Carlo Karges im Porträt

Von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

„Hast du etwas Zeit für mich? Dann singe ich ein Lied für dich von 99 Luftballons auf ihrem Weg zum Horizont…“ 1983 traf Carlo Karges mit diesem Song, der die Neue-Deutsche-Welle-Band Nena an die Spitze der heimischen und internationalen Charts katapultierte, den Nerv der Zeit. Eine Erinnerung an den Gitarristen und Texdichter, der am 31. Juli seinen 70. Geburtstag begangen hätte.

WER SCHMETTERLINGE LACHEN HÖRT

Carlos Karges, geboren am 31. Juli 1951 in Hamburg, träumte schon als kleiner Junge von einer Musikerkarriere. Mit 20 wurde er Gitarrist und Keyboarder bei der Hippie-Band Novalis an, für die er das romantische Gedicht „Wer Schmetterlinge lachen hört, der weiß, wie Wolken schmecken“ schuf, das oft fälschlicherweise dem Dichter Novalis zugeschrieben wird, nachdem sich die Gruppe benannt hatte. Das Lied ist vergessen, die erste Zeile lebt heute als Kalender- und Wandtattoo-Spruch weiter. Nach einem kurzen Gastspiel bei der NDW-Band Extrabreit lernte er 1982 die Sängerin Susanne Gabriele Kerner, genannt Nena, kennen, die gerade dabei war, mit ihrem Freund, dem Schlagzeuger Rolf Brendel, eine neue Musikgruppe zu gründen und einen Gitarristen suchte.

99 LUFTBALLONS

Als die Rolling Stones am 8. Juni 1982 in Berlin ein Open Air-Konzert in der Waldbühne spielten, wurden am Ende der Show Tausende Luftballons in den Nachthimmel geschickt. Was wäre wohl, wenn die Luftballons in die DDR rüberfliegen würden? dachte sich Carlo Karges, einer der 22.000 Konzertbesucher. Könnten sie für atomar bestückte Flugojekte gehalten werden, die einen militärischer Gegenschlag zur Folge hätten? Er spann diese verrückte Idee weiter und textete einen Song, zu dem sein Bandkollege Uwe Fahrenkrog-Petersen die Musik komponierte. „Carlo, das ist das Beste, was du je geschrieben hast“, meinte Nena begeistert, obwohl es die Plattenfirma ganz anders sah. Es fehle der Refrain, es gäbe keine richtige Hookline. Und mitsingen könne man auch nicht. Was für ein Glück, dass sich Nena gegen die Plattenbosse durchsetzte.

IRGENDWIE, IRGENDWO, IRGENDWANN

Brendel schwärmt noch heute über seinen Freund und Bandkollegen: „Carlo war ein Rockpoet, der es verstand, Texte zu schreiben und Musik zu komponieren, die einen sofort mit auf eine Reise nehmen.“ Aus Carlos Feder flossen noch weitere erfolgreiche Songs: “Irgendwie, irgendwo, irgendwann”, aus dem die wunderbare Zeile „Liebe wird aus Mut gemacht“ stammt, “Rette mich” und Vollmond“. Nach fünf Jahren ging die beispiellose Erfolgsgeschichte zu Ende. Die Musiker waren ausgebrannt, das vierte Album lag bleischwer in den Regalen, die Band löste sich 1987 auf. Für Carlo begann eine unaufhaltsame Talfahrt. Wie hatte er es nur geschafft, in kürzester Zeit ein Millionenvermögen durchzubringen? „Nun, das ist ganz einfach. Man braucht nur einen ausgeprägten Hang zum süßen Leben, ausreichend Verschwendungssucht, ein übersteigertes Ego, wirtschaftliches Unvermögen und ein paar schlitzohrige Finanzberater“, so beschrieb es Rolf Bendel in dem Buch “Nena – Geschichte einer Band“. Dazu kamen auch noch immense Steuerschulden. Carlo versuchte, sich ein zweites Standbein neben der Musik zu schaffen. Aber auch das ging schief. Das Café Carlo, ein Musikcafé in Berlin, musste er nach einem Jahr wieder zusperren. Die Kundschaft war ausgeblieben, er selbst sein bester Gast geworden. Seine Band “Café Carlo” blieb ebenfalls erfolglos. Als die Plattenfirma Sony seine neuen Projekte ablehnte, schickte Karges erbost dem Chef ein Paket mit all seinen Gold- und Platinplatten, die er zuvor in Stücke gehackt hatte. Und dann zerkrachte er sich auch noch mit Nena.

ICH BIN DIE LIEBE

1994 zeigte der einstige Star aber noch einmal, was er konnte, schrieb nach seiner Versöhnung mit der Sängerin für ihr Soloalbum “Und alles dreht sich” zwei Titel („Vor deiner Tür“ und “Ich bin die Liebe“) und arbeitete 1996 als Texter am ZDF-Soundtrack-Album “Nena und die Bambusbären-Bande” mit. In den darauffolgenden Jahren kriegte er aber nichts mehr auf die Reihe. Er spielte bei unbedeutenden Bands und ertränkte seinen Frust im Alkohol. Am 30. Januar 2002 starb Carlo Karges im Alter von 51 Jahren in Hamburg an Leberkrebs und wurde im Urnenhain am Friedhof Ohlsdorf anonym beigesetzt. Am 31. Juli 2021 hätte Carlo seinen 70. Geburtstag gefeiert.
“Hab‘ ’nen Luftballon gefunden. Denk‘ an dich und lass‘ ihn fliegen…”

Fotonachweis: Die Fotos stammen aus dem Buch „Nena – Geschichte einer Band“ von Rolf Brendel, das Carlo Karges gewidmet ist. Das Porträtfoto hat Jim Rakete gemacht.

O du fröhliche… – Johannes Daniel Falk im Porträt

von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

„O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit! Welt ging verloren, Christ ist geboren: Freue, freue dich, o Christenheit!“ Es ist mittlerweile Tradition, dass ich im Dezember den Textdichter eines bekannten Weihnachtsliedes porträtiere. Heute: Johannes Daniel Falk.
Legende oder Wahrheit? Ein kleiner italienischer Flüchtlingsbub, der in den Wirren der Napoleonischen Kriege im Waisenhaus von Johannes Daniel Falk in Weimar Unterschlupf gefunden hatte, soll den Herbergsvater zu dem Lied „O du fröhliche“ inspiriert haben. Der Bub sang ein sizilianisches Marienlied, die Melodie blieb Falk im Ohr und er machte ein Weihnachtslied daraus. Der Wahrheit näher kommt wohl die Annahme, der Dichter hätte „O sanctissima, o purissima, dulcis virgo Maria“ in einer 1807 erschienenen zweiten Ausgabe von Gottfried Herders Sammlung „Stimmen der Völker in Liedern“ entdeckt und 1816 neu betextet.

Falk dachte praktisch. Er wollte ein Lied schreiben, das für alle drei Hauptfeste im Kirchenjahr, also für Weihnachten, Ostern und Pfingsten geeignet war. Ein Allerdreifeiertagslied, wie er es nannte. In einer späteren Bearbeitung 1826 von Heinrich Holzschuher wurde eines der meist gesungenen Weihnachtslieder daraus. Diesen Erfolg erlebte Falk allerdings nicht mehr. Er war bereits im Februar des Entstehungsjahres gestorben. Pikanterie am Rande: Die selbe Melodie wurde auch für ein Schlachtenlied verwendet. „Hör uns, Allmächtiger, hör uns, Allgütiger, himmlischer Führer der Schlachten“ – mit diesem Text des Schriftstellers Theodor Körner auf den Lippen zogen Soldaten in den Krieg.
Zurück zu Johannes Falk. 1768 in Weimar als Sohn eines Perückenmachers geboren, musste er schon als Zehnjähriger in der Werkstatt seines Vaters arbeiten. Ein Lehrer, der seine Begabung erkannte, gab ihm Privatunterricht. Dank der Fürsprache eines Pfarrers durfte er das Gymnasium besuchen und später Theologie studieren. Falk, bekannt als kritischer Geist, brach jedoch das Studium ab, um als Publizist zu arbeiten, wo er sich im Dunstkreis von Goethe, Herder und Wieland bewegte. Unter anderem machte er sich durch die Herausgabe des „Taschenbuchs für Freunde des Scherzes und der Satyre“ einen Namen.

Eine familiäre Tragödie – vier seiner Kinder starben an Typhus – war der Anlass, das sogenannte „Rettungshaus für verwahrloste Kinder“, zu gründen. Die Napoleonischen Kriege und die Völkerschlacht zu Leipzig hatten viele Kinder zu Waisen gemacht. Falk und seine Frau Caroline setzten mit ihrem außerordentlichem Engagement einen Meilenstein in der Jugendsozialarbeit.
Nicht nur ein Denkmal in Weimar erinnert an den großen Wohltäter. Zahlreiche soziale Einrichtungen tragen heute den Namen von Johannes Falk. Er fand auch einen Platz im Evangelischen Namenkalender, am 14. Februar, seinem Todestag. Und sogar ein Asteroid ist seit 2003 nach ihm benannt. 48480 – ein Stern, der seinen Namen trägt.

Thomas Franz und sein Malheur beim Friseur

Von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Der letzte Friseurbesuch endete letal. Nicht für Thomas Franz, sondern für seinen Figaro, der in seinem Salon Knall auf Fall erschossen wurde. Ob es ein unzufriedener Kunde war oder doch ein Mafioso, ist noch ungeklärt. Thomas glaubt eher an eine Mafiageschichte. Solche Bilder kriegt man nicht so schnell aus dem Kopf, aber nun hat er das Trauma auf einem Video und einem Song seiner neuen CD aufgearbeitet. „Zwischen Iro und Ironie!“, bringt es Musikerkollege Melvin Haak auf den Punkt. „Jetzt geht’s mir besser“, sagt der bayrische Liedermacher, der zur Zeit in München seinen Hausarrest absitzt und dabei den Haaren beim Wachsen zuschaut. „Jetzt geht’s mir besser“ hat er der Einfachheit halber auch die CD benannt.

ALLES EIN BISSCHEN DADA

Die skurrilen Texte bezeichnet Thomas als total konstruierte Kurzgeschichten, kurz TKKG, die er in einer Art Sprechgesang vorträgt, als depressiven bürgerlichen Hip Hop seine Musik. Alles ein bisschen Dada. So fragt er sich, wer im Raumschiff den Dreck wegmacht, beweint seinen Hamster, der im Meer ertrunken ist und die Folgen, wenn man einen Eisbecher per Post verschickt. Und das ganze mit der Attitüde eines sympathischen Losers, den man am liebsten sofort in den Arm nehmen würde, wären nicht Corona und seine Freundin dagegen. Neugierig geworden? Das Album kann man als Download überall kaufen (amazon, itunes, bandcamp etc). Die CD gibt es über bandcamp oder direkt über die Homepage von Thomas Franz. Einfach anschreiben und bestellen.

IRONISCH, TRAGIKOMISCH, ABSURD

„Meine Musik ist“, sagt Thomas, der kokett sein Alter verschweigt, „wahrscheinlich Ausdruck einer arg verspäteten Pubertät. Am besten treffen es vielleicht die Begriffe ironisch, tragikomisch und absurd. Ich freue mich immer, wenn mir was Abwegiges und Unerwartetes einfällt. Dann macht es mir auch selbst mehr Spaß, das Lied zu schreiben. Außerdem freue ich mich, wenn Leute sich nicht sicher sind, ob ich irgendetwas ernst meine oder nicht. Wahrscheinlich weil beides stimmt, also weil ein wahrer Kern drin ist, den ich dann aber künstlerisch verändert habe. Und ich freue mich, wenn Leute gleichzeitig gerührt sind und lachen. Weil meine eigenen Gefühle auch ambivalent sind.“
Die Musik ist minimalistisch. Thomas kommt mit zehn Gitarrengriffen aus und geht auch sparsam mit den Akkorden auf dem Keyboard um. Dass er nicht singen kann, hat er sich schon öfters sagen lassen müssen. Das hat ihn aber in keine Sinnkrise gestürzt. „Ist leider wahr. Von Quantenphysik verstehe ich übrigens auch nichts“, meint er lakonisch. Wenn ihm jemand sagt, er erinnere ihn an Helge Schneider, nimmt er das gern als Kompliment. „Früher wollte ich mal so werden wie Howe Gelb, ein amerikanischer Songwriter. Hier habe ich geschätzte Kolleginnen und Kollegen, wie Lennart Schilgen, Christoph Theussl, der Rockn Roll Diktator, Christian Gottschalk, aber nicht so Liedermacher als Vorbilder.“
2013 war er Stipendiat in der Celler Schule. „Dort habe ich gelernt, sauberer zu arbeiten, also mir am Ende das Lied noch einmal von außen anzuschauen und schlechte Reime und Satzverdreher herauszunehmen, weil es sonst kacke klingt. Und ich erinnere mich noch an die kreativen Partyspiele. Das war irgendwie wie im Landschulheim.“

ZWIEBACK FÜR DIE SEELE

Seit 15 Jahren pendelt Thomas zwischen Berlin und München, wenn nicht gerade die Corona-Maßnahmen dagegen sind. „München hat sich für mich immer wie zuhause angefühlt, obwohl alle Vorwürfe natürlich stimmen: es ist teuer, es ist schick, und die nicht so hohe Kultur führt ein Mauerblümchendasein – an einer Mauer, die vielleicht schon nächsten Monat eingerissen wird, und dann kommen da Büros hin oder Eigentumswohnungen.“ Regelmäßige Auftritte hat er im Vereinsheim Schwabing. In Berlin ist sein Lieblingsauftrittsort die Scheinbar. „Das ist ein kleines Varieté-Theater mit einer langen Tradition. Wenn gerade nicht Pandemie ist, kann man dort von Mittwoch bis Samstag auf die Offene Bühne springen. Leider geht es der Scheinbar nicht gut gerade, aus den allgemein bekannten Gründen. Ich hoffe, dass es sie noch lange gibt.“

AUF DER SUCHE NACH EINEM NEUEN FRISEUR

Und wie wurschtelt sich Thomas durch die Krise? „Ich komme schon klar, aber das Auftreten fehlt mir. Mein Solo-Konzertprogramm „Zwieback für die Seele“ wartet geduldig in der Schublade auf bessere Zeiten. Im September habe ich einen Songslam im Berliner Heimathafen gewonnen. Das war ein kleines Erfolgserlebnis für zwischendurch. Manchmal schaue ich mir Hamstervideos auf Youtube an und weine in meinen Zwieback. Die Haare sind mittlerweile nachgewachsen, ich müsste wieder mal zum Friseur. Halt zu einem neuen, weil der alte ist ja tot.“

Schlagerstern in Gold für den Fernando Express – und wie man aus Mangos einen Tango macht

2020 vergab Radio Schlagerrallye (www.schlager-rallye.de) bereits zum 16. Mal die Awards für die Titel, die in der sendereigenen Hitparade im gesamten Jahr am erfolgreichsten waren.

Mehr als 500 Songs wurden vorgestellt. Der begehrte Schlagerstern in Gold ging an Fernando Express für „Tango unter Palmen“ – in diesem Jahr leider ohne Preisverleihungsgala. Groß ist die Freude trotzdem – vor allem bei Bandleader Josef Eisenhut.

Ilona Boraud und Josef Eisenhut

Seine musikalische Idee hatte er ein gutes Jahr zuvor an Ilona Boraud geschickt, die schon die Ballade „Sternschnuppennacht“ getextet hatte (Musik: Christof Bergman). Die ExCellentin (Celler Schule 2015) schrieb zunächst über „Mangos unter Palmen“, doch Josef Eisenhut hatte die Idee – passend zu den „Königen der Tanzpaläste“, wie der Fernando Express auch genannt wird – daraus „Tango unter Palmen“ zu machen. Kurzerhand wurde umgetextet.
Und das hat sich gelohnt!

Übrigens stammt auch der Titelsong des Albums von einem Absolventen der Celler Schule: Alexander Scholz (Celler Schule 2013) Im August 2019 wurde „Tango unter Palmen“ vorab als Single ausgekoppelt und war in zahlreichen Hitparaden vertreten, darunter eben auch die Schlagerrallye, wo der Song viermal hintereinander Platz 1 belegte.

Dank seiner treuen Fans – und einem treffsicheren Blick für ihr Autorenteam – ist der Fernando Express auch über 35 Jahre nach Bandgründung aus dem Schlager nicht wegzudenken.
Das muss Heidi, Hans und Josef erst einmal jemand nachmachen!
Wir gratulieren!

 

ExCellent durch die Krise – Kreative Wege in Zeiten des Lockdown (Teil I )

Von Turid Müller

Was machen eigentlich die Absolvent*innen der Celler Schule jetzt, wo die Spielstädten geschlossen sind? – Weiter! Aber oft auf anderem Wege…

Mario Rembold

Mario Rembold, Celler Schule 2015, ist (im bürgerlichen Beruf) Wissenschaftsjournalist. Er betrachtet den Ausnahmezustand durch die Brillen seiner beiden Professionen, die auf unterschiedliche Weise vom Shutdown betroffen sind: „Mein Song Tausend Smileys und ein Herz entstand im heimischen Wohnzimmer (Wo sonst?). Was mach ich sonst so? Als Wissenschaftsjournalist schreibe ich und telefoniere auch schon mal mit Forschern. Da ich meist zuhause arbeite, ist das keine große Umstellung. Sorgen habe ich trotzdem, was meine Auftragslage in naher Zukunft betrifft. Vieles wird sich ja ändern, für jeden von uns. Erstmal ist wichtig, gesund zu bleiben und die Menschen um uns zu schützen.“

Aus professioneller Sicht aus der Welt der Wissenschaft hat er einen Wunsch: „Leider gibt es in den digitalen sozialen Netzen derzeit massenhaft selbsternannte Experten, die mit gefährlichem Halbwissen fragwürdige Thesen verbreiten und damit Klicks generieren. Als Wissenschaftsjournalist wünsche ich mir jetzt, dass wir ausnahmsweise mal alle auf die seriösen Stimmen hören.

Melvin Haack

Als Songschreiber und Bühnenbiologe will ich aber auch, dass wir dabei unseren Mut und Humor behalten. Momentan ist das Wichtigste: Meidet soziale Kontakte! Damit schützt ihr euch und eure Lieben. Aber hey: Ihr dürft trotzdem Spaß haben, mit Freunden videochatten, lustige Videos anschauen oder selber filmen. Seid kreativ oder fahrt einfach mal runter. Es gibt eine Welt nach SARS-CoV-2. Bis dahin lasst uns die Menschen um uns herum schützen, lasst uns gesund bleiben – damit es für all unsere Lieben auch ein Leben nach Corona gibt.“

Melvin Haack, Celler Schule 2016, ist in Wohlstandsquarantäne. Diese gibt ihm und seiner Band Schnaps im Silbersee aber ganz offenbar Zeit für neue Musikvideos.

Und da ist er nicht allein. Viele Kreative stehen statt auf der Bühne zurzeit im Netz.

Michael Krebs

So zum Beispiel auch Michael Krebs, Celler Schule 2003. Er hat einen Online-Channel live aus dem Wohnzimmer ins Leben gerufen, um in Kontakt mit seinem Publikum zu bleiben, und mich damit auf die Idee zu diesem Artikel gebracht. Er hat übrigens seit Neustem in einen Spuckschutz auf dem Flügel investiert. – Ich zitiere: „Irre, was man alles schafft, wenn mal mal gar nichts tut!“

Dagmar Schönleber, Celler schule 2018, ist in der Krise regelmäßige Gästin in der Geistershow vom Hoftheater Baienfurt, Samstags 20:15. Dort spielt sie das Lied der Woche zur Lage der Nation. Und sie war im WDR-Portal #weiterlachen zu sehen. Zur Frage, was sie von einem eigenen Live-Channel hält, sagt sie: „Ich selbst bin noch nicht live gegangen, werde das auch vorerst nicht tun, da ist dieses Überangebot und ich würde das jetzt auch nicht exzessiv betreiben wollen…“

Dagmar Schönleber (Foto: Ralf Bauer)

Stefan Noelle, Celler Schule 2009, sieht die neuen Blüten, die die Kulturszene in Corona-Zeiten im Internet treibt, kritisch: „Ich nutze die freiwerdende Zeit vor allem zum Üben. Mich zu verbessern, damit ich nach der Krise im Zweifel noch mehr gefragt bin, ist immer ein gutes Ziel. Zum Schreiben fehlte mir bis jetzt die Muße, denn Verschiebungen und Umbuchungen erfordern Zeit. Skeptisch bin ich gegenüber dem ganzen freien Content, der jetzt von uns Kreativen massiv ins Netz gedrückt wird. Ich halte das für eine gute Möglichkeit zur Klientelpflege, bezweifle aber stark, dass das tatsächlich eine dauerhafte wirtschaftliche Grundlage für ganz viele sein kann. Im Gegenteil befürchte ich da eher eine weitere Entwertung unserer Arbeit, wenn wir jetzt massenhaft zeigen, dass wir alle bereit sind, ohne Bezahlung schöne Sachen zu machen. Unser Publikum darf uns ruhig ein bisschen vermissen, oder? Dann will es uns danach um so mehr wiedersehen.“

Und ich (Celler Schule 2016, by the way)? Ich habe keine Lust, mich durch vermeintlich unbürokratische Anträge und dergleichen zu arbeiten. Und ebenso wenig möchte ich, dass die kreative Selbst- und Frendausbeutung nun online fortgesetzt wird (Stichwort „Honorar können wir leider nicht zahlen, wir zahlen ja schon das Kamera-Team…“). Lieber mache ich aus der Not eine Tugend und freue mich, endlich Zeit zu haben: Ich schreibe an meinen Musical-Projekten, und sitze an neuen Songs für mein Programm. Mein persönliches Experiment heißt „Crowdfunding„: Dieser Tage startet ein Blog, der meine virtuelle Bühne sein wird in dieser Zeit. Wer will, kann sich gratis inspirieren lassen. Wer möchte kann aber auch solidarisch sein und spenden. Wofür: Für neue Gedichte, Geschichten, Sprüche und Songs, die uns online durch die Tage der Isolation begleiten, und die hinterher auf die Bühne kommen. Dann, wenn es wieder geht. Und bis dahin gilt: #wirbleibenzuhause

 

 

Ernst Neubach im Porträt

Von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Ein Lied geht um die Welt… 1933 gelang dem Textdichter Ernst Neubach ein genialer Wurf. Er schuf gemeinsam mit dem Komponisten Hans May einen Jahrhundert-Hit, der den Tenor Joseph Schmidt unsterblich machte. Die Premiere des gleichnamigen UFA-Tonfilms fand am 9. Mai 1933, einen Tag vor der Bücherverbrennung, in Berlin statt. In der Übersetzung My Song Goes Round The World eroberten Lied und Film ein Jahr später den englischen Sprachraum. Heuer jährt sich der Geburtstag von Ernst Neubach, der in späteren Jahren auch eine beachtliche Karriere als Regisseur und Filmproduzent machte, zum 120. Mal. Grund genug, wieder einmal ganz tief ins Archiv zu tauchen.

ICH HAB’ MEIN HERZ IN HEIDELBERG VERLOREN

Ernst Neubach wurde am 3. Januar 1900 als Sohn des jüdischen k. u k. Eisenbahnbeamten Albert Neubach und dessen Frau Marie in Wien geboren. Er besuchte die Volks- und Bürgerschule sowie die Handelsakademie. Nach einem vierwöchigen Einsatz im 1. Weltkrieg im Frühjahr 1918 wurde er für untauglich erklärt und schlug sich als Plakatierer durch, ehe er seine ersten Kabarett- und Schlagertexte verfasste. Für das Singspiel Ich hab‘ mein Herz in Heidelberg verloren, das Fred Raymond (bürgerlich: Friedrich Raimund Vesely) 1927 komponierte, schrieb Neubach zusammen mit Fritz Löhner-Beda das Libretto und die Liedtexte. Das titelgebende Lied wurde ein Ohrwurm, von dem auch fast 100 Jahre danach noch die Heidelbergische Touristikwerbung profitiert. Der gleichnamige Film mit Adrian Hoven in der Hauptrolle folgte erst 1952.

HEUT’ IST DER SCHÖNSTE TAG IN MEINEM LEBEN

Neubach pendelte in den 1920er Jahren zwischen Berlin, Wien, München und Amsterdam und trat auch als Conferencier auf, u. a. im Wiener Simpl. Über seine Schlagertexte fand er Kontakt zum Tonfilm und schrieb seine ersten Drehbücher. 1932 lernte er den Tenor Joseph Schmidt kennen, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verbinden sollte. Nach Ein Lied geht um die Welt folgte 1936 der zweite Mega-Erfolg, Heut’ ist der schönste Tag in meinem Leben. In dem gleichnamigen Film unter der Regie von Richard Oswald spielte und sang Schmidt eine Doppelrolle, darunter auch das Lied Es wird im Leben dir mehr genommen als gegeben. Hans May und Ernst Neubach waren ein kongeniales Duo. Von ihnen stammen auch die Evergreens Ein Stern fällt vom Himmel undIn einer kleinen Konditorei.

DU BIST DAS SÜSSESTE MÄDEL DER WELT

Ein weiterer Schlager ist Nostalgikern bis heute im Ohr geblieben: Du bist das süßeste Mädel der Welt aus dem Film Liebeswalzer (Musik: Werner Richard Heymann).Ob Neubach sich beim Schreiben des Textes von seiner Frau Helene, einer ehemaligen Schönheitskönigin, hat inspirieren lassen? 1938 waren die beiden gezwungen, die Flucht vor den Nazis anzutreten. Auf abenteuerliche Weise kamen sie über die Schweiz nach Frankreich, wo sich Neubach für die Fremdenlegion verpflichtete. Das Kriegsende erlebte er in der Schweiz, seine Frau in Paris. Seine Erlebnisse sind in dem Buch Flugsand. Dokumentarischer Roman eines Heimatlosen festgehalten. Noch dramatischer verlief die Flucht seines älteren Bruders Robert, der Schauspieler und Theaterregisseur war. Er wurde ins KZ Auschwitz deportiert, wo er 1943 starb. Schwester Alice konnte mit ihrem Mann nach New York emigrieren.
Ab 1945 lebte Neubach wieder in Frankreich. Dort arbeitete er als Filmregisseur, Drehbuchautor und Produzent unter dem Namen Ernest Neuville und drehte u. a. mit Fernandel das Psychodrama Le signal rouge. Seine Ehe war mittlerweile zerbrochen. Nach der Scheidung heiratete er die Schweizerin Margarete Jenni und wurde Vater von Tochter Christine.

IM HIMMEL GIBT’S KEIN BIER

Anfang der 1950er Jahren gelang es Neubach, in Deutschland in der dortigen Filmszene Fuß fassen. 1958 gründete er in München die Neubach-Film GmbH und produzierte meist nicht sehr anspruchsvolle, aber kommerziell erfolgreiche Heimat- und Schlagerfilme. Das Publikum liebte die unbeschwerte Unterhaltung der Nachkriegsjahre, wie Die Wirtin von der Lahn, Ich hab’ mein Herz in Heidelberg verloren und Die Fischerin vom Bodensee boten. Aus letzterem Film stammt das Lied Im Himmel gibt’s kein Bier (Musik: Ralph Maria Siegel), zu dem auch heute noch in Bierzelten gern geschunkelt wird.
Mit dem Film Ein Lied geht um die Welt (Die Joseph Schmidt- Story) setzte er dem jüdischen Tenor, der 1942 an einem nicht erkannten Herzleiden in einem Schweizer Internierungslager im Alter von 38 Jahren starb, ein cineastisches Denkmal. Die Kritik lobte zwar die schauspielerische Glanzleistung von Hans Reiser in der Rolle von Schmidt, der finanzielle Erfolg hielt sich in Grenzen.
Apropos Ein Lied geht um die Welt: Dem Textdichterkollegen Kurt Feltz ging wohl der Refrain nicht aus dem Kopf und er wandelte bei der deutschen Übersetzung von Charlie Chaplins Lime Light Theme die ersten zwei Zeilen Ein Lied geht um die Welt, ein Lied, das euch gefällt ungeniert in Eine Melodie geht um die Welt, eine Melodie, die mir gefällt um. Neubach zog vor Gericht und gewann den Plagiatsprozess gegen Feltz.
Sperrbezirk
war 1966 die letzte Filmproduktion. Darin verewigte sich Ernst Neubach in einer kleinen Rolle. Zwei Jahre später, am 21. Mai 1968, starb er im Alter von 68 Jahren in München. Seine Grabstätte ist unbekannt.

Fred Weyrich Im Porträt

Von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Einmal um die ganze Welt und die Taschen voller Geld… sang 1972 der kürzlich verstorbene tschechische Sänger Karel Gott. Die Tschechoslowakei war damals noch hinter dem Eisernen Vorhang, Deutschland ein geteiltes Land und eine ungehinderte Ausreise für viele Menschen ein umöglicher Traum. Die Idee zu dieser Sehnsuchtshymne hatte der Textdichter Fred Weyrich. Er krempelte das Lied, das im tschechischen Original tatsächlich Hey, Hey, Baby heißt (Text: Jiri Stajdl, Musik: Karel Svoboda) komplett um und schenkte so Karel Gott einen seiner größten Hits in Deutschland.

EIN KLEINES HERZ UND EINE GROSSE LIEBE

Fred (eigentlich: Alfred) Weyrich wurde am 28. August 1921 in Tauberbischofsheim geboren. Wäre es nach seinem Vater gegangen, wäre er Zahnarzt geworden. Doch Fred zog es ans Theater. Er studierte, unterstützt von seiner Mutter, in Berlin Schauspiel, das er mit dem Examen abschloss. Die künstlerische Karriere musste kriegsbedingt warten. Weyrich wurde zum Wehrdienst einberufen und nach der Grundausbildung in der Truppenbetreuung eingesetzt. In Norwegen arbeitete er als Programmleiter und Moderator bei Radio Tromsö und leitete eine kleine Kapelle. Nach dem Krieg war er als Schauspieler und Kabarettist tätig, wurde Haussänger von Radio Hamburg und begleitete Lale Andersen mit seiner Band auf Tournee. 1950 nahm das Multitalent die ersten Platten auf, darunter Die Nacht ist voller Zärtlichkeit und Ein kleines Herz und eine große Liebe. 160 Platten sind es geworden, einige davon im Duett mit Rolf Simson unter dem Namen Fred und Rolf.

SEHNSUCHT – DAS LIED DER TAIGA

Ab den 1960er Jahren schrieb Weyrich Melodien und Texte für andere Künstler und startete seine Karriere als Musikproduzent. Er hatte eine ausgeprägte Spürnase für Talente. So wurden Nana Gualdi, Klaus Wunderlich mit seiner Hammond-Orgel, Edina Pop und Gunter Gabriel von ihm entdeckt. Der größte Fisch, den er an Land zog, war aber Alexandra. „Eine Entdeckung, die man nur einmal im Leben machen kann“, so O-Ton Fred Weyrich. Alexandra, bürgerlich
Doris Nefedov, die damals bei einem Verleger arbeitete, soll ihrem Chef nach einem Streit einen Papierkorb aufgesetzt haben. Der warf sie zwar hinaus, schwärmte aber dem Musikproduzenten vor: „Die hat auf unserem Betriebsfest so schön gesungen. Interessiert sie dich?“ Weyrich bestellte die temperamentvolle junge Dame zum Vorsingen und war von ihrer tiefen Stimme überaus begeistert. Schon nach einer halben Stunde bot er ihr einen Fünf-Jahres-Vertrag an. Bereits die erste gemeinsame LP katapultierte Alexandra – auch der Künstlername war Weyrichs Idee – in lichte Höhen. Wehmütige, auf Russisch getrimmte Lieder – diese Nische war auf dem Schlagermarkt der 1960er Jahre noch frei. Sehnsucht hielt sich ein halbes Jahr in den deutschen Hitlisten. Dabei hat Alexandra dieses Lied angeblich gehasst. „Es war für sie ein einfältiges Kinderlied, das sie nur ein einziges Mal und unter Tränen einsang“, vermerkte der Autor Marc Böttcher in seiner Biographie. Die Karriere, die so vielversprechend begonnen hatte, endete tragisch. Alexandra starb am 31. Juli 1969 bei einem Autounfall. Das Andenken an sie und ihr musikalisches Vermächtnis wird auch noch fünfzig Jahre nach ihrem Tod von dem Verein Alexandra-Freunde e.V. wachgehalten.

KASATSCHOK, KASATSCHOK, RAS, DWA, TRI…

Offensichtlich hatte Weyrich ein Schwäche für die russische Seele: Er produzierte zahlreiche Platten mit Ivan Rebroff, und als Boris Rubaschkin den Modetanz Kasatschok erfand, verfasste Weyrich einen Text zur Melodie. Für Dorthe schrieb der unermüdliche Textdichter Sind Sie der Graf von Luxemburg?, für France Gall Zwei Apfelsinen im Haar, die deutsche Übersetzung von La Banda, und für Karel Gott das eingangs zitierte Lied Einmal um die ganze Welt.

Fred Weyrich mit seiner Entdeckung Alexandra und seinem Texter-Kollegen Hans Blum (links)

Weitere prominente Namen auf der unvollständigen Künstlerliste: Heidi Brühl, Vico Torriani, Gerhard Wendland, Costa Cordalis, René Kollo, Nana Mouskouri, Hanne Haller, Hildegard Knef, Dunja Rajter, Wencke Myhre und Harald Juhnke. Für ihn machte Weyrich, der auch unter dem Pseudonym Fred Conta textete, aus Frank Sinatras Welt-Hit New York, New York eine Hymne an Berlin.
Auch in Radio und Fernsehen war der Alleskönner präsent. So produzierte er mit Peter Frankenfeld Peters Bastelstunde. Sein Talent hat er an seinen Sohn Pit Weyrich vererbt, der als erfolgreicher Kameramann, Regisseur und Moderator für das ZDF arbeitete. Weyrich sen. zog sich in den 1990er Jahren aus dem Show-Business zurück und tüftelte in Dießen am Ammersee an seinen Lebenserinnerungen. Am 30. Dezember 1999 starb er völlig unerwartet an einem Herzversagen. Die Memoiren blieben unvollendet.

Ralph Maria Siegel im Porträt

von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Auch in diesem Sommer konnte sich Capri vor Touristen nicht erwehren. Bis zu 45.000 Tagesgäste! Wer jetzt aber glaubt,das läge daran, dass dort Heidi Klum und Tom Kaulitz neulich in den Hafen der Ehe geschippert sind,der irrt. Der Mittelmeer-Tourismus wurde bereits Ende des 19. Jahrhunderts in Capri quasi „erfunden“. In 1950er Jahren entdeckte dann der internationale Jetset die Insel, ehe der deutsche Massentourismus auf sie überschwappte. Nicht ganz unschuldig daran ist der Textdichter und Komponist Ralph Maria Siegel, der mit dem Lied Capri-Fischer das Italo-Fieber entfachte und einen unsterblichen Evergreen schuf. Darauf ein Glas Chianti!

DER MANN IM FRACK

Ralph Maria (eigentlich: Rudolf) Siegel kam am 8. Juni 1911 in München als Sohn des Juristen und Komponisten Rudolf Siegel, einem Schüler von Engelbert Humperdinck, und dessen Frau Maria zur Welt. Schon früh zeigte sich sein musikalisches Talent. Nach dem Realgymnasium in Krefeld besuchte er das dortige Konservatorium und ging mit 16 Jahren zum Geigen- und Klavierstudium nach Rom und Florenz, wo seine italienische Großmutter lebte. Seinen Vornamen hatte er kurzerhand in Ralph Maria abgeändert. Das Kürzel RMS sollte später zu seinem Markenzeichen werden. Mit 18 Jahren wurde er in London Sekretär eines Kunsthändlers, der auch als Mäzen fungierte, als Siegel gemeinsam mit seinem Jugendfreund und späteren Textdichter-Kollegen Kurt Feltz die erste Operette, Der Mann im Frack, schuf, eine Jazz-Operette, die allerdings nicht dem Zeitgeist entsprach und gnadenlos verrissen wurde. Das tat aber Siegels Ambitionen keinen Abbruch. Er gründete eine eigene Tanzkapelle und schrieb Musik für weitere Operetten (Alles für Eva, 1933) und Spielfilme (Hilde und die vier PS, 1936). Das Handwerk hatte er bei dem österreichischen Komponisten Ernst Toch erlernt, nach Selbsteinschätzung der „vergessenste Komponist des 20. Jahrhunderts“.

JA, JA, DER CHIANTI-WEIN…

Als Siegel den Komponisten Gerhard Winkler traf, wechselte er die Seite und wurde Schlagertexter. Die Studienjahre in Italien machten sich nun bezahlt. Er bezauberte seine Landsleute mit Liedern wie O mia bella Napoli (1937) Ja, ja, der Chianti-Wein (1940) und Capri-Fischer (1943). Die Erstfassung sang Magda Hain, es folgte eine weitere Plattenaufnahme mit
Rudi Schuricke. Als im Oktober 1943 die Italiener den Deutschen den Krieg erklärten, war aber Schluss mit Vino und romantisch-verklärten Sonnenuntergängen. Aus dem Chianti wurde ein Tiroler Wein und über die Capri-Fischer ein Rundfunk-Boykott verhängt. Das Duo Winkler/Siegel musste deshalb bis nach Kriegsende auf den Erfolg warten.
In der Zwischenzeit debütierte Siegel, der auch ausgebildeter Tenor war, am Theater am Gärtnerplatz in München und verliebte sich in die Leipziger Operettendiva Ingeborg Döderlein, die er Sternchen nannte. Geheiratet wurde 1942, drei Jahre später kam Sohn Ralph zur Welt. Das Sprichwort Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm bewahrheitete sich bei den Siegels. Auch wenn der Junior lange im Schatten seines übermächtigen Vaters stand, wurde er einer der erfolgreichsten deutschen Schlagerkomponisten der Gegenwart. Mit dem Lied Ein bisschen Frieden, getextet von Bernd Meinunger und gesungen von Nicole, verhalf er 1982 Deutschland zu Grand-Prix-Ehren.

WENN BEI CAPRI DIE ROTE SONNE IM MEER VERSINKT

Nach dem Ende des 2. Weltkriegs verbreitete sich das Sehnsuchtslied der Capri-Fischer unaufhaltsam. Winkler und Siegel hatten den Nerv der Zeit getroffen. Die Aufnahmen mit Rudi Schuricke und Vico Torriani erreichten in den 1950er-Jahren Rekordumsätze in Millionenhöhe und verhalfen Capri zu einer Gratis-Fremdenverkehrswerbung erster Güte. Plötzlich waren die Deutschen reif für die Insel. Mode und Industrie sprangen ebenfalls auf den Zug auf. Die deutsche Modedesignerin Sonja de Lennart erfand die Capri-Hose, die Audrey Hepburn berühmt machte, die Autofirma Ford benannte ein Modell nach der Insel und ein Getränkehersteller packte die Capri-Sonne in Trinktüten. Viele Künstler – von Peter Kraus bis Max Raabe – nahmen den Schlager in ihr Repertoire auf. Mehr als eine Million Klicks auf Raabes Youtube-Video von bestätigen die ungebrochene Popularität des Liedes.

ICH HAB’ NOCH EINEN KOFFER IN BERLIN

Ein genialer Wurf gelang Siegel 1951 mit einem weiteren Lied Ich hab’ noch einen Koffer in Berlin. Hier war er allerdings als Komponist tätig. Den Text schrieb Aldo von Pinelli. Bully Buhlan sang die erste Schallplatten-Version, Marlene Dietrich und Hildegard Knef machten das Lied berühmt. Ich hab’ noch einen Koffer in Berlin heißt auch die Biographie, die der Wiener Autor Andi Zahradnik zum 100. Geburtstag von Ralph Maria Siegel und Ingeborg Döderlin 2011 verfasste. Das Leben aus dem Koffer kannte RMS nur zu gut. Er hatte 1948 einen höchst erfolgreichen Musikverlag gegründet, später das Platten-Label
Jupiter Records, war dauernd auf Achse und entdeckte viele Künstler, darunter den jungen Udo Jürgens als Komponisten. „Mein Vater schaffte es, dass Shirley Bassey ein Lied von Udo zu hören bekam, Reach For The Stars. Es wurde dessen erster Welterfolg“, schrieb Ralph Siegel in seinen Lebenserinnerungen. „Was Vater betraf: Er liebte Udo, aber dessen Karriereweg ging als Sänger weiter, und dann kamen andere Macher, Manager und Verleger ins Spiel“.
Mehr als 2500 Lieder schrieb Siegel, der auch die Pseudonyme Theo Hansen und Gustav Auerbach verwendete, im Laufe seines Lebens, darunter Auf meiner Ranch bin ich König für Peter Hinnen und Der Puppenspieler von Mexiko für Roberto Blanco, der deutschen Fassung von The young new Mexican puppeteer. Vor allem 1950er und 1960er-Jahren war es in Mode, internationale Erfolgsschlager ins Deutsche zu übertragen. Das kam dem sprachbegabten Siegel gerade recht. Für Connie Francis machte er aus Ev’rybody’s somebody’s fool Die Liebe ist ein seltsames Spiel, für Dalida übersetzte er J’attendrais (Komm zurück), für Charles Trenet La mer (Das Meer) für Edith Piaf La vie en rose (Schau mich bitte nicht so an) und für Renée Franke Les feuilles mortes (Der Schleier fiel von meinen Augen), um nur einige der bekanntesten Titel zu nennen. Siegel hielt sich fast nie an das Original. „Ich war immer bemüht, meinen Texten einen Sinn zu geben, sauber zu reimen, leicht verständlich zu sein und der Stimmung der Musik zu folgen“, beschrieb er seine Arbeitsweise. Mit dem Aufkommen der Beat-Musik Anfang der 1960er Jahre, mit der er nicht viel anfangen konnte, war die große Zeit des Schlagertexters vorbei. 1967 wollte RMS es noch einmal wissen und machte gemeinsam mit den Textdichter-Granden Robert Gilbert und Max Colpet aus der Verwechslungskomödie Charleys Tante ein Musical. Hauptdarsteller war Hans Clarin, die spätere Synchronstimme des Pumuckl. Der Erfolg war sensationell. Seine Heimatstadt München lag ihm zu Füßen. Im Deutschen Theater in München besuchten 70.000 Zuschauer die Vorstellungen.

„EINE KERZE, DIE AN BEIDEN ENDEN BRANNTE“

Als Verleger und Plattenproduzent war Siegel ein Workaholic, lange bevor dieses Wort erfunden wurde. Stress, viele Reisen und eine ausschweifende Lebensweise setzten dem schwergewichtigen Mann und dessen Gesundheit zu. Da halfen auch die eigenen Ratschläge in dem Buch Wer wiegt(wagt), gewinnt! – Eine kleine Fastenkur nichts. Die Leber rebellierte. Häufige Klinikaufenthalte waren die Folge. „Mein Vater hörte nicht auf seinen Körper. Er war wie eine Kerze, die an beiden Enden brannte“, notierte der Junior in seiner Biographie. „Er reiste stets mit zwei Taschen: die eine war voll mit Arbeitsunterlagen, die andere mit Medikamenten.“ Am 22. Juli 1972 kam der Zusammenbruch. Siegel wurde in ein Münchner Krankenhaus eingeliefert, wo er am 2. August 1972 an einem Organversagen starb. Mit knapp 61 Jahren. Ob er geahnt hatte, wie schlimm es um ihn stand? Drei Wochen vorher hatte er das Testament zugunsten seines Sohnes Ralph, der damals 27 Jahre alt war, geändert. Wie sehr der große RMS geliebt und geschätzt wurde, zeigte sich bei seinem Begräbnis. 5000 Menschen gaben ihm das Geleit, als er auf dem Münchner Nordfriedhof zu Grabe getragen wurde.

REALITY – ein neues Musical mit den Songtexten einer ExCELLEntin

Alle paar Jahre bringt der österreichische Musikveranstaltungsverein KlangKasten ein eigenes Musical auf die Bühne. Christina Priplata-Harand, Ex-Cellentin 2017, hat zum fünften Mal alle Songtexte dafür geschrieben.

#Reality heißt die aktuelle Show – und ja, wie am Titel zu erkennen ist, geht es um Beziehungen on- und offline. Rund um die Hochzeit von Lizzi und Julian zeigen Familie und Freunde des Brautpaars, wer sie wirklich sind.

Der KlangKasten hat seine Heimat in Kasten bei Böheimkirchen. Das wiederum liegt in der Nähe von St. Pölten.

Wer die weite Anreise schaut, findet die Songtexte hier

Und wer die Termine auf dem Foto nicht recht lesen kann, findet sie hier (einfach ein bisschen scrollen).

Die Premiere ist übrigens morgen, am 23. Mai!

Thomas Woitkewitsch wird 75 –
Alles Gute zum Geburtstag

von Edith Jeske

Wann wird’s mal wieder richtig Sommer? Keine Frage in einem Jahr wie diesem. Aber ein Lied, das nicht nur die ältere Generation auswendig drauf hat, sondern erstaunlich viele junge Leute auch. So viele kennen so vieles von dem, was Thomas Woitkewitsch getextet hat: Denken wir nur an Herman van Veen mit den Liedern, von denen wir fast nicht glauben mögen, dass ein anderer Mensch hinter seinen Texten steht. Nicht nur wir haben diese Lieder geliebt, als wir jung waren. Wir haben auch unsere Kinder damit großgezogen, mit dem zärtlichen Gefühl, dem kleinen Fratz auf dem Kinderrad mit dem Radweg, der schwarz glänzt wie Lakritz. Flitz…!
Thomas Woitkewitsch hat Musikgeschichte geschrieben. Und nicht nur Musikgeschichte. Fernsehgeschichte auch. Rudi Carrells laufendes Band hat er mit angeworfen, gestaltet und bis zur letzten Sendung mit Songs begleitet. Auch „Wetten, dass…?“ war eines seiner Kinder – wenngleich er nicht der einzige Vater war.

Und noch eines verdanken wir ihm: die große Liebe zwischen dem deutschen Publikum und einer gewissen britischen Komikertruppe namens Monty Python. Thomas war derjenige, der diese aberwitzigen Helden zu uns holte – gegen manche Vorbehalte und die Skepsis zuständiger Redakteure: Monty Python’s Flying Circus. Überdrehter britischer Humor, der Deutschland erobert hat. Auch dank Thomas.

Der berufliche Thomas Woitkewitsch war immer zugleich ein bisschen der private, der menschliche und der menschenliebende. Mitten in einer lärmenden Welt ein leiser Melancholiker, dessen Lieder oft einen Hauch Wehmut in sich tragen. Oder eine feine Weisheit, der man sich kaum entziehen kann. Dem Sänger Kalle Pohl auf den Leib schrieb er:

Mein kleiner Mann, musst nicht traurig sein.
Kommst nicht überall ran, aber überall rein.
Mein kleiner Mann, denk bei Spott und Hohn:
Dich macht keiner klein, denn du bists ja schon.

Die ganz kleine Geste beherrscht Thomas Woitkewitsch ebenso wie die ganz große. „Ich hab keine Angst“ sang Milva stimmgewaltig zu den monumentalen Klängen von Vangelis. „Hurra, wir leben noch“ blieb als Titelmelodie des gleichnamigen Films viel länger im Ohr als der Film auf der Leinwand.

Thomas Woitkewitsch legte sich selten mit anderen an, aber die sich zuweilen mit ihm. Als Milva mit „Zusammenleben“ in der Bundesrepublik aus allen Radiogeräten klang, wurde Thomas in der Zeitschrift EMMA als „Pascha des Monats“ abgewatscht. Wieso das? Es hieß im Lied: „Ich mag dich, weil du klug und zärtlich bist, und doch – das ist es nicht allein. Du zeigst mir immer, dass es möglich ist, ganz Frau und trotzdem frei zu sein“. Alice Schwarzer schäumte. Listig verwies Woitkewitsch auf eine andere Zeile im selben Lied: „Wer wird als Frau denn schon geboren – man wird zur Frau doch erst  gemacht.“ Ein Zitat von Simone de Beauvoir, womit er die streitbare Feministin dann wieder einfing.

Lieber Thomas,
auch ich als Frau habe mich damals über dieses Lied empört. Da war mir auch Simone de Beauvoir egal. Und das Lied ist eines meiner Feindbilder bis heute. Aber du kannst gemeinsam mit mir drüber lachen. Denn eines weißt du: Du bist einer dieser Handvoll Menschen, die mir in meinem Leben am meisten bedeuten. Es gab dich darin schon lange, bevor ich wusste, wie du aussiehst. Da war nur dieser Name, der fast immer dann auftauchte, wenn Texte mich besonders anrührten (ich habe schon immer die klein gedruckten Autorennamen auf den Plattencovern gelesen). Und als ich dann selber zu schreiben begann, wurden diese Texte von diesem unbekannten Mann mir einer meiner  Maßstäbe. Ich wollte es auf meine eigene Art tun, aber ich wollte Gefühle mit einer solchen Selbstverständlichkeit rüberbringen, wie du es kannst.
Und noch was (du weißt es, aber es kann nicht oft genug gesagt werden): Die Celler Schule und du. Den Namen verdankt sie dir. Und das herzwärmende Wort „Nestwerk“ für uns alle – nach 23 Jahren, von denen du uns schon 17 begleitest.
Und jedes Jahr wieder vergoldest du unseren vorletzten Seminartag, indem du uns mitnimmst auf eine Reise durch dein Leben und uns mit wonnevoll feuchten Augen in ein Gefühl eintauchen lässt, wie es uns nicht besser beschreiben könnte:

Vergiss nicht die Freunde!
Vieles, was nicht geht, das geht dann doch ganz glatt,
wenn man Freunde hat.

Du hast sie in uns. Und bist uns ein Freund. Danke dafür. Danke, lieber Thomas und alles Gute – und mögest du noch viele Jahre an unserer Seite bleiben.
Deine Edith – zusammen mit Tobi, Julia, Rainer und der Celler Schule.

Masha Potempa, Thomas Wotkewitsch, Camilla Elisabeth Bergmann, Sylvia die Unvollendete, Erich Sellheim

Und hier – stellvertretend für den ganzen großen Rest  – noch ein paar Grüße an dich:

Sommer 1975, Urlaub auf dem Bauernhof mit meinen Großeltern. Ich kann als Zehnjähriger den Carrell-Tonfall nachahmen, und singe wohl mehrmals täglich zur Belustigung aller: „Wir brauchten früher keine großen Reisen . . .“, auswendig konnte ich es sowieso. Als ich am Abschlussabend der Celler Schule 2009 dann stundenlang mit Dir sprach, lieber Thomas, erfüllte mich eine dermaßene Resonanz, dass mein Herz überlief. Der Wein tat sein Übriges. Mein Vater starb früh; meine Mutter ist, wie ich nun weiß, 10 Tage nach Dir geboren. Ich wünsche Dir Glück und Gesundheit, Du ferner Vater im Geiste! Alles Liebe,
Stefan Noelle (Celler Schule 2009)

 

Thomas, deine Texte sind genial!
Ich mag sie, weil sie klug und zärtlich sind –
und doch, das ist es nicht allein.
Du zeigst uns immer, dass es möglich ist,
ganz Mann und doch Poet zu sein.
Der Thomas ist der Texter des Jahrhunderts,
ein Celler-Schule-Absolvent h.c.!
Man singt begeistert mit und denkt: „Wen wundert’s?“
Und schuld daran ist nicht die SPD …
Daniel Nowak (Celler Schule 2015)

 

Lieber Thomas,
die Gesellschaft braucht Menschen mit Feingefühl und Feinsinn wie dich. Schön, dass es dich gibt! Schön, dass ich dich kennenlernen durfte!
Ilona Boraud (Celler Schule 2015)

 

Lieber Thomas,
ohne Dich und Deine herzerwärmenden Geschichten wäre die Celler Schule nur halb so schön. Und die bundesdeutsche Unterhaltungskunst um einige Perlen ärmer. Danke, dass Du uns so reich beschenkst und dabei so liebenswert und bescheiden geblieben bist.
Alles Liebe zu Deinem 75. Geburtstag! Möge es Törtchen und Konfetti regnen. Oder andere segensreiche Gaben Deiner Wahl.
Camilla Elisabeth Bergmann (Celler Schule 2013)

 

Wann wird’s mal wieder richtig Sommer
(auf die bekannte Melodie zu singen, aber in Moll!)
Gewidmet dem wunderbaren Thomas Woitkewitsch zum 75 Geburtstag.

Jens Ohrenblicker, (Celler Schule 2016)

Wir brauchten früher keine große Reise,
wir wurden nass in München und Berlin.
Doch heute hat das Klima echt ’ne Meise.
Man will am liebsten in die Arktis fliehn.

Ja früher gab’s an jedem Tag
zehn Wochen lang nur Niederschlag
und Gummistiefel lagen voll im Trend.
Und unterm Regenschirm zu zweit
vergaß man gerne mal die Zeit
und nie-mand musste fürchten, dass die Haut verbrennt.

Wann wird’s mal wieder richtig Sommer?
Ein Sommer, wie er früher einmal war?
Ja, mit Wolkenbruch von Bayern bis zur Nordsee
und nicht so heiß und so saharisch wie in diesem Jahr.

Und was wir da für Regengüsse hatten!
Die Eisverkäufer machten ständig frei.
Man brauchte keine Kühlung, keinen Schatten,
und Pollen flogen nicht einmal im Mai.

Der Regen klatschte ins Gesicht,
da brauchte man die Dusche nicht,
das Auto wurde sauber von allein.
Man tanzte durch die Pfützen wie
Gene Kelly, voller Energie.
Doch heut – heut schwitzt man selbst im T-Shirt wie ein Schwein.

REFRAIN

Der Winter war der Reinfall des Jahrhunderts.
Kein Schnee fiel in der ganzen Republik.
Mein Nachbar sagt: Das Klima hier, wen wundert’s!
Das liegt nur an der Flüchtlingspolitik.

Ich find, das geht ein bisschen weit
und bald ist wieder Erntezeit,
doch die wird mager, das ist, was uns droht.
Was nützen Reichtum, Macht und Geld,
wenn wochenlang kein Regen fällt,
denn wir, wir sitzen alle doch im selben Boot.
REFRAIN

Nils Nobach im Porträt

Von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Der Wilde Westen war in den 1960er Jahren dank TV-Serien wie Bonanza ein Sehnsuchtsort für das deutsche Fernsehpublikum beiderlei Geschlechts. Dass in dieser Zeit auf dem heimischen Heiratsmarkt der Wunsch nach Cowboys stieg, lag aber auch an einem Schlager, mit dem 1963 eine 17-jährige Dänin namens Gitte (Nachname: Haenning) ihre Karriere in Deutschland startete: Ich will ’nen Cowboy als Mann. Geschrieben hat den Text zu diesem Millionen-Hit der Schlagerproduzent, Komponist und
Texter Nils Nobach unter dem Pseudonym Peter Ström (Musik: Rudi von der Dovenmühle alias Rudi Lindt). Am 31. Juli 2018 jährt sich sein Geburtstag zum 100. Mal. Ein guter Grund, die Scheinwerfer auf ihn und sein Lebenswerk zu richten.

WAS IST SWING?

Nils Nobach wurde am 31. Juli 1918 als Sohn von Paul Nobach und Martha Niekrenz in Neustrelitz in Mecklenburg geboren und wuchs dort zuerst bei den Großeltern mütterlicherseits auf, die eine Gärtnerei besaßen, später in Schweden, wo sein Vater eine Arbeit gefunden hatte. Als dieser 1928 eine Stelle beim Hamburger Zoll bekam, erfolgte die Rückkehr der Familie nach Deutschland. Schon bald entdeckte Nils die Liebe zur Musik und lernte Schlagzeug und Klavier zu spielen. Er absolvierte eine kaufmänni-sche Lehre, ging dann aber zum Theater. Ab 1939 war er als Schauspieler am Hamburger Schauspielhaus engagiert, danach in Cottbus. Seine riesige Plattensammlung ermöglichte dem Musikliebhaber, nach dem Krieg vier Jahre lang als Radiomoderator beim NWDR Hamburg zu arbeiten, wo er eine eigene Sendung unter dem Titel Was ist Swing? betreute. Da wurde ihm klar: Er wollte selbst Musik produzieren. Dabei hatte Nobach das Glück, das Musikgeschäft bei den großen Produzenten ihrer Zeit, Gerhard Mendelson und Herbert Grenzebach von der Pike auf zu erlernen und für namhafte Plattenfirmen wie Austrophon, Teldec, Electrola und Ariola zu arbeiten.

WENN MADEMOISELLE DICH KÜSST

Nobach war ein wahrer Talente-Scout. Er entdeckte 1950 die belgische Sängerin Angèle Durand in einem Kabarett in Hamburg und produzierte mit ihr das Lied Wenn Mademoiselle dich küsst, eine Übersetzung von Sous le ciel de Paris von Edith Piaf. Zum Plattenvertrag gab es etwas später als Draufgabe einen Ehering. Zu diesem Zeitpunkt hatte Nobach schon zwei Ehen hinter sich.

Den richtigen Riecher hatte er auch für Wolfgang Sauer (Glaube mir), Bibi Johns (Bella Bambinella) und Paul Kuhn, der im Grunde seines Herzens ein Jazzer war (Der Mann am Klavier). Für die Nilsen Brothers (einer des Trios, Pepe Ederer, ist der Bruder der Textdichterin Irma Holder) stand er nicht nur mit seinem Namen Pate. Mit ihnen produzierte er die deutsche Fassung von Tom Dooley. Weitere prominente Namen auf seiner Produzentenliste: Fred Bertelmann, Rex Gildo, Adamo, Thomas Fritsch, Lou van Burg, Marlene Dietrich, Dalida und Zarah Leander und – man lese und staune – Sophia Loren.

ICH WILL ’NEN COWBOY ALS MANN

In den 1950er Jahren waren Schlagermusikfilme der große Renner. Nils Nobach beließ es deshalb nicht nur beim Produzieren, er begann zu texten und zu komponieren, wobei er vielfach mit dem Wiener Komponisten Charly Niessen zusammenarbeitete. Filme mit blumigen Titeln wie Almenrausch und Edelweiß oder Die Zwillinge vom Zillertal sind heute in Vergessenheit geraten, manche Lieder wurden jedoch zu Ohrwürmern. Aus dem Film Das blaue Meer und du stammt das Duett von Chris Howland und Fred Bertelmann Der Dumme im Leben ist immer der Mann. In dem Film Wenn die Conny mit dem Peter schrieb er für die damaligen Jugendidole Conny Froboess und Peter Kraus die Teenager-Melodie. In dem Film Schlagerparade 1960 waren die Nilsen Brothers und Angèle Durand Die Cowboys von der Silver Ranch.

Insgesamt verfasste Nils Nobach 571 Musikstücke, darunter auch viele Schlager – meist unter dem Pseudonym Peter Ström oder Lambert Fleming. Bereits sein erstes Lied Ach, sag doch nicht immer wieder Dicker zu mir, gesungen von Hans Arno Simon, wurde ein Gassenhauer. Unvergessen ist auch der Schlager Fräulein bei dem der Engländer Chris Howland an der richtigen Aussprache des Zwielautes charmant scheiterte. Für Conny Froboess und Peter Kraus übersetzte Nobach den Hit von Paul Anka, Diana, ins Deutsche, für Cliff Richard machte er aus dem Eurovisions-Song Congratulations kurzerhand Man gratuliert mir. Seinen wohl größten Coup landete der erfolgreiche Texter aber mit Ich will ’nen Cowboy als Mann. Das Lied wurde in mehrere Sprachen übersetzt und fehlt auch heute auf keiner Gute-Laune-Compilation der Sechziger Jahre. Wencke Myhre, die mit Sprich nicht drüber ebenfalls einen Hit erzielte, sang die norwegische Version.

HIMMLISCHE ZEITEN

1968 traf Nils Nobach in einem Kölner Kabarett Maike Bergen, eine junge Sängerin und Tänzerin aus Surinam (bis 1975 eine niederländische Kolonie im Norden Südamerikas) und war sofort von ihrem exotischen Charme ver-zaubert. Mit ihr schien er endlich das private Glück gefunden zu haben. Er heiratete sie 1971 und erlebte mit den Töchtern Nuria (geboren 1975) und Nadine (geboren 1977) späte Vaterfreuden. Die letzte Plattenveröffent-lichung, Regen fiel auf Santorin, mit dem Schlagersternchen Alina, die ebenfalls 1977 erschien, wurde hingegen ein Flop. Im selben Jahr zog sich Nobach aus dem Musikbusiness zurück und übersiedelte mit seiner Familie auf die Kanareninsel La Palma. Das Glück war allerdings nur von kurzer Dauer. Nils Nobach starb am 28. Mai 1985 im Alter von 66 Jahren an Lungenkrebs. Er fand auf La Palma seine letzte Ruhestätte.

Die Erinnerung an den Ehemann und Vater ist noch immer lebendig. „Er war ein sehr sorgsamer Papa, der immer für uns da war, wenn wir uns brauchten“, sagt Nadja. Und Nuria erinnert sich: „Er las uns Gute-Nacht-Geschichten vor, und wenn wir Disney-Filme anschauten, lachte er, bis ihm die Tränen kamen. Und Geschichten aus seiner eigenen Kindheit hat er uns auch oft erzählt. Er liebte Blumen, besonders Rosen und Geranien.“ Auch Maike Nobach-Bergen, die heute, so wie ihre Töchter und vier Enkelkinder in der Nähe von Amsterdam lebt, hält mit viel Herzblut das Andenken ihres Ehemannes hoch. Sie verfasste eine sehr persönliche Biografie unter dem Titel Die himmlischen Zeiten des Nils Nobach: Erinnerungen an einen großen Musikproduzenten und pflegt eine Erinnerungsseite auf Facebook.

 

 

 

 

 

Blog-Buster. Neue Redakteurin stellt sich vor

Seit einigen Monaten steht über den Blogbeiträgen des Öfteren ein neuer Name: Turid Müller. Das bin ich. 

Seit Herbst letzten Jahres bin ich im Team und habe die Freude, für Euch über Neuigkeiten aus dem Musikbusiness und dem Umfeld der Celler Schule zu berichten. Höchste Zeit, hallo zu sagen!

Moin moin aus Hamburg! Ich bin ExCellentin des Jahrgangs 2016. Direkt nach diesen (Schlaf-ärmsten wie Inspirations-reichsten Wochen meines bisherigen Lebens) bin ich mit meiner ersten eigenen Show durchgestartet: Die Teilzeitrebellin heißt das Musikkabarett- und Chanson-Programm, das ich zusammen mit meinem Pianisten Stephan Sieveking und gut gepampert von NestWerk wie Musenmuddi aus der Taufe gehoben habe.

Fotograf: Torge Niemann

Was ich singe? PolitChansons und SeelenBalsam – von satirisch bis sensibel ist alles dabei. Dabei geht’s durch viele verschiedene Genres von Pop bis zum klassischen Chanson. Zwischendurch plaudere ich aus dem Nähkästchen meiner Erfahrungen als Psychologin, die mir einen sehr speziellen Blick auf die Welt ermöglichen…

Die Celler Schule war der Startschuss, der mir lange gefehlt hatte. Und ich freue mich unbändig, jetzt meiner Berufung zu folgen und weiter mit diesem einzigartigen Netzwerk verwoben zu sein – auch durch diesen Blog. Eure Erlebnisse und Erfolge schreibend begleiten zu können, macht mir wahnsinnig viel Spaß. Und ich bin gespannt, welche Geschichten noch auf uns warten!

Wenn es etwas gibt, das Ihr für erzählenswert haltet, meldet Euch gern jederzeit bei mir! Ganz gleich, ob es dabei um Euch und Eure Projekte geht oder um etwas anderes – lasst es uns wissen!

Ich freue mich, Euch kennen zu lernen, und lade Euch hiermit ganz herzlich ein, mal vorbeizuschauen. Unter den nächsten Gelegenheiten sind zum Beispiel diese:

  • 16.03. Stollwerck Köln
  • 08.04. Sprechwerk Hamburg
  • 12.04. Das Kult Braunschweig
  • 13.04. Schauspielhaus Bergneustadt
  • 18.05. Theater O-Tonart Berlin

Also dann…

Bis ganz bald hoffentlich. – Auf einen Plausch im Foyer, in Eurer Mail an mich oder hier im Blog beim nächsten Artikel.

Turid