender und berührender wurden die Beiträge, die über einzelne Begriffe weit hinausgingen“, erinnert sich Mark Scheibe. „Nach ein paar Tagen waren die Kommentare auf meiner Facebook-Seite ein Ozean der Poesie, dessen Flut mich überwältigte. Diese Kommentare waren für mich so befruchtend wie ein Abend mit guten Gesprächen mit Freunden am Lagerfeuer, daher die Assoziation „digitales Lagerfeuer“. Mir kam es vor, als würde jeder etwas von sich erzählen, und ich sitze da und schaue, was sich zu Musik machen lässt. Die Wege der Inspiration lassen sich beim Studium der Kommentare zurückverfolgen. Oft ergab sich ein kollektives Thema, dass ich je nach meiner Tagesform übernahm, variierte, abstrahierte oder als Rampe zu einem ganz anderen Thema nahm. Ich habe mich natürlich immer gefreut, wenn ich möglichst viel zurückgeben konnte, manchmal hatten die Lieder aber auch gar keinen direkten Bezug zu den Kommentaren.“

Mark Scheibe überarbeitete Texte und Musik noch einmal gründlich. Im Januar ging er ins Studio, um eine CD aufzunehmen. Darauf befinden sich fünf  Songs aus dem Hit-Experiment:  „Der Mögen danach“, „Illusion“, „Weck die Diva in mir „, „Mittwochs gehörst du mir“ und „Durchs Feuer gehen“ (mit dem neuen Titel : „Cherie“) Am 24. Januar präsentierte er seine brandneuen Songs in einem Konzert im legendären Bremer Sendesaal.  „Musik ist Liebe“ – so lautet sein Credo. Wer sein wunderbares Hit-Experiment im Herbst verpasst hat, kann sich schon auf den Februar freuen: Vom 9. bis zum 13. Februar versammelt der Schnellschreiber noch einmal seine Facebook-Freunde um das digitale Lagerfeuer. „Ich liebe dieses Gefühl, beim Schreiben nicht ganz alleine sein zu müssen.“  

 

 

 

Wolfgang Hofer im Porträt

Von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Zwei Seelenverwandte: Udo Jürgens und sein Textdichter Wolfgang Hofer

Zwei Seelenverwandte: Udo Jürgens und sein Textdichter Wolfgang Hofer

Am 17. Februar feiert Wolfgang Hofer, einer der großen zeitgenössischen Textdichter  und Hitschreiber von Udo Jürgens, seinen 65. Geburtstag. Was läge da näher als den gebürtigen Linzer, der in den 70er Jahren als Liedermacher erfolgreich war, zu fragen: Fängt tatsächlich erst mit 66 das Leben an? Das etwas andere Porträt.

Noch mehr Musical, das wär‘ schon was!“

Im Internet lässt sich nicht sehr viel über Sie finden. Kollegen Ihres Kalibers haben eine umfassende Homepage. Stehen Sie lieber in der 2. Reihe als im Rampenlicht und wollen eigentlich von den Medien verschont bleiben?

Anfang der 70er stand ich für ein einige Jahre durchaus im Rampenlicht, nachdem ich als dahergelaufener Ösi Heino von Platz eins der ZDF-Hitparade verdrängt hatte. Mein Lied vom Trödler Abraham hatte einen außergewöhnlichen Text, und so fragten die Kollegen, ob ich auch für sie schreiben würde. Über Peter Kraus und Michael Schanze, die ich von gemeinsamen Auftritten kannte, kam ich auch zu Aufträgen für Fernsehshows. Das ging später bis „Flitterabend“, „Bambi“ und „Wetten dass…“ Irgendwann war für die Bühne einfach keine Zeit mehr. Für eine Homepage fehlen mir die Lust und die Eitelkeit.

Stammen Sie aus einem künstlerischen Elternhaus? Welche Musik wurde im Hause Hofer gehört?

Mein Vater war Buchhalter, meine Mutter hatte eine poetische Ader, die blieb aber privat. Als Kind habe ich alles gehört, was das Radio an Schlager und früher Popmusik hergab. Ich habe auch Beatles- und Rolling-Stones-Texte aus der Bravo ausgeschnitten.

Wie verlief Ihre Schullaufbahn?

Ich war ein Einser-Schüler, der im Gymnasium zum Rebellen mutierte. Als Rädelsführer der klasseneigenen OAS (Organsiation académique de sabotage) hatte ich etliches auf dem Gewissen, auch eine ziemlich satirische Maturazeitung. Dank meiner schulischen Leistungen blieben mir aber Sanktionen weitgehend erspart.

Wann machte sich Ihr dichterisches Talent zum ersten Mal bemerkbar?

Im zarten Alter von sieben Jahren habe ich einen Familienausflug in Gedichtform für die Nachwelt festgehalten. Leider hat die Nachwelt das Werk verschlampt.

War das Studium der Nachrichtentechnik nur ein Vorwand, um aus der Provinz nach Wien zu kommen?

Erwischt! Zu Hause in Linz konnte man damals nur Sozialwissenschaften studieren. So kam ich als Bastler auf die Idee, Nachrichtentechnik zu belegen, ein Teilgebiet der Elektrotechnik. Und das gab es nur in Wien! Das Studium habe ich nicht abgeschlossen. Ich war zu viel mit der Musik beschäftigt, habe jeden Tag im Keller des Studentenheims mit der Gitarre komponiert und geübt.

Wann  entstand der Wunsch, Liedermacher zu werden? Gab es Vorbilder?

In meiner Gymnasialzeit waren Protestsongs angesagt, ausgehend von amerikanischen Songwritern wie Bob Dylan, Joan Baez & Co.  Also schrieb ich unter der Schulbank weltverbessernde englische Lieder und gründete mit Schulkollegen eine Folklore-Band. Nach der Matura gingen wir auseinander, jeder in eine andere Stadt. In Wien gab es eine Nachwuchsförderung durch den Österreichischen Rundfunk ORF, und ich wurde bei einem bunten Abend im Studentenheim begutachtet und für tauglich befunden. So entstanden erste professionelle Aufnahmen im Rundfunk-Tonstudio.

Sie haben als Sänger Ihren Nachnamen abgelegt.  Wegen Wolfgang Ambros’ „Hofer“? Oder kam der erst später?

Ich fand damals, mit dem Namen „Hofer“ kann man Tiroler Freiheitskämpfer werden, aber kein Schlagersänger. Wolfgang Ambros hat seinen Hofer erst kurz darauf „die Leich‘ massakrier’n“ lassen.

Ihre Karriere als Liedermacher und Sänger begann sehr vielversprechend. Warum haben Sie damit aufgehört? Haben Sie das jemals bereut?

Warum: Siehe oben! Bereut: Nein.

Wann gingen Sie nach München?

Ich ging von Wien zuerst nach Hessen, weil in Frankfurt meine Plattenfirma ansässig war. Eine Villa im Taunus konnte ich mir nicht leisten, also habe ich in Hanau gewohnt. Da gibt es übrigens einen Stadtteil namens „Wolfgang“. Passt doch, oder? Später zog ich nach München, da riecht’s mehr nach Heimat.

Wie schafften Sie es,  für Udo Jürgens zu arbeiten? Was war das erste Lied, das Sie für ihn schrieben?

Ich war als Sänger im Management von Hans Beierlein, der auch Udo betreut hat. Da lag es nahe, mich nach Kitzbühel zu schicken  „…und jetzt schreibt mal was zusammen!“ So stand ich dann mit Herzklopfen vor einer riesigen Villa, und es begann eine wundervolle und anstrengende Zusammenarbeit. Der erste Text, den ich für Udo schrieb, hieß „Mein Klavier“. Insgesamt sind es über 100 gemeinsame Lieder. Genau weiß ich die Zahl noch nicht, mit meiner Datenbank bin ich erst beim Buchstaben K.

Was sind die bekanntesten Lieder und  was Ihre liebsten?

„Buenos Dias, Argentina,“ „Liebe ohne Leiden“, „Mein Bruder ist ein Maler“, „Alles im Griff auf dem sinkenden Schiff“ und „Mit 66 Jahren…“ Lieblingslied ist schwer, vielleicht „Merry Christmas allerseits“, weil es doch recht originell ist.

Wie war die Zusammenarbeit mit Udo Jürgens? Sie haben bis zuletzt für ihn geschrieben. Die meisten Texte von  „Mitten im Leben“ sind von Ihnen. 

Die Zusammenarbeit war geprägt von einer Seelenverwandtschaft – nicht nur, weil wir beide Österreicher sind – von gegenseitigem Respekt und von höchster Akribie. Wir haben Worte oft x-mal umgedreht, bis wir zufrieden waren. Genauso ist Udo mit seinen Melodien verfahren, deshalb kamen ja auch große Lieder dabei heraus und nicht irgendwelche Allerweltschlager. Udo war ein Arbeitstier wie ich, aber am Abend war Schluss – da gab es früher Rot- und in den letzten Jahren Weißwein und ein entspanntes Essen. Nach dem obligatorischen Wodka Tonic sind wir hie und da doch wieder an den Flügel. „Buenos Dias, Argentina“ ist um drei Uhr nachts entstanden. Und wenn ich nicht mein Diktiergerät hätte laufen lassen, hätten wir uns am nächsten Tag vielleicht nicht mehr erinnert…

Wie geht es Ihnen jetzt – wenige Wochen nach seinem Tod?

Es ist alles ganz unwirklich. Ich habe noch seine Stimme im Ohr, wenn er auf den Anrufbeantworter gesprochen hat: „Jaaa, Udo hier…“ Und es ist eine brutale Erkenntnis: Letztlich bleibt auch vom größten Helden neben dem Ruhm nur eine Handvoll Asche.

Sie erleben das typische Schicksal eines Textdichters.  Alle kennen Ihre Lieder, die wenigsten wissen, dass sie von Ihnen stammen.  Ärgert Sie das? Oder freuen Sie sich im Stillen, wenn Ihnen ein „maßgeschneiderter“ Text gelingt?

Ich freu mich laut, wenn mir ein Text gelingt. Und das ist zum Glück nicht selten. So kann ich als graue Eminenz gut im Hintergrund leben. Die meisten kriegen ja eh raus, was ich mache. Wie mein Fischhändler auf dem Viktualienmarkt. Der hat mich bei der Geburtstagsgala im Fernsehen gesehen und dann ganz geschickt ein Gespräch eingefädelt, um Gewissheit zu haben.

Von Ihnen stammt auch der Hit von Margot Werner „So ein Mann“ und „Lass mein Knie, Joe“, gesungen von Wenke Myrhe. Für wen haben Sie noch geschrieben?

Hier ein kleines ABC meiner Künstler (Sänger und TV-Moderatoren): Dieter Thomas Heck mit Wolfgang HoferSalvatore Adamo, Tom Astor, Peer Augustinski, Roy Black, Gilbert Bécaud, Vivi Bach, Lill Babs, Gerhard Bronner, Axel Bulthaupt, Howard Carpendale, Costa Cordalis, Dorthe, Deutsche Fußball-Nationalmannschaft, The Eagles Charity Project, Thomas Gottschalk, Rex Gildo, Gitti & Erica, Hanne Haller, Heino, Dieter Hallervorden, Hansi Hinterseer, Eva Hermann, Chris Howland, Sigi Harreis, Bata Illic, Udo Jürgens, Jenny Jürgens, Harald Juhnke, Roland Kaiser, Peter Kraus, Johanna von Koczian, Daliah Lavi, Jürgen von der Lippe, Bruce Low, Martin Lauer, Mireille Mathieu, Nana Mouskouri, Wencke Myhre, Jürgen Marcus, Marianne und Michael, Carmen Nebel, Marianne Rosenberg, Iwan Rebroff, Dunja Rajter, Ilja Richter, Carolin Reiber, Harald Schmidt, Bud Spencer, Bobby Solo, Ingrid Steeger, Dietmar Schönherr, Michael Schanze, Sabine Sauer, Vico Torriani, Lena Valaitis, Margot Werner, Stefan Waggershausen, Günter Wewel

Sie arbeiten in München in einer Werbeagentur und werden im Februar 65. Denken Sie an die Pension oder an neue Projekte?  Nach eigener Aussage ist ja mit 66 noch lang noch nicht Schluss.

Die Werbeagentur ist eine Ente. Rente kommt für mich nicht in Frage. Keine Kreuzfahrten, Kegeltouren, Kaffeekränzchen, lieber Arbeit, da bleibt man ewig 66!

Was möchten Sie noch gerne schreiben? Und für wen?

Letztes Jahr lief in Wien mit großem Erfolg das Musical Der Besuch der alten Dame nach Friedrich Dürrenmatt. Premiere hatte das Stück bei den Thunerseespielen in der Schweiz, in diesem Jahr geht es nach Tokio. Ich habe die Songtexte geschrieben. Noch mehr Musical, am liebsten mit Pia Douwes und Uwe Kröger in den Hauptrollen, das wär schon was!

Abschließend möchte ich Sie noch um ein paar  private Infos bitten. Was  neugierige Leut’ halt so wissen wollen: Verheiratet? Kinder? Katze? Hund?

Privates ist tabu. Nur so viel: Ich bin glücklich mit einer eleganten, rheinischen Frohnatur verheiratet, lebe trotz Weißwein gesund, wohne mitten in München in der vierten Etage, nehme statt dem Lift die Treppe und brauche keine Tabletten.

Herzlichen Dank für das Interview!

PS: Wolfgang Hofer hat einen Fan besonderer Art. Tina betreibt  unter dem Namen „Wolfgang – The early Years“ auf Facebook eine öffentlich zugängliche Fanseite, die dem Sänger Wolfgang gewidmet ist. Die ist mehr als nur einen Blick wert.

 

 

Stille Nacht: Joseph Mohr im Porträt

Von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Kleine Vorbemerkung: In der Serie „Wer schrieb eigentlich…?“ stelle ich Textdichter des 20. Jahrhunderts vor. Aus gegebenem Anlass mache ich heute eine Ausnahme und porträtiere jenen Mann, der der Welt das berühmteste Weihnachtslied aller Zeiten beschert hat. (Auch wenn er schon im 19. Jahrhundert gelebt hat.)

ERST SINGEN, DANN DIE GESCHENKE!

„Stille Nacht, heilige Nacht! Alles schläft, einsam wacht nur das traute hochheilige Paar…“ Es ist ein ehernes Familiengesetz: Erst nach dem kollektiven Absingen von „Stille Nacht“ (zumindest der ersten Strophe!) vor dem im Kerzenschein erstrahlenden Weihnachtsbaum dürfen die Geschenke ausgepackt werden. Zu verdanken haben wir das Joseph Mohr. Er hatte den Einfall zu „Stille Nacht“ – vor fast 200 Jahren.

Jpseph MohrJoseph Mohr wurde unter keinem guten Stern geboren. Er kam am 11. Dezember 1792 in der Stadt Salzburg als uneheliches Kind der Strickerin Anna Schoiber zur Welt. Sein Vater Franz Mohr war ein ehemaliger Soldat aus dem Lungau, dem südlichsten Bezirk im Land Salzburg. Der kleine Joseph wuchs in ärmlichsten Verhältnissen auf. Zum Glück erkannte ein Domvikar das musikalische Talent des Buben und nahm ihn unter seine Fittiche. Er ermöglichte ihm den Besuch eines Gymnasiums und in weiterer Folge ein Theologiestudium. 1815 wurde Joseph Mohr zum katholischen Priester geweiht. Dafür brauchte er allerdings als unehelich Geborener vom Papst eine Ausnahmegenehmigung. Seine erste Anstellung führte ihn nach Mariapfarr, in die Heimatgemeinde seines Vaters. Dort hatte er auch den genialen Einfall zu jenem Gedicht, das in der Vertonung von Franz Xaver Gruber den Siegeszug um die ganze Welt antreten sollte.

EIN LIED GEHT UM DIE WELT

Im Jahre 1817 verschlug es Mohr nach Oberndorf. Als kurz vor Weihnachten 1818 die Orgel in der St. Nikolaus-Kirche streikte, bat er den Organisten Franz Xaver Gruber, der als Lehrer in der Nachbargemeinde Arnsdorf arbeitete, das sechsstrophige Gedicht „Stille Nacht“ zu vertonen. Gruber schrieb zwei Solostimmen mit Gitarrenbegleitung. Bei der Christmette erklang das Lied zum ersten Mal. Mohr sang Tenor und spielte Gitarre, Gruber sang Bass. Der Tiroler Orgelbauer Carl Mauracher, der die Oberndorfer Orgel kurze Zeit später reparierte, nahm die Noten mit in seine Heimat und verhalf so dem Lied zum Siegeszug zuerst  nach Tirol (1819), dann nach Deutschland, dann nach Amerika (1938).

SOZIALES ENGAGEMENT IN WAGRAIN

Mohr blieb bis September 1819 in Oberndorf und wechselte dann häufig seine Dienstorte, bis er 1837 Pfarrer von Wagrain wurde. Schon in Oberndorf hatte er für die Armen stark gemacht, in Wagrain konnte er sein soziales Engagement fortsetzen. Er veranlasste den Neubau der Schule, gründete einen Ausgleichsfonds, um auch den Kindern mittelloser Eltern den damals kostenpflichtigen Schulbesuch zu ermöglichen und kümmerte sich um die bedürftige, alte Bevölkerung. Auf seine Initiative geht auch das später geschaffene Armen- und Altenheim zurück. Von dem Erfolg seines Liedes erfuhr er genau wenig wie Franz Xaver Gruber. Die Urheberschaft wurde auf Grund eines Autographs erst 1854 nachgewiesen. Mohr starb im Alter von 56 Jahren am 4. Dezember 1848 an Tuberkulose  und fand auf dem Friedhof in Wagrain seine letzte Ruhestätte. Heute erinnert der Name der Volksschule an den großen Wohltäter.

STILLE NACHT DAS GANZE JAHR

Die Stille-Nacht-Gesellschaft mit Sitz in Oberndorf hat sich zur Aufgabe gemacht, die Entstehung des Liedes zu erforschen und die authentischen Fassungen zu verbreiten. In vier Jahren gibt es etwas ganz Besonderes zu feiern: 200 Jahre „Stille Nacht“. Drei Museen in Oberndorf, Arnsdorf und Hallein  machen das Lied zum Dauerthema. Die Entstehungsgeschichte von „Stille Nacht“ wurde mehrmals verfilmt, 1997 unter dem Titel „Das ewige Lied“ mit Tobias Moretti in der Rolle von Joseph Mohr. Auch das Fernsehen kommt nicht daran vorbei. Zauberhafte Weihnacht im Land der Stillen Nacht heißt die neueste Produktion, die am 20. Dezember in ORF 2 und am 26. Dezember auf 3 SAT ausgestrahlt wird. Moderator Harald Krassnitzer über das Lied der Lieder: „’Stille Nacht’ gehört einfach zur Kultur der Österreicher. Mich fasziniert vor allem die Weltreise, die dieses Lied gemacht hat.“

 

 

Gedicht des Monats – Dezember 2014

von Michael Feindler

Die Adventszeit hat begonnen und bringt Licht ins Dunkel unserer Wintertage – meist elektrifiziert. Anlass genug, sich einmal mit denjenigen zu befassen, die uns dieses Licht bescheren: zum einen hat die ARD vor wenigen Wochen das Geschäft der Stromkonzerne in einer Dokumentation näher beleuchtet, zum anderen gibt es aktuelle Entwicklungen bei den Elektroriesen Vattenfall und E.ON, die diesmal auch im Monatsgedicht Erwähnung finden:

Strategiewende

Atomstromzeiten sind beendet,
da Energie sich hierzulande
samt Vattenfall und E.ON wendet.
Doch beide sind wohl kaum imstande,
die Folgen finanziell zu tragen –
zumindest, wenn die Aktionäre
Profitverluste bald beklagen.
Denn schließlich meinen die, es wäre
bescheuert, stünde Sicherheit
der Menschen über dem Gewinn.
Und deshalb ist es an der Zeit,
die Dinge wieder richtig hin-
zubiegen und darauf zu schauen,
dass jeder Stromkonzern genießt,
was ihn am Leben hält: Vertrauen,
indem der Geldstrom weiterfließt.

Und so verklagt nun Vattenfall
vor dubiosen Schiedsgerichten
den Staat und will auf einen Schwall
an Geld mitnichten jetzt verzichten.
Das Unternehmen E.ON fährt
da eine andre Strategie,
die hat bei Banken sich bewährt
(und dort versagte sie fast nie):
Der Stromkonzern wird jetzt gespalten
und kann danach den Kernkraft-Schrott
getrennt vom schönen Teil verwalten.
Geht dieser Müll dann mal bankrott,
so haftet, wie man sich schon denkt,
der Staat für jeden Schuldenrest –
den gibt’s von E.ON dann geschenkt,
auch außerhalb vom Weihnachtsfest.

Im ebenfalls mit elektrischem Strom betriebenen Rampenlicht der Bühne werde ich im Dezember und Januar an diesen Tagen und Orten anzutreffen sein:

Freitag, 05.12.2014, Berlin:
Programmauszüge im Rahmen der Late-Night-Show „Frisch gepresst“ mit Tilman Lucke und Martin Valenske, Distel (Studio), 21.30 Uhr

Samstag, 06.12.2014, Berlin:
Programmauszüge im Rahmen der Late-Night-Show „Frisch gepresst“, Distel (Studio), 21.30 Uhr

Samstag, 13.12.2014, Bad Oeynhausen: VORPREMIERE des neuen Soloprogramms „Das Lachen der Ohnmächtigen“, Druckerei Begegnungszentrum, 20.00 Uhr

Freitag, 16.01.2015, Berlin:
Premiere des neuen Soloprogramms „Das Lachen der Ohnmächtigen“, Zebrano-Theater, 19.30 Uhr

Samstag, 17.01.2015, Berlin:
Soloprogramm „Das Lachen der Ohnmächtigen“, Zebrano-Theater, 19.30 Uhr

Mittwoch, 21.01.2015, Weingarten (am Bodensee):
Soloprogramm „Das Lachen der Ohnmächtigen“, Hochschulgemeinde, 20.00 Uhr

Freitag, 23.01.2015, Cottbus:
Gemeinsamer Auftritt mit der Band „Les Bummms Boys“ im Rahmen des Studentenkabarett-Festivals „Ei(n)fälle“, Konservatorium, 19.30 Uhr

Samstag, 24.01.2015, Düsseldorf:
„Das Lachen der Ohnmächtigen“, Freizeitstätte Garath, 20.00 Uhr

Eine komplette Tourplan-Übersicht ist hier zu finden.

 P.S.: Im Oktober bin ich im Rahmen der Leipziger Lachmesse aufgetreten und der MDR hat das gefilmt. Der knapp zwanzigminütige Ausschnitt (hauptsächlich mit Texten und Liedern aus dem Programm „Dumm nickt gut“, aber auch mit einem Lied aus dem kommenden Programm) lässt sich nun hier anschauen. Unter anderem mit dabei: „Der Anschlag auf den fiktiven Banker Walther Oppermann“ sowie die modernisierte Fassung von Goethes „Zauberlehrling“.

 

Den Sommer wieder mal verpasst…

von Michael Feindler (Celler Schule 2010)
 
In diesem Monat hat uns Michael Feindler mit einem besonderen Gedicht beschenkt. Genießt seine  poetisch-philsophoschen Gedanken, die sich um den Herbst ranken, auch wenn Weihnachten schon um die Ecke lugt.
 

Herbst

Die Luft ist heute überraschend kühl,
ist windig unterwegs, macht selten Rast. 
?Im kalten Hauch beschleicht mich das Gefühl,
?ich hätt’ den Sommer wieder mal verpasst.

Wo sind die warmen Tage hin, von denen ?
ich mir am Jahresanfang viel versprach?
?Ich meine mich nach Kommendem zu sehnen,?
doch im Kalender ist es schon danach.

An einen Frühling mag ich mich entsinnen,
an Aufbruchsstimmung, Ziele und den Plan, 
gemeinsam etwas Großes zu beginnen. 
Wohin verschwand im Anschluss der Elan?

Was wurde aus dem Drang, der in uns steckte,
aus jenem Antrieb, der uns weiterbrachte?
Wo blieb die Neugier, die das Umfeld weckte,?
das Feuer, das ein Geistesblitz entfachte?

Das alles ging wohl, als der Sommer kam.
Von diesem haben wir dann kaum gezehrt,
denn Statisches ist von Natur aus lahm?
und somit weniger erinnernswert.

Zum Frühling lässt sich einiges erzählen,
?der Sommer aber ist ein Status quo,
dem weitere Entwicklungsstufen fehlen –
zwar schön und warm, doch bleibt er eben so.

Das Faszinierendste ist stets, was sich bewegt,
was wächst und was sich noch verändern lässt.?
Ein definiertes Zielereignis legt?
zugleich den Punkt für einen Stillstand fest.

Denn schließlich sind es ja die Übergänge,
die ganz besonders intensiv erscheinen.?
Entwicklung zieht Momente in die Länge -?
zumindest kann man das im Rückblick meinen.

Und wenn uns dann der Sommer beispielsweise?
erfasst, ergibt sich häufig das Problem:?
Elan und Tatendrang verschwinden leise,?
der Status quo ist nämlich sehr bequem.

Doch jeder Sommer wird mal abgelöst.?
Es folgt der Herbst. Er bringt Veränderung,
indem er das Entstandene verstößt –
ganz sachte, ohne frühlingshaften Schwung.

Die Luft beginnt sich langsam abzukühlen,
ein Hauch von Sommer scheint noch nachzuhallen.
Nun geht es weiter. Neue Winde wühlen
auch die Gedanken auf und zeigen allen:

Am stärksten können wir das Leben fühlen,
wenn Dinge wachsen oder grad zerfallen.??

 „Während die Tage immer kürzer werden, können die langen Abende vortrefflich in Kabarett-Theatern verbracht werden, in denen ich in den kommenden Tagen und Wochen spielen werde“, meint Michael Feindler und verweist auf seine Homepage.

Michael Kunze im Porträt

Von Claudia Karner (Celler Schule 206)

Wer schrieb eigentlich „Ich war noch niemals in New York, ich war noch niemals auf Hawaii, ging nie durch San Francisco in zerriss’nen Jeans…“? Na, Udo Jürgens, wer sonst, werden Sie jetzt vermutlich sagen. Falsch! Es war sein Haus- und Hoftexter Michael Kunze, der ihm viele Hits, darunter „Griechischer Wein“, „Ein ehrenwertes Haus“ und „Heute beginnt der Rest meines Lebens“ auf den Leib schrieb und dem dabei das typische Textdichter-Schicksal widerfuhr. „Das Publikum identifiziert gewöhnlich den Sänger mit dem, was er singt, den Texter nimmt es gar nicht wahr. Das hat mich nie gestört. Ich bin so eine Art Ghostwriter, der den Interpreten die Sprache gibt“, sagte Michael Kunze in einem Interview  in der FAZ. „Udo Jürgens und ich, wir waren ein eingespieltes Team. Mit ihm zusammen am Klavier war mir die liebste Arbeit. Einmal hat Udo gesagt: ‚Oft stört der Text die Musik oder umgekehrt. Wenn aber ein guter Text und die passende Melodie zusammenkommen, löst das die stärkten Emotionen aus’.“ Schade, dass Udo Jürgens bei der Fernsehshow anlässlich seines 80. Geburtstags für seinen langjährigen Textdichter nur in einen Halbsatz übrig hatte.

DU BIST ALLES, WAS ICH HABE AUF DER WELT…

Michael Kunze
Foto: Alexander Christoph Wulz

Geboren wurde Michael Kunze am 9. November 1943 in Prag, wo sein Vater als Journalist beim Prager Tagblatt arbeitete. Nach der Rückkehr der Familie nach Deutschland wuchs er im Schwarzwald auf und besuchte in München das Gymnasium. Als Teenager entdeckte er die Liebe für den Rock’n’Roll, lernte Gitarre spielen und schrieb die ersten Lieder. Nach dem Abitur mit der Durchschnittsnote 1,0 studierte Kunze Jura, ein Studium, das er, wenn erst auch viele Jahre später, summa cum laude beendete. Die Dissertation über einen Hexenprozess aus dem Jahre 1600  („Der Prozess Pappenheimer“) erregte großes Aufsehen in Fachkreisen und wurde Grundlage für seinen Erfolgsroman  „Straße ins Feuer“. Doch erst mal wollte der junge Kunze Liedtexte schreiben. Da die ersten Versuche nicht besonders erfolgreich waren, entschloss er sich, selbst zu produzieren. In einer Schwabinger Musikkneipe entdeckte er 1969 den 17jährigen Peter Maffay, für den er das Lied „Du“ schrieb. „Du bist alles, was ich habe auf der Welt. Du bist alles, was ich will…“ Durchaus möglich, dass sich Kunze beim Schreiben dieses Textes von seiner Jugendliebe Roswitha inspirieren ließ, die er mit 17 Jahren im Schulbus kennengelernt hatte und ihn noch heute als Ehefrau durchs Leben begleitet.

KEINE ANGST VOR GEFÜHLEN

Von da an ging es aufwärts. Sehr steil sogar. Insgesamt sind es 4000 Titel geworden, darunter an die 300 Hits. „Einige davon finde ich heute noch gut“, sagt Kunze. Sein Erfolgsrezept: „Ich hatte nie Angst vor Gefühl, vor Einfachheit. Angst hatte ich vor Lügen und Klischees. In der Branche wusste man bald, für die richtigen breiten Schlager bin ich nicht der Richtige. Durchgesetzt haben sich meine Texte, weil sie etwas anders waren als das übliche Schlager-Einerlei.“ Und so schrieb er u. a. für Peter Alexander („Die kleine Kneipe“), Jürgen Drews („Ein Bett im Kornfeld“), Die Münchner Freiheit („Ohne dich schlaf ich heut Nacht nicht ein“), Gitte Haenning („Freu dich bloß nicht zu früh“), Mary Roos („Aufrecht geh’n“), Juliane Werding („Stimmen im Wind“) und Gilbert Becaud („Desirée“).

1974 wagte Michael Kunze den Sprung über den Großen Teich, gründete in den USA die Retorten-Gruppe Silver Convention und erfand den sogenannten Munich Sound. Auf Grund der sensationellen Erfolge in den USA  mit „Fly, Robin, Fly“ – der Song wurde Nummer 1 in den Billboard Charts –   und Penny Mc Leans „Lady Bump“, die Kunze unter dem Pseudonym Stephan Prager schrieb, arbeitete er mit Stars der amerikanischen Musikszene und produzierte Alben mit Herbie Mann, Julio Iglesias und Sister Sledge. 1976 wurde er als erster Deutscher gemeinsam mit dem Komponisten Sylvester Levay mit einem Grammy ausgezeichnet. In Deutschland wählte ihn die Jury der Goldenen Europa zum „Mann des Jahres 1976“. Das Pendeln zwischen den Kontinenten und Druck der amerikanischen Plattenfirma gingen Kunze an die Substanz. Ende der 1970er Jahre zog er die Notbremse. Er löste Silver Convention auf, kündigte alle Verträge und nahm sich Auszeit, um den Roman „Straße ins Feuer“ zu schreiben. 

MUSICAL- UND STORY-ARCHITEKT

In den 80er Jahren entdeckte Michael Kunze eine neue künstlerische Welt: das Musical. Er übertrug mit großem Erfolg die Musicals des weltbekannten Engländers Andrew Lloyd Webber wie „Evita“, „Cats“, „Das Phantom der Oper“ und „Sunset Boulevard“ ins Deutsche und verhalf so diesen Werken in seiner Heimat zum Durchbruch. Gleichzeitig machte er sich einen Namen in dieser Branche. Es folgten die deutsche Adaptierungen (Die Bezeichnung „Übersetzung“, hört Kunze nicht gern) von  „A Chorus Line“, „Der kleine Horrorladen“, „Der Glöckner von Notre Dame“, „Der König der Löwen“, „Mamma Mia!“ und „Aida“.
Mit dem Komponisten Sylvester Levay, mit der sich bereits zu Zeiten des „Munich Sound“ die Lorbeeren geteilt hatte, begann Michael Kunze eigene Musicals zu schreiben und zu produzieren. Er startete 1990 mit „Hexen, Hexen“ und landete  zwei Jahre später mit „Elisabeth“, der Geschichte der österreichischen Kaiserin fernab vom picksüßen Sissi-Kitsch, trotz anfänglicher Kritikerschelte einen Welterfolg. „Elisabeth“ wurde vier Jahre lang in Folge in Wien gespielt. O-Ton Michael Kunze, der sich als Story-Architekt verstanden wissen will:  „Seit zwanzig Jahren vergeht kaum ein Tag, an dem nicht irgendwo in der Welt „Elisabeth“ aufgeführt wird. Das ist nicht ohne Ironie. Ich wollte die Geschichte der unglücklichen Kaiserin als zeitgemäßes, emotionales Musiktheater erzählen, ohne dabei zum Broadway zu schielen. Dass das dem Wiener Publikum gefiel, konnte ich allenfalls hoffen. An einen Welterfolg dachte ich wirklich nicht.“

ICH WAR NOCH NIEMALS IN NEW YORK

Weitere Erfolgs-Produktionen aus Kunzes Kreativ-Werkstatt:  „Mozart! – das Musical“ (1996), „Tanz der Vampire“ (1997),  „Rebecca“ (2006), „Marie-Antoinette“ (2006) und „Moses“ (2013). Im Oktober 2015 soll die Uraufführung des Pop-Oratoriums „Luther“ folgen. „Ich war noch niemals in New York“, jenes Musical, zu dem Michael Kunze Titel und Titelsong lieferte, stammt allerdings nicht aus dessen Feder. Es ist eine Kompilation von 23 Udo-Jürgens-Liedern, die der österreichische Dramatiker Gabriel Barilly nach einer Idee von der Bestellser-Autorin Hera Lind in eine flotte, familientaugliche Story à la Traumschiff packte.

56 Goldene Schallplatten, 23 Platin-Schallplatten, ein Grammy, der Echo für das Lebenswerk,  die Goldene Feder des Deutschen Textdichter-Verbandes  und der Deutsche Musikautorenpreis – die Liste von Kunzes Auszeichnungen ist lang. „Michael Kunze ist ein echtes Universaltalent, der ein wahrhaft umfassendes Gesamtwerk vorweisen kann. Musical, Oper, Schlager, Theater, Literatur, Film und Fernsehen – überall fühlt sich Michael Kunze gleich wohl“, so die Würdigung der Jury des Musikautorenpreises 2010. „Da er der meistgenannte Autor bei „Die besten Jahrhundert-Hits“des ZDF ist, kann man davon ausgehen, dass fast jeder sofort ein paar Zeilen seiner Lieder auswendig aufsagen kann.“ Diese zum Beispiel: „Ich war noch niemals in New York, ich war noch niemals auf Hawaii…“ Welche Zeile kriegen Sie nicht mehr aus dem Ohr?

 

Fred Jay im Porträt

von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

„Dankeschön, es war bezaubernd. Dankeschön, wenn wir auch auseinander gehn, gibts doch ein Wiedersehn…“ Wer kennt nicht diesen einschmeichelnden Ohrwurm, den Peter Alexander bis in die 1990er Jahre als Schlusslied seiner großen Samstagsabend-Shows sang? Diese Zeilen schrieb 1935 ein 21-jähriger Jura-Student jüdischer Abstammung, der davon träumte, Schlagertexter zu werden, in einem Wiener Kaffeehaus in sein schwarzes Notizbuch. Zwei Jahre später wurde das Lied von Harry’s Tanzorchester unter der Leitung von Heinz Sandauer und der Sängerin Gloria Astor auf Platte aufgenommen, und ganz Wien sang begeistert mit. Der Verfasser des Liedes war Friedrich Alex Jacobson, der sich Jahre später als Fred Jay einen internationalen Namen als Textdichter machte.

Fred JayWHAT I AM LIVING FOR?

Fred Jay wurde als Friedrich Alex Jacobson am 24. Juli 1914 in Linz geboren und absolvierte in Wien ein Jura-Studium. Auf Grund seiner jüdischen Herkunft musste er 1938 nach Paris flüchten und kam nach einem längeren Aufenthalt in einem französischen Lager dank eines lebensrettenden Visums in die USA. In New York fand er nicht nur eine spätere Ehefrau Mary, sondern auch einen Job bei dem Radiosender The Voice Of America. Schnell erlernte er die anglo-amerikanische Ausdrucksweise und schrieb unter dem neuen Namen Fred Jay nun auf Englisch Songtexte. Dem Song „What Am I living for?“ verhalf Ray Charles, der damals noch am Beginn seiner Karriere stand, zum Erfolg. „The Wedding“, gesungen von Julie Rogers, wurde  mehr als 7 Millionen Mal verkauft und wurde auch in der deutschen Version Wenn die Glocken hell erklingen“, gesungen von Lys Assia, ein Hit.

ICH WEISS, WAS ICH WILL

Seine Frau Mary war die treibende Kraft, dass er 1963 mit seiner Familie nach Europa zurückkehrte. Fred Jay arbeitete bei „The Voice of America“ in München und wurde in weiterer Folge Programmdirektor des Senders Rias in Berlin, der Heimatstadt seiner Eltern. Dem Schreiben von Songtexten galt noch immer seine große Leidenschaft. Bei Peter Meisel, Verleger, Produzent und Talent-Scout (er ent-  deckte u.a. Manuela, Marianne Rosenberg, Drafi Deutscher, Juliane Werding, Bernd Clüver und später Die Prinzen) fand er ein offenes Ohr. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten.  „Diese Welt“, ein Lied, das er für Katja Ebstein schrieb, landete 1971 auf dem 3. Platz beim Eurovision Contest. Das war der Beginn einer beispiellosen Karriere. Der Spätzünder wurde Haus- und Hofschreiber für  Howard Carpendale. 87 Titel, darunter „Du fängst den Wind niemals ein“, Deine Spuren im Sand“ und die deutsche Übersetzung von „Ti amo“ gehen auf Jays Konto. Für Christian Anders verfasste er 52 Lieder, darunter „Es fährt ein Zug nach Nirgendwo und „Geh nicht vorbei“, für Jürgen Marcus 27, darunter „Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben“ und „Ein Festival der Liebe“. Von der englischen Übersetzung „When a child was born“, gesungen von Johnny Mathis, wurden am ersten Tag der Veröffentlichung unglaubliche 221.000 Platten verkauft, was im Guiness-Buch der Rekorde verewigt wurde. Boney M. nahmen das Lied in ihr Christmas-Album auf. Für die Retortengruppe von Frank Farian lieferte Jay 36 Titel auf Englisch. „Ra-Ra-Rasputin“ verkaufte sich zwischen Rio de Janeiro und Moskau 7,5 Millionen Mal. Das Lied, das er  gemeinsam mit Udo Jürgens schrieb, war auch sein Lebensmotto: „Ich weiß, was ich will!“ Im Alter von fast siebzig Jahren war für Dr. Friedrich Alex Jacobson alias Fred Jay der Traum, den er schon als Wiener Student geträumt hatte, in Erfüllung gegangen.

DANKE SCHÖN, ES WAR BEZAUBERND

Fred Jay wurde als hochgebildeter, belesener Intellektueller, voll altösterreichischem Charme beschrieben. Und er war mit einer für seine Branche untypischen Eigenschaft ausgestattet, der Bescheidenheit. Obwohl er der erfolgreichste deutschsprachige Textdichter seiner Zeit war, trat er nie ins Rampenlicht. Es holte sich nicht einmal seine Goldenen Schallplatten ab. 1985, zwei Jahre nachdem sein letztes Lied veröffentlicht worden war und er sich aus dem Schlagerbusiness zurückgezogen hatte, kehrte er mit seiner Familie nach Amerika zurück. In Conneticut, wo sein Sohn Michael als Kardiologe arbeitete, fand er seinen Altersitz. Drei Jahre später, am 27. März 1988, starb er im 74. Lebensjahr. So unspektakulär wie er gelebt hatte, war auch sein letzter Abschied: eine kleine Friedhofskapelle, an die zwanzig Trauergäste, ein schlichter Holzsarg. Es gab keine Reden. Aber es erklang Musik: Danke schön, es war bezaubernd.

FRED-JAY-PREIS

Fred Jay lebt nicht nur in seinen Liedern weiter. Seine Witwe Mary Jay-Jacobson stiftete in Erinnerung an den großen Textdichter 1989 den Fred-Jay-Preis, der mit 15.000 Euro dotiert ist. Er steht unter der Schirmherrschaft der GEMA-Stiftung und wird alljährlich an einen Künstler verliehen,  der sich um die Schaffung und Förderung deutscher Texte verdient macht. Die Wahl des Fred-Jay-Preisträgers, der durchaus auch weiblich sein darf, trifft, auf Wunsch von Mary Jay-Jacobson, die 2002 verstarb, die Jury des Deutschen Musikautorenpreises. 2014 konnte sich Dota Kehr über die Auszeichnung freuen, die bei der Preisverleihung den Liedermacher  Christoph Stählin zitierte: „Mit Kunst nicht zielen! Wenn man getroffen hat, wird man es schon merken.“

Gedicht des Monats

von Michael Feindler (Celler Schule 2010)

Geschätzte Leserschaft!

Im Gedicht des Monats  geht es um politische Ereignisse, die insbesondere in den Augustwochen diskutiert wurden, ohne dass man aber behaupten kann, die Diskussionen seien nur annähernd beendet oder hätten gar zu beruhigenden politischen Entscheidungen geführt.  Also passt es auch noch in den September und auch in den Oktober, der  schon vor der Türe steht (Anm. d. R.) . Wichtig – wie bei allen politischen Diskussionen – ist hierbei, die Interessen der einzelnen Diskussionsteilnehmer nicht aus dem Blick zu verlieren. Zur Erinnerung empfehle ich daher noch einen Artikel über eine Interessengruppe, die sich (wie zu erwarten) besonders engagiert in die Diskussion einbringt:

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/krauss-maffei-und-co-waffenfirmen-hoffen-auf-den-irak-13101469.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2

Doch genug der Worte, die uns nicht weiterbringen. Statt bloß zu reden, kümmern wir uns lieber um die

Konfliktlösung

Im Mittleren und Nahen Osten
gibt’s leider viel zu viele Pfosten
und Irre, die sich gehen lassen
und unsern schönen Westen hassen.

Die Menschen schießen, metzeln, morden,
allein, in Gruppen oder Horden,
und machen jeden Gegner platt,
der etwas zu entgegnen hat.

So gibt es dort seit Jahren Streit
und äußerst selten Dankbarkeit
für unsre Hilfe aus dem Westen.
Im Ganzen steht es nicht zum Besten.

Und weil sich die Gewalt nicht schickt,
versucht man lang schon den Konflikt –
vergeblich angesichts des Bösen –
mit allem, was man kennt, zu lösen.

Doch, wie man neuerdings verspricht,
ist eine Lösung jetzt in Sicht:
Man werde eine Menge Waffen,
die übrig sind, gen Osten schaffen!

Bald soll’n Gewehre und Granaten
in viele Hände dort geraten –
nur so gelingt es schließlich allen,
sich gegenseitig abzuknallen.

Denn wenn wir einmal ehrlich sind,
steht fest: Den Ost-Konflikt gewinnt
doch niemand mehr, drum ist es besser,
wir liefern alle dort ans Messer.

(Das „Messer“ ist hier nur ein Bild,
genauer wäre wohl: Man killt
zumeist in jener Ostregion
mit Sturmgewehr und Munition.)

Und ist das Waffenwerk vollbracht,
bleibt nur noch einer an der Macht
und hat den Kampf für sich entschieden:
der jahrelang ersehnte Frieden.

Übrigens – nur bedingt konfliktfrei werden die kommenden Kabarett-Auftritte ablaufen, die hier aufgelistet sind:
http://michael-feindler.de/termine/aktuell/