Fritz Grünbaum im Porträt

Von Claudia Karner (Celler Schule 2006)

Wie frivol ist das denn! Ein Voyeur steht vor der leicht geöffneten Hotelzimmertür und wirft einen unerlaubten Blick in das Badezimmer. Dann fängt er auch noch zu singen an. „Ich hab das Fräul’n Helen baden seh’n, das war schön. Da kann man Waden seh’n, rund und schön im Wasser steh’n. Und wenn sie ungeschickt tief sich bückt – so! Da sieht man ganz genau bei der Frau – Oh!“ 95 Jahre ist es her, dass Fritz Grünbaum dieses Lied zur Musik von Fred Raymond getextet und der Welt einen unausrottbaren Ohrwurm geschenkt hat.

DU SOLLST DER KAISER MEINER SEELE SEIN

Fritz Grünbaum wurde am am 7. April 1880 als Sohn eines deutsch-jüdischen Kunsthändlers Wilhelm Grünbaum und dessen Gattin Regina in Brünn/Brno (Mähren, heute Tschechische Republik) geboren. Er besuchte das dortige deutsche Gymnasium. Schon während des Jusstudiums in Wien widmete er sich dem Schreiben und verfasste 1903 das erste Operettenlibretto mit Robert Bodanzky. Auch mit Leo Fall („Die Dollarprinzessin“), Carl Michael Ziehrer („Liebeswalzer“) und Robert Stolz („Der Favorit”) entstand eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Das Lied „Du sollst der Kaiser meiner Seele sein“ wurde zu einem Evergreen. Die Tantiemen waren der Grundstein für eine millionenschwere Kunstsammlung, die 400 Werke, darunter 80 von Egon Schiele, beinhaltete und deren Verbleib bis heute nicht zur Gänze geklärt ist und einen jahrelangen Erbstreit nach sich zog.

DER G’SCHEITE UND DER BLÖDE

Seine Kabarettkarriere startete Grünbaum 1906 in dem Kabarett „Hölle“ in Wien als Conferencier. 1914 trat er zum ersten Mal im Kabarett Simpl auf und führte dort mit Karl Farkas die aus Ungarn stammende Doppelconference – das ist ein Dialog zwischen dem „G’scheiten” und dem „Blöden” – zur Perfektion. Abseits der Bühne wirkte der klein gewachsene, glatzköpfige Grünbaum unscheinbar. Aber wehe, er machte den Mund auf! „Er schiesst pausenlos seine Witzraketen und Bonmots mit überdrehter Logik ins überraschte Parkett. Famose Begabung! Viel zu schade für Wien“, meinte Theaterdirektor Rudolf Nelson und holte Grünbaum nach Berlin. Dort trat er auf Nelsons Bühnen und in Filmen auf, schrieb Schlagertexte und verfasste Drehbücher für Filme. In Wien machte er weiterhin Kabarett und brillierte als Conferencier, dessen Aufgabe er so definierte: „Das ist einer, der den Leuten auf lustige Weise zu erklären versucht, dass es nichts zu lachen gibt.“ Ab 1933 wurden seine Texte in Wien zunehmend politischer.

„ICH SEHE ABSOLUT GAR NICHTS…“

Kurz vor dem Anschluss an Hitler-Deutschland am 10. März 1938 spielte Grünbaum mit Farkas ein letztes Mal im Simpl, ehe ein Auftrittsverbot für jüdische Künstler verhängt wurde. Da witzelte er noch, als bei einem Stromausfall das Licht ausging: „Ich sehe nichts, absolut gar nichts, da muss ich mich in die nationalsozialistische Kultur verirrt haben.“ Es blieb zappenduster. Während Farkas die Ausreise gelang, missglückte Grünbaums Flucht an der tschechischen Grenze. Im Mai 1938 wurde von der Gestapo in der Synagoge verhaftet und eingesperrt. Mithäftling war der spätere österreichische Bundeskanzler Bruno Kreisky. Danach wurde ins KZ Dachau, anschließend nach Buchenwald und wieder nach Dachau deportiert, wo er im Steinbruch schuften musste. Grünbaum bewahrte sich seinen Humor bis zuletzt. Bereits todkrank spielte er zu Silvester 1940 noch einmal für seine Mithäftlinge. Darunter waren Freunde aus Wien, der Textdichter und Librettist Fritz Löhner-Beda und der Klavierhumorist Hermann Leopoldi.

EIN LEBENSLANGER IMPERATIV

Zwei Wochen später, am 14. Jänner 1941 starb der große kleine Mann an Entkräftung und Tuberkulose. Seine Urne, die in einem Paket nach Wien kam, wurde auf dem Zentralfriedhof von seiner Frau Lilly, der Nichte von Theodor Herzl, beigesetzt. Sie selbst wurde im Oktober 1942 deportiert und kam im KZ Maly Trostinec um. Ob es an der eigenwilligen Interpretation von Grünbaum lag, dass es kein Denkmal in Wien für ihn gibt? Er meinte: „Für mich ist Denkmal ein lebenslanger Imperativ, der aus zwei Wörtern besteht.“ Zumindest erinnert der Fritz Grünbaum-Platz an den größten Unterhaltungskünstler seiner Zeit. Der Ort ist nicht zufällig gewählt. Das Apollo-Theater, in dem Grünbaum viele seiner Erfolge feierte und das heute ein Kino ist, befindet sich in Sichtweite.

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