ExCellent durch die Krise (Weihnachts-Special)

Von Turid Müller

Der Lockdown wurde jüngst verschärft. Die Weihnachtsshows sind ausgefallen. Das Fest wird dieses Jahr wohl etwas anders als gewohnt. Die Corona-Lage ist düster. – Was macht die Kultur in dieser dunklen Jahreszeit?

Lennart Schilgen (Foto: Marcel Brell)

Ja, was macht die Kultur? – WEITER! Und vor allem: Niemals aufgeben! Mit allen Mitteln, die ihr zur Verfügung stehen – vom digitalen Adventskalender bis zum satirisches Weihnachtsvermarktungs-Boykott.

Lennart Schilgen (Celle 2011):“Weihnachten ist für mich die Zeit der inneren Zerrissenheit: Den Kapitalismus verfluchen oder friedlich konsumieren? Künstlerisch integer bleiben oder zwecks Selbstvermarktung auf den Zug aufspringen? Dieses Jahr habe ich das zum Anlass genommen, mich auf meine (wenig bekannte) Punk-Vergangenheit zurückzubesinnen. Und mein Management zu grüßen.“
Was daraus geworden ist? Dieses Video! – Und natürlich die subtil darin versteckte Aufforderung, seine CD zu erwerben

 

Katie Freudenschuss

Ebenfalls nicht ohne Augenzwinkern – sondern irgendwo zwischen satirisch und emotional – verarbeitet Katie Freudenschuss (Celler Schule 2008) das Weihnachtsfest im Corona-Jahr. Mit ihrer Christmas-Single COVID-JAHR (in excelsis deo). Die kann man natürlich auch kaufen… Just saying…

 

Um Corona geht es auch im neuen Song von Kasalla, der Kölner Mundart-Band von Florian Peil (Celle 2005): „Eigentlich wollten wir keinen Song über Corona machen, weil es so offensichtlich ist, dass da jetzt alle drüber schreiben… Aber diese Krise ist so allumfassend, dass es gerade irgendwie gar nicht anders ging, weil nach acht Monaten Stillstand irgendwann nichts anderes mehr ein Thema ist, und das fließt natürlich auch in die kreative Arbeit mit ein.

Florian Peil & Kasalla (Foto: Ben Wolf)

Wir haben den Song aber textlich offen gehalten, so dass er im Prinzip zu jeder Krise passt, und nicht nur zur Corona-Krise. Beim Video haben wir allerdings dann konkret Bezug auf das Thema genommen. Es war gar nicht so einfach, in den jetzigen Zeiten so ein Video zu realisieren, und weil das Budget sehr klein war und wir natürlich auch Corona-konform drehen mussten.“

 

Mitten im Sturm und unter schwierigsten Drehbedingungen trotzt auch eine weihnachtliche Familientradition der Krise: Isabel Arnold (Celler Schule 2019) Alias HüperBel produziert mit ihrer Familie jedes Jahr ein Weihnachtsvideo. Just for fun. Und dieses Jahr geht es darin um die Wurst – nämlich um die Weihnachtswurst. Das kommt von Fachleuten – Isabels Familie lebt in Thüringen… Isabel selbst wohnt allerdings inzwischen in Dänemark. Die Video-Produktion unter Corona-Bedingungen war also ganz schön herausfordernd. Nämlich aus der Ferne. Und das bedeutete für ihre Eltern: High Tech lernen:

Isabel Arnold & Family

„Eigentlich hätte ich wie jedes Jahr am ersten Adventswochenende beim Bachadvent in meiner Heimatstadt Arnstadt auftreten sollen – im Keller meiner Eltern. Das klingt jetzt ungemütlicher als es ist – sie wohnen in einem historischen Haus mit großem Gewölbekeller. An diesem Wochenende bringe ich normalerweise neues Material mit – und den Drehplan für unser Weihnachtsvideo. Dieses Video hat sich zu einer liebgewonnenen Tradition entwickelt, bei der meine Eltern und meine Schwester für fast jeden Quatsch zu haben sind. Dieses Mal mussten aber alle für sich ihre Zeilen einsingen und ihre Szenen drehen. Das hat dazu geführt, dass mein Papa mit 66 seinen ersten wetransfer verschickt hat. Und das Ergebnis kann sich sehen lassen, finde ich. Es tröstet ein ganz klein wenig darüber hinweg, dass ich zum erstem Mal in meinem Leben Heiligabend ohne sie verbringen muss. Aber die Skype-Schaltung zu ihnen und der Oma ist bereit. Auf dass es nächstes Jahr wieder persönlich geht.“

 

Turid Müller (Foto: Torge Niemann)

Auch ich (Celler Schule 2016) fröne alle Jahre wieder meiner persönlichen Weihnachtstradition: Jedes Jahr gibt es einen satirischen Weihnachtsgruß. Diesmal ist es ein Gedicht. Es war gar nicht so ohne aus dem harten Tobak diesen Jahres etwas Locker-Leichtes zu zaubern. Ich hoffe, es ist mir geglückt? – Überzeugt Euch selbst!
Ich sag schon mal:
Trotz allem: Frohe Feiertage! Und ein glückliches und gesundes neues Jahr!

Feindlers Monatsgedicht: Gemeinsamer Nenner

Turid Müller

Corona beschäftigt Michael Feindler nicht nur auf der Tour, sondern auch am Schreibtisch. Sein aktuelles Gedicht greift auf, was Kultur-Szene und Gesellschaft gerade umtreibt und findet den kleinsten gemeinsamen Nenner.

Nach der langen Spielpause freut sich der Kabarettist, so erfährt man beim Lesen seines Newsletters, „wieder auf einzelnen Bühnen vor Publikum auftreten zu dürfen“. Um „Diskussionen über Details in der Ausarbeitung“ der diversen Hygiene-Konzepte der Spielstätten zuvorzukommen, hat er sich mit seinem traditionellen Monatsgedicht zu Wort gemeldet:

 

Gemeinsamer Nenner

Selbst wenn ich gerne mal die Farbe änder
und jemand anderes das Mat’rial,
so sind wir uns – bei aller freien Wahl –
in einem einig: Uns ist ein Geländer
an einer Schlucht auf keinen Fall egal.

Feindler schließt vorsichtig optimistisch: „Aber auch ein „Geländer“ kann bekanntlich keine hundertprozentige Sicherheit bieten, weshalb ich es mir nicht anmaßen würde, die Teilnahme an Kulturveranstaltungen aktuell als gesundheitlich völlig bedenkenlos zu bezeichnen. Doch wie gesagt: Alle Beteiligten geben ihr Bestes, um sich der Unbedenklichkeit zumindest ein wenig anzunähern.“ Na dann: Nix wie hin!

Viel wäre gewonnen, wenn wir uns nicht nur im Theaterhaus, sondern auch gesamtgesellschaftlich auf diesen gemeinsamen Nenner einigen könnten.

 

UPPS TOT! – Mörderische Kurzgeschichten von Jutta Wilbertz

Von Turid Müller

Das gleichnamige Bühnenprogramm spielt sie schon seit einer ganzen Weile. Das Buch zum Programm ist gerade frisch erschienen. Beides stammt aus der Feder von Jutta Wilbertz (Celle 2011), der Krimi-Spezialistin in Lied und Wort. 

„Hurra, es ist soweit! Ab sofort ist meine Kurzkrimisammlung „Upps-tot! Kurzkrimis & böse Songs“ überall im Buchhandel!“, freut sich die Autorin und Chansonnette in ihrem jüngsten Newsletter. „Es ist ein tolles Gefühl, das fertige Buch in den Händen zu halten … und nun hoffe ich natürlich, dass es seinen Weg macht und sich tapfer eine Bresche in die Welt des Büchermarktes schlägt.“ Als E-Book ist es übrigens auch erhältlich – in den ersten Wochen noch zum Vorzugspreis. Wer es dreidimensionaler mag kann ab November ihre ‚Krimi- & Songs‘-Lesungen besuchen und es im Anschluss persönlich erwerben. Das Buch ist etwas ganz Besonderes: Bisher hat sie ihre witzig-bösen Kurzkrimis in zahlreichen Anthologien diverser Verlage veröffentlicht. Nun aber hat sie erstmalig ihre besten, teilweise preisgekrönten Kurzkrimis in einem einzigen Band gebündelt und herausgebracht. „Und da ich so oft nach meinen mörderischen Songtexten gefragt werde, habe ich die einfach auch noch dazu gepackt. Also das ideale Buch fürs ‚Zwischendurch-mal-Krimi- schmökern-während-ich-auf-die-Bahn-warte-oder-in-der-Wanne-liege'“, empfiehlt sie.
Klappentext:  „Ach, es ist so schnell passiert: Ein Spaziergang entlang der Klippen … ein Segeltörn im Haifischgebiet … eine Rangelei unter Freunden… manchmal reicht eben ein kleiner Schubs: UPPS! Gemordet wird immer – ob im Urlaub oder Alltag, auf vielfältige Art und Weise!“
Der knackige Titel ist übrigens ein Produkt der Celler Schwarmintelligenz, erzählt die ExCellentin: Er ist auf einem Jour Fixe entstanden. Das Buch ist ein Konglomerat ihres „kriminellen Schaffens“ – angefangen mit ihrem allerersten Krimi von 2004.
Der 2. Band ist schon in Planung. Für Ende 2021. Eine Vorankündigung gibt es bereits: Hinten im Buch.

Auch auf der Bühne gibt es Neuigkeiten: Ab nächstes Jahr geht sie in Zusammenarbeit mit einer anderen Musikkabarettistin ein neues Programm an. – Dazu bald mehr… Augenblicklich jedoch schreibt sie an ihrem ersten Kriminal-Roman. Heute ist sie auf Seite 250. Im Kopf und auf dem Storyboard ist die Geschichte schon fertig. Jetzt muss das Ende nur noch geschrieben werden.
Corona hin oder her, die Kleinkünstlerin geht gerade in die Vollen. Jüngst hat sie sich selbstständig gemacht. Den Anstoß dazu gab ihre Brieffreundin aus Peru: Seit sie elf war, haben sie sich geschrieben. Bei ihrem ersten und einzigen Treffen letztes Jahr in Köln sagte die an Krebs erkrankte Freundin „Ich weiß nicht, wie lange ich lebe. Ich will einfach die Dinge (wie diesen lang gehegten Traum einer Europareise) jetzt tun.“
Die Dinge jetzt tun – das macht Jutta auch. Mit Kuchen und einem Lied auf der Ukulele hat sie sich von ihrem bürgerlichen Job verabschiedet. – Sie braucht ihre Zeit jetzt für was anderes: Ihren Bestseller.

Das Gedicht des Monats – und ein heißer Tipp: Das Krisenbüro

Fotografin: Sylvie Gagelmann

Zusammengestellt von Turid Müller

Michael Feindler nutzt sein Monatsgedicht erstmals für Werbung – und zwar für ein brandneues TV-Format…

 

Corona und der Lockdown stellen uns als Gesellschaft vor große Herausforderungen. Zu tun gibt es für uns Kreative also mehr als genug. Da ist so Vieles, was im Argen liegt und dringend kommentiert werden müsste: Das Sterben der Kulturszene, die Forderung danach, die „Schwächsten in der Gesellschaft einfach sterben zu lassen“, und das Wiedererstarken mancher alter Denkmuster. Doch gerade jetzt gibt es zu wenig Bühnen dafür. Wir schaffen uns daher neue, virtuelle. So auch Michael Feindler. Darum gibt es in seinem aktuellen – und wie immer mit spannenden Links gespickten – Newsletter diesmal einen…

 

 

TV-Tipp in eigener Sache

Ich wünscht, man hätte mich gebeten,
gleich morgen wieder aufzutreten
und mit der Bahn herumzureisen
zu Bühnen, die zur Zeit verwaisen.
Doch das ist aktuell nicht drin.
Ich akzeptiere Grund und Sinn,
bemerke aber immer wieder:
Ich brauch für Kabarett und Lieder
ein so genanntes Publikum,
sonst bleiben meine Worte stumm;
ein Vers erwacht erst dann zum Leben,
kann ich ihn munter weitergeben.

Es bleibt ein Trost (obgleich ein schwacher):
Für Poesie und feine Lacher
konnt ich mit einigen Kollegen
im Fernseh’n kürzlich was bewegen.
Und so empfehle ich als Wink
mit einem Zaunpfahl diesen Link:
Das Krisenbüro – Drei Satiriker off Stage | MDR

Deutscher Freiheitsbegriff – Michael Feindlers Monatsgedicht

Michael Feindler hat ein neues Monatsgedicht und auch ein neues Bühnenprogramm.

„Worum es dabei geht?“ fragt er in seinem Newsletter. „Zum Beispiel darum“:

Deutscher Freiheitsbegriff

Ihr dürft mich online überwachen,
mich arm und dadurch kränker machen,
an Eure eig’nen Lügen glauben,
mir schließlich meine Würde rauben,
doch lasst mir bitte dreierlei,
dann fühl ich mich auch künftig frei:
Böller, Wurst und Raserei.

Appetit bekommen? Das neue Programm gibt’s hier:Ihr Standort wird berechnet„.

Im Ankündigungstext heißt es: „Im neuen Bühnenprogramm unternimmt Michael Feindler den Versuch einer Standortbestimmung, und zwar für die Menschheit im Allgemeinen: Zwischen ökologischem Kollaps, Demokratiekrise und unübersichtlichen Datenströmen will er Freiraum für politische Visionen schaffen. Das ist anmaßend, aber womöglich der einzig realistische Weg aus den Dilemmata“. Feindler meint das ernst. Nichtg nur im Kabarett. Darum schließt er in seinem Newsletter auch mit den Worten: „Vielleicht sehen wir uns ja an irgendeiner Bühne. Oder auf der Straße – aus gegebenem Anlass.“

Lob von oben

Gedicht des Monats thematisiert wöchentliche Demos

Von Turid Müller

„Autistin!“ „Schulschwänzer!“ „Arme Greta!“ – Die Klima-AktivistInnen und ihre Galionsfigur müssen sich in den Medien viel gefallen lassen. Auch, dass sie vor die Karren derer gespannt werden, die an den Hebeln der Macht (aus)sitzen…

Die „Fridays for Future“-Demos und ihre Ikone Greta Thunberg werden heftig diskutiert: Die einen freuen sich, dass die Jugend von heute doch noch vom Smartphone aufblickt und eine politische Ader zeigt. Die anderen sorgen sich um die Vernachlässigung der Schulpflicht. So oder so: Die Klimaschutz-Maßnahmen der Bundesregierung seien jedenfalls nicht ausreichend, um den Klimawandel zu verhindern, mahnt Michael Feindler in den begleitenden Zeilen im Newsletter. Da gäbe die Wissenschaft den SchülerInnen Recht. Aber auch aus der Politik gibt es mitunter Zustimmung für die jungen Menschen, die jeden Freitag auf die Straße gehen, um ihre Zukunft und unseren Planeten zu retten. Und so lässt Feindler in seinen Versen die Alten und Mächtigen ein zweifelhaftes Loblied singen:

Lob von oben

Lauscht, wie Ihr noch nie gelauscht,
wenn Euch unsereins nun schwört,
dass er sich daran berauscht,
wenn er Eure Worte hört!

Sprecht, wie Ihr noch nie gesprochen,
wollt Ihr ins Gewissen reden,
über Wochen ungebrochen –
ob in Deutschland oder Schweden!

Steht, wie Ihr noch nie gestanden,
zu dem Ziel, die Welt zu retten,
dass Versprechen nicht versande
n
in „Wir müssten, sollten, hätten …“

Ruft, wie Ihr noch nie gerufen,
schwächelt nicht beim Protestieren,
um Alarm auf höchsten Stufen
öffentlich zu zelebrieren!

Denkt, wie Ihr noch nie gedacht,
kämpft für Eure Utopie
laut und klar, bevor es kracht!
Seht: Wir unterstützen sie!

Aber lasst uns uns’re Macht.


Absurdes zwischen Alltag und Weltpolitik

 

Matthias Reuter unterwegs mit seinem neuen Programm „Wenn ich groß bin, werd’ ich Kleinkünstler“

Von Mario Rembold

Matthias Reuter (Foto: Peter Heske)

„Große Kunst ist immer, wenn ich das nicht verstehe“, stellt Matthias Reuter fest, kurz nachdem er die Bühne betreten hat. Da war zum Beispiel dieser Besuch in einer Kunstgalerie zusammen mit seiner Freundin, „und da hab ich vieles nicht verstanden.“ Vor meinem inneren Auge läuft sofort ein Film ab, und offenbar auch bei den anderen Zuschauern. Es wird gelacht und geklatscht, obwohl die Show gerade erst anfängt. Große Kunst, so erfahren wir, ist manchmal auch einfach „mit fünf Dübeln befestigt“. Matthias macht aber lieber Kleinkunst, verrät er uns. Zitat: „Denn das verstehe ich.“ Dann setzt er sich ans Klavier und legt los.

Es ist der 16. November 2018, und wir befinden uns gerade in Oberhausen im ausverkauften Ebertbad. Premiere: Matthias Reuter präsentiert sein neues Bühnenprogramm „Wenn ich groß bin, werd’ ich Kleinkünstler“. Links steht ein Flügel, rechts ein kleiner Tisch mit Stuhl. Am Flügel hören wir Songs über russische Hacker, denen wir Trump, die AFD und David Hasselhoff verdanken, über Kinder, die von ihren kindischen Eltern genervt sind, oder eine aktualisierte Version seines „NRW-Abitur“-Songs. Wer im bevölkerungsreichsten Bundesland sein Abi gemacht hat, der darf sich nämlich auch mal verrechnen, wenn er, sagen wir, einen Flughafen plant.

Vom Tisch aus liest uns Matthias Geschichten vor, die aus dem Alltag gegriffen scheinen und dabei das Groteske in den Mittelpunkt rücken. In einem der Texte geht es um diese Schublade, die jeder von uns zu Hause hat: die mit dem Krimskrams drin, die „Schrömmelschublade“. Doch was ist das für ein Plastikteil, das da zwischen Entlüftungsschlüssel und alten Eintrittskarten liegt? Matthias möchte es herausfinden, und das Chaos nimmt seinen Lauf. In einer anderen Erzählung erfahren wir, dass man als Kleinkünstler regelmäßig Weinflaschen von Veranstaltern geschenkt bekommt, und welche Herausforderungen damit verbunden sind.

Premiere (Foto: Peter Heske)

Zwischen Flügel und Tisch bleibt Matthias häufig stehen, um scheinbar aus dem Stegreif Anekdoten zum Besten zu geben. Es kommt sogar vor, dass er mitten im Song die Tasten loslässt und aufsteht, weil ihm da etwas einfällt, das er jetzt erzählen muss. Wir wissen nicht, wie viel aus den Geschichten und Berichten tatsächlich aus dem Leben gegriffen ist, doch ganz gewiss hat Matthias einen Blick für das Absurde zwischen Alltag und Weltpolitik. Manchmal ist es auch die ganz eigene Art, wie er etwas erzählt, das uns im Publikum zum Lachen bringt. Ein kurzer Satz aus seinem Mund, leicht eingefärbt in eine Prise Ruhrpott, kann ganze Bilder und Geschichten im Kopf des Zuschauers entstehen lassen.

Wer ihn noch nicht live gesehen hat, mag sich nun fragen: Ist das Comedy oder Kabarett? Matthias Reuter beweist, dass dieses typisch deutsche Schubladendenken manchmal zu kurz greift. Nein, es gibt in seinem Programm keine Schenkelklopfer. Wir hören keine flachen Gags über das andere Geschlecht oder über peinliche Liebschaften. Auf der anderen Seite macht Matthias aber auch kein Zeigefinger-Kabarett. Statt über „die da oben“ herzuziehen, zeigt er humorvoll, wie Demokratie im Kleinen bei jedem einzelnen von uns beginnt (und was Ernie und Bert damit zu tun haben). Aber genau das ist eben auch eine Haltung in einer Zeit der Shitstorms und Empörungen.

Die zwei Stunden sind schnell vorbei, doch es gibt noch eine Zugabe: Matthias geht „Rentner fischen im Hallenbad“. Eine rundum gelungene Premiere – das sage nicht nur ich, sondern der Applaus im Saal spricht für sich und für Matthias. Wer neugierig geworden ist auf sein neues Programm: Aktuelle Termine gibt es auf Matthias’ Website.

Gedicht des Monats: Hambacher Forst

Von Turid Müller

Seit Wochen sieht die Regierung den Wald vor lauter Bäumen nicht, wenn es um den Kohleabbau geht. Michael Feindler hat diesem Umwelt-Desaster sein Monatsgedicht gewidmet:

Ihr habt Euch oft verständnislos gegeben:
„Was bringt es denn, das Wäldchen hier zu retten?
Das ist doch – jetzt mal ehrlich – echt kein Leben,
sich wochenlang an einen Baum zu ketten.

Es ist auch nicht verhältnismäßig, um
das Bisschen Kohleabbau zu verhindern.“
Wenn’s so ist, dann erklär’n wir das Warum
solang Ihr uns bekämpft – auch Euren Kindern:

Uns geht’s nicht bloß um diese Lebensräume,
genauso wenig geht’s Euch bloß um Kohle.
Von Außen wirkt es wie ein Kampf um Bäume,
im Innern sind es Kämpfe um Symbole.

Der Kampfplatz ist zwar klein, doch hier beginnt
das große Schlacht. Seit Langem ist es Brauch:
Am Ende siegt, wer das Symbol gewinnt.
Wir wissen das. Und Ihr, Ihr wisst es auch.

In seinem Newsletter schließt der Kabarettist, der „Dichter auf den Versen“ der protestierenden SpaziergängerInnen: „An der frischen Luft und mit langem Atem“.

In diesem Sinne…

 

Blog-Buster. Neue Redakteurin stellt sich vor

Seit einigen Monaten steht über den Blogbeiträgen des Öfteren ein neuer Name: Turid Müller. Das bin ich. 

Seit Herbst letzten Jahres bin ich im Team und habe die Freude, für Euch über Neuigkeiten aus dem Musikbusiness und dem Umfeld der Celler Schule zu berichten. Höchste Zeit, hallo zu sagen!

Moin moin aus Hamburg! Ich bin ExCellentin des Jahrgangs 2016. Direkt nach diesen (Schlaf-ärmsten wie Inspirations-reichsten Wochen meines bisherigen Lebens) bin ich mit meiner ersten eigenen Show durchgestartet: Die Teilzeitrebellin heißt das Musikkabarett- und Chanson-Programm, das ich zusammen mit meinem Pianisten Stephan Sieveking und gut gepampert von NestWerk wie Musenmuddi aus der Taufe gehoben habe.

Fotograf: Torge Niemann

Was ich singe? PolitChansons und SeelenBalsam – von satirisch bis sensibel ist alles dabei. Dabei geht’s durch viele verschiedene Genres von Pop bis zum klassischen Chanson. Zwischendurch plaudere ich aus dem Nähkästchen meiner Erfahrungen als Psychologin, die mir einen sehr speziellen Blick auf die Welt ermöglichen…

Die Celler Schule war der Startschuss, der mir lange gefehlt hatte. Und ich freue mich unbändig, jetzt meiner Berufung zu folgen und weiter mit diesem einzigartigen Netzwerk verwoben zu sein – auch durch diesen Blog. Eure Erlebnisse und Erfolge schreibend begleiten zu können, macht mir wahnsinnig viel Spaß. Und ich bin gespannt, welche Geschichten noch auf uns warten!

Wenn es etwas gibt, das Ihr für erzählenswert haltet, meldet Euch gern jederzeit bei mir! Ganz gleich, ob es dabei um Euch und Eure Projekte geht oder um etwas anderes – lasst es uns wissen!

Ich freue mich, Euch kennen zu lernen, und lade Euch hiermit ganz herzlich ein, mal vorbeizuschauen. Unter den nächsten Gelegenheiten sind zum Beispiel diese:

  • 16.03. Stollwerck Köln
  • 08.04. Sprechwerk Hamburg
  • 12.04. Das Kult Braunschweig
  • 13.04. Schauspielhaus Bergneustadt
  • 18.05. Theater O-Tonart Berlin

Also dann…

Bis ganz bald hoffentlich. – Auf einen Plausch im Foyer, in Eurer Mail an mich oder hier im Blog beim nächsten Artikel.

Turid

 

 

Günther Schwenn im Porträt

Von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Der Fasching war kurz, der diesjährige Rosenmontagkater ist längst verflogen. Wer aber glaubt, Komasaufen wäre ein Phänomen unserer Tage, der irrt. In den 1960er Jahren sang man: Schnaps, das war sein letztes Wort, dann trugen ihn die Englein fort… Günther Schwenn hatte zur Musik von Heino Gaze den Text für dieses Karnevalslied geschrieben, das Willy Millowitsch berühmt machen sollte, und sich dadurch heftige Kritik von zwei protestantischen Kirchenmännern aus Frankfurt eingehandelt. Dass Schwenn allerdings weit mehr auf dem Kasten hatte als simple Schunkellieder, zeigt dieses Porträt.

SCHÖN IST JEDER TAG…MARIE LUISE

Günther Schwenn wurde am 18. März 1903 als Adolf Hermann Carl Günther Franzke als Sohn des Kaffeegroßhändlers Eduard Franzke und dessen Frau Louise in Berlin geboren. Günther wurde sein Rufname. Später nahm er den Mädchennamen seiner Mutter als Pseudonym an. Nach dem Abitur am Humboldt-Gymnasium, das er schon 17 Jahren ablegte, studierte er Literatur-und Kunstgeschichte in Freiburg. Nach der Rückkehr nach Berlin begann seine Karriere als Kabarettist, wo Franzke/Schwenn im Küka, dem Künstlerkaffee, arbeitete – nach eigener Aussage als Direktor, Klavierspieler, Texter und Rausschmeißer in Personalunion. Seine Mitstreiter waren Erich Kästner, Werner Finck und Max Kolpe, der für eine Gage von 5 Mark seine ersten Gedichte aufsagte. Als das Küka geschlossen wurde, trat er in dem politischen Kabarett Die Wespen auf und veröffentlichte Chansontexte und Gedichte in dem Buch Gesänge gegen bar.

Nach der Machtergreifung Hitlers verschwand der Kabarettist Günther Franzke von der Bildfläche. Als Günther Schwenn kehrte er wieder, verschrieb sich von nun an der leichten Muse, wurde Schlagertexter und landete mit dem Lied Schön ist jeder Tag, den du mir schenkst, Marie Luise in dem Film Die Sonne geht auf, seinen ersten Erfolg. Dieses Lied, das Will Meisel komponierte, fand auch später Eingang in die Operette Königin der Nacht.

FÜR EINE NACHT VOLLER SELIGKEIT

Ope-rette sich, wer kann! so lautete Schwenns Devise, als er Haus- und Hoftexter des Metropoltheaters in Berlin wurde. Heinz Hentschke war dort nicht nur Direktor, sondern auch Librettist, „der letzte König und der erste Manager der Operette“, so ZEIT online. Zehn Jahre lang verfassten die beiden mit Komponisten wie Fred Raymond, Ludwig Schmidseder, Friedrich Schröder und Theo Mackeben alljährlich ein musikalisches Bühnenwerk, getreu dem Motto: Je schwerer die Zeiten, desto leichter die Unterhaltung. Die erfolgreichste Operette wurde Maske in blau (Komponist: Fred Raymond). Noch heute steht sie auf den Spielplan deutschsprachiger Musiktheater, noch heute hat man das Lied Die Julischka, die Julischka aus Buda-Buda-Budapest im Ohr.

Auch der Musikfilm kam an dem vielseitigen Texter nicht vorbei. Dank Schwenn sang sich  Marika Rökk mit viel ungarischem Temperament und ebensolchem Akzent in dem Film Kora Terry in die Herzen der deutschen Kinobesucher. Ihr Lied Für eine Nacht voller Seligkeit ist bis heute unvergessen. Die Melodie stammte von Peter Kreuder. Die meisten Filme sind in Vergessenheit geraten. Nur Witwer mit 5 Töchtern mit Heinz Erhardt in der Hauptrolle taucht Lochness-artig im Samstagsnachmittagsprogramm des Österreichi-schen Fernsehens auf.

Schwenns kreativer Output war schier unerschöpflich: Er verfasste die Liedtexte für 60 Bühnenwerke, 100 Musikfilme und über 1000 Einzeltitel, darunter: Wenn die Sonne über den Dächern versinkt (Pola Negri, Greta Keller und Hildegard Knef), Ach, Egon, ich hab ja nur aus Liebe zu dir… (Evelyn Künneke), Wenn die Glocken hell erklingen, eine Übersetzung von Les trois cloches (Fred Bertelmann, Gerhard Wendland, Lys Assia und Margot Eskens), Es kommt auf die Sekunde an (Johannes Heesters) und Durst ist schlimmer als Heimweh (Friedel Hensch). Bei seinem Auftritt im Wintergarten in Berlin wurde der Clown Charlie Rivel mit dem Lied Akrobat schö-ö-ön! überrascht, das Schwenn gemeinsam mit Fred Raymond schuf.

HEIMWEH NACH DEM KURFÜRSTENDAMM

Nach Ende des Krieges konnte Günther Schwenn seine Arbeit als Textdichter, Librettist und Autor nahtlos fortsetzen. Er engagierte sich ehrenamtlich in den Berufsverbänden, gehörte zu den Mitbegründern der GEMA-Stiftung und folgte Kurt Schwabach als Präsident des Deutschen Textdichteverbandes. In Anerkennung seiner Verdienste um die deutsche Unterhaltungsmusik wurde ihm 1979 als erstem Textdichter der Paul-Lincke-Ring verliehen, er wurde 1982 Ehrenmitglied der GEMA und erhielt 1983 die Goldene Feder des DTV.

Günther Schwenn starb am 4. Januar 1991 in Montreux am Generelle. Er wurde auf dem Friedhof Berlin-Wilmersdorf beigesetzt. Schwenn lebte seit 1959 in der Schweiz, blieb aber im Grund seines Herzens ein Berliner. Ist ja auch nicht verwunderlich bei einem, der seiner Heimatstadt eine unnachahmliche Liebeserklärung geschenkt hat: Ich hab’ so Heimweh nach dem Kurfürstendamm, ich hab’ so Sehnsucht nach meinem Berlin… Die 3 Travellers nahmen 1950 das Lied auf Platte auf, das durch die Interpretation von Marlene Dietrich und Hildegard Knef berühmt gemacht wurde. Für Bobby Kamp, den Komponisten der Berliner Hymne, blieb es allerdings ein One-Hit-Wonder.

Der während des Krieges nach London emigrierte Journalist und Kritiker Paul Erich Markus, der seine Artikel mit Kürzel PEM signierte, sprang auf den Zug auf und verwendete den Titel für seine Erinnerungen an das Berlin der Zwanziger Jahre. Das 1951 erschienene Buch wurde ein Bestseller.

 

 

 

 

MerkenMerken

MerkenMerken

MerkenMerken

MerkenMerken

MerkenMerken

MerkenMerken

MerkenMerken

Altklug oder jung weise? – Michael Feindler rechnet mit Vorurteilen gegenüber der Jugend ab

Von Turid Müller

 

Im aktuellen Monatsgedicht widmet sich der junge Kabarettist einem Satz, den er schon oft gehört hat: „Das, was Sie da machen, ist echt gut… für Ihr Alter.“

 

Diese oder Ähnlich gönnerhafte Worte aus dem Munde Älterer hat wohl nicht nur er schon mal gehört. Selbst in der Politik wurde das Thema kürzlich aufgegriffen – und zwar unter dem Hashtag #diesejungenleute. Ein guter Zeitpunkt für Feindlers poetischen punch back:

Einwurf der jungen Leute

 

Ihr tragt Erfahrungen der vielen Jahre
wie einen gut gepflegten, langen Bart.
Ihr deutet stolz auf all die grauen Haare,
noch stolzer deutet ihr die Gegenwart.

Ihr werft Euch für die Außenwelt in Schale,
als mehrte dies den Inhalt Eurer Köpfe,
sitzt selbstgefällig in der Schaltzentrale
der Macht, bedient die Hebel und die Knöpfe –

nicht weil Ihr’s besser könntet, sondern schlicht,
weil Ihr als Erste dort gesessen habt.
Die Zeit hat’s Euch gegeben. Mehr war’s nicht.
„Gegeben“ heißt noch lange nicht „begabt“.

Wir sagen nicht, dass wir es besser wüssten.
Nur anders. Aber das ist auch schon was.
Wie wär es, mal gemeinsam auszumisten?
Und keine Angst: Es wird schon nicht zu krass.

Doch meidet Ihr gemeinsames Gelingen
wie Einzelkämpfer einen Staffellauf.
Ihr glaubt, wir wollen Euch zur Strecke bringen?
Uns drängt sich eher diese Frage auf:

Wozu der Stress, Euch böse aufzulauern?
Ihr habt ja keinen Vorsprung von Bestand.
Was heute jung ist, wird Euch überdauern.
Da warten wir doch lieber ganz entspannt.

Bleibt dennoch Eure Angst durch uns zu stürzen,
schaut nicht auf uns herab – das hilft uns allen!
Warum Ihr Angst habt, lässt sich drauf verkürzen:
Wer weiter oben steht, kann tiefer fallen.

In diesem Sinne wünschen wir – um mit Feindler zu sprechen:

„Frohes und gesundes Altern!“

Kurt Robitschek im Porträt

Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Frühling in Wien – da kommt einem schlagartig ein Lied in den Sinn: Im Prater blüh’n wieder die Bäume… Dass Robert Stolz, damals noch am Anfang seiner großen Operettenkarriere, die Melodie zu diesem Jahrhundert-Hit geschrieben hat, ist hinlänglich bekannt. Dass der Text von Kurt Robitschek stammt, weiß heute keiner mehr. Zu unrecht, wie ich meine.

Foto Kurt Robitschek
Kurt Robitschek

IM PRATER BLÜH’N WIEDER DIE BÄUME

Kurt Robitschek wurde am 23. August 1890 in Prag als Sohn von Laura und Ludwig Robitschek, einem höheren jüdischen Bankangestellten, geboren. Dessen solide Berufspläne durchkreuzte der Sohn, als er mit 16 Jahren das Gymnasium abbrach und mit einem Wanderzirkus durch die Lande zog. In Wien arbeitete er als Journalist und Schriftsteller und entdeckte im Kabarett Simpl die Liebe zur Kleinkunst. 1910 schrieb Robitschek die erste Komödie, zwei Jahre später gemeinsam mit Otto Hein das erste Operettenlibretto. Komponist zu Du liebes Wien, so der Titel, war Robert Stolz. 1916 – mitten im Ersten Weltkrieg, wo Robitschek im Kriegseinsatz als Infanterist einen Bauchschuss erlitt – gelang ihm mit Stolz der walzerselige Jahrhundert-Hit Im Prater blüh’n wieder die Bäume. Alle sangen ihn und singen ihn noch heute: Richard Tauber, Fritz Wunderlich, Peter Alexander, Dagmar Koller und Eva Lind, um nur einige der Interpreten aufzuzählen. Stolz und Robitschek waren ein gutes Team: Mehr als 90 Lieder gehen auf ihr Konto. Robitschek BaumUnd noch heute freut sich nicht nur die Tourismusbranche über einen weiteren Welterfolg aus Robitscheks Feder(Youtube spuckt in 0,85 Sekunden mehr als 1,1 Mio. Einträge zum Thema aus!): Die Stadt meiner Träume, besser bekannt unter dem Titel Wien, Wien, nur du allein. Schon mit seinem Opus 1 landete Rudolf Sieczynski einen musikalischen Volltreffer, der in mehrere Sprachen übersetzt wurde.

SEID LIEB UND NETT ZU UNS!

Anfang der Zwanziger Jahre ging Robitschek nach Berlin, trat in verschiedenen Cabarets als Conferencier auf und gründete 1924 gemeinsam mit den Schauspielern Paul Morgan, Max Hansen und Max Adalbert das Kabarett der Komiker, dessen Direktion er auch übernahm. Mit dem Satz Seid lieb und nett zu uns! begrüßte der Tausendsassa allabendlich die Gäste, trat dort als Conferencier auf und schrieb satirische Lieder und Texte zum aktuellen Zeitgeschehen. Das KadeKo wurde Anziehungspunkt für die berühmtesten Kabarettkünstler seiner Zeit. Äußerst beliebt war auch die Hauspostille „Die Frechheit“.

Als streitbar, immer innovativ und furchtlos beschreibt die Autorin Marie Theres Arnbom Robitschek in dem Buch War’n Sie schon mal in mich verliebt? Filmstars, Operettenlieblinge und Kabarettgrößen zwischen Wien und Berlin. Der Kabarettist, der nie ein Blatt vor den Mund nahm, erkannte schon früh die Gefahr, die durch den aufkeimenden Nationalsozialismus drohte, und brachte mit der Operettenparodie Quo vadis, die erste, beißende, ätzende, vielbeachtete und wenig befolgte Satire gegen Adolf Hitler, so O-Ton Robitschek, auf die Bühne. Quasi als Warnung. Bis 1932 stand Quo vadis immer wieder auf dem Programm. Was sich später als Verderbnis für die jüdischen Künstler herausstellte sollte.

AN DER SCHÖNEN ROTEN DONAU

1927 übersiedelte das Kabarett der Komiker auf den Kurfürstendamm. Die Spielstätte umfasste mehr als 800 Sitzplätze und war als erstes Rauchtheater die Attraktion in Berlin. Nach der NS-Machtübernahme musste das KadeKo 1933 zusperren. Robitschek flüchtete über Prag nach Wien, wo er in den Kammerspielen die Bühne des Lachens gründete. 1936 war aber auch ihm das Lachen gründlich vergangen, und er emigrierte mit seiner Frau, der Schauspielerin und Kabarettistin Ilse Bois, nach Amerika. In New York legte er seinen ursprünglichen Namen ab, nannte sich Ken Robey und fand eine geistige Heimat in den Kaffeehäusern und Restaurants, wo die Exil-Juden Kabarettabende veranstalteten.1941 gelang es ihm wieder das Kabarett der Komiker zum Leben zu erwecken, wo er Publikumslieblingen wie Karl Farkas, Hermann Leopoldi und Armin Berg eine Bühne bot.

„An der schönen roten Donau wohnt jetzt wiederum das Glück, und im Prater blüh’n die Bäume, sag’n S’ Herr Kohn, wann kommen S’ z’rück? An der schönen roten Donau herrscht jetzt wieder Glück und Scherz. Mir ham schließlich kan Charakter, doch wir ham a gold’nes Herz“, schrieb Kurt Robitschek pardon Ken Robey für Hermann Leopoldi im Exil. Er kehrte nie mehr nach Wien, das von den Russen besetzt war, zurück und starb am 16. Dezember 1950 in New York an Lungenkrebs.

Kaum zu glauben, dass Wien, die Stadt seiner Jugend, der er zwei der schönsten Lieder geschenkt hat, ihn zur Gänze vergessen hat.