Thomas Franz und sein Malheur beim Friseur

Von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Der letzte Friseurbesuch endete letal. Nicht für Thomas Franz, sondern für seinen Figaro, der in seinem Salon Knall auf Fall erschossen wurde. Ob es ein unzufriedener Kunde war oder doch ein Mafioso, ist noch ungeklärt. Thomas glaubt eher an eine Mafiageschichte. Solche Bilder kriegt man nicht so schnell aus dem Kopf, aber nun hat er das Trauma auf einem Video und einem Song seiner neuen CD aufgearbeitet. „Zwischen Iro und Ironie!“, bringt es Musikerkollege Melvin Haak auf den Punkt. „Jetzt geht’s mir besser“, sagt der bayrische Liedermacher, der zur Zeit in München seinen Hausarrest absitzt und dabei den Haaren beim Wachsen zuschaut. „Jetzt geht’s mir besser“ hat er der Einfachheit halber auch die CD benannt.

ALLES EIN BISSCHEN DADA

Die skurrilen Texte bezeichnet Thomas als total konstruierte Kurzgeschichten, kurz TKKG, die er in einer Art Sprechgesang vorträgt, als depressiven bürgerlichen Hip Hop seine Musik. Alles ein bisschen Dada. So fragt er sich, wer im Raumschiff den Dreck wegmacht, beweint seinen Hamster, der im Meer ertrunken ist und die Folgen, wenn man einen Eisbecher per Post verschickt. Und das ganze mit der Attitüde eines sympathischen Losers, den man am liebsten sofort in den Arm nehmen würde, wären nicht Corona und seine Freundin dagegen. Neugierig geworden? Das Album kann man als Download überall kaufen (amazon, itunes, bandcamp etc). Die CD gibt es über bandcamp oder direkt über die Homepage von Thomas Franz. Einfach anschreiben und bestellen.

IRONISCH, TRAGIKOMISCH, ABSURD

„Meine Musik ist“, sagt Thomas, der kokett sein Alter verschweigt, „wahrscheinlich Ausdruck einer arg verspäteten Pubertät. Am besten treffen es vielleicht die Begriffe ironisch, tragikomisch und absurd. Ich freue mich immer, wenn mir was Abwegiges und Unerwartetes einfällt. Dann macht es mir auch selbst mehr Spaß, das Lied zu schreiben. Außerdem freue ich mich, wenn Leute sich nicht sicher sind, ob ich irgendetwas ernst meine oder nicht. Wahrscheinlich weil beides stimmt, also weil ein wahrer Kern drin ist, den ich dann aber künstlerisch verändert habe. Und ich freue mich, wenn Leute gleichzeitig gerührt sind und lachen. Weil meine eigenen Gefühle auch ambivalent sind.“
Die Musik ist minimalistisch. Thomas kommt mit zehn Gitarrengriffen aus und geht auch sparsam mit den Akkorden auf dem Keyboard um. Dass er nicht singen kann, hat er sich schon öfters sagen lassen müssen. Das hat ihn aber in keine Sinnkrise gestürzt. „Ist leider wahr. Von Quantenphysik verstehe ich übrigens auch nichts“, meint er lakonisch. Wenn ihm jemand sagt, er erinnere ihn an Helge Schneider, nimmt er das gern als Kompliment. „Früher wollte ich mal so werden wie Howe Gelb, ein amerikanischer Songwriter. Hier habe ich geschätzte Kolleginnen und Kollegen, wie Lennart Schilgen, Christoph Theussl, der Rockn Roll Diktator, Christian Gottschalk, aber nicht so Liedermacher als Vorbilder.“
2013 war er Stipendiat in der Celler Schule. „Dort habe ich gelernt, sauberer zu arbeiten, also mir am Ende das Lied noch einmal von außen anzuschauen und schlechte Reime und Satzverdreher herauszunehmen, weil es sonst kacke klingt. Und ich erinnere mich noch an die kreativen Partyspiele. Das war irgendwie wie im Landschulheim.“

ZWIEBACK FÜR DIE SEELE

Seit 15 Jahren pendelt Thomas zwischen Berlin und München, wenn nicht gerade die Corona-Maßnahmen dagegen sind. „München hat sich für mich immer wie zuhause angefühlt, obwohl alle Vorwürfe natürlich stimmen: es ist teuer, es ist schick, und die nicht so hohe Kultur führt ein Mauerblümchendasein – an einer Mauer, die vielleicht schon nächsten Monat eingerissen wird, und dann kommen da Büros hin oder Eigentumswohnungen.“ Regelmäßige Auftritte hat er im Vereinsheim Schwabing. In Berlin ist sein Lieblingsauftrittsort die Scheinbar. „Das ist ein kleines Varieté-Theater mit einer langen Tradition. Wenn gerade nicht Pandemie ist, kann man dort von Mittwoch bis Samstag auf die Offene Bühne springen. Leider geht es der Scheinbar nicht gut gerade, aus den allgemein bekannten Gründen. Ich hoffe, dass es sie noch lange gibt.“

AUF DER SUCHE NACH EINEM NEUEN FRISEUR

Und wie wurschtelt sich Thomas durch die Krise? „Ich komme schon klar, aber das Auftreten fehlt mir. Mein Solo-Konzertprogramm „Zwieback für die Seele“ wartet geduldig in der Schublade auf bessere Zeiten. Im September habe ich einen Songslam im Berliner Heimathafen gewonnen. Das war ein kleines Erfolgserlebnis für zwischendurch. Manchmal schaue ich mir Hamstervideos auf Youtube an und weine in meinen Zwieback. Die Haare sind mittlerweile nachgewachsen, ich müsste wieder mal zum Friseur. Halt zu einem neuen, weil der alte ist ja tot.“

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